Heimlich, still und
leise, mitten in der Nacht
schleicht er sich zu Jesu.
Nikodemus. Das Evangelium
erzählt uns heute von
diesem Mann.
Und dass er ein angesehener
Bürger ist, ein führender Mann
unter den Juden. Nicht auszudenken,
wenn man ihn zusammen mit
Jesus entdecken würde.
Als Verräter würde man
ihn bezeichnen. Als einen
Überläufer und Deserteur.
Als jemanden, der die eigene
Überzeugung verrät, in diesem
Fall, den jüdischen Glauben.
Und dennoch, zieht es Nikodemus
zu Jesus hin. Tief in seinem Herzen
spürt er: Jesus steht mit Gott
im Bunde. Kein Mensch könnte
das vollbringen, was er vollbringt,
wenn Gott nicht auf seiner
Seite stünde.
Ich lade Sie ein, Nikodemus
auf seinem Weg durch die Nacht
zu Jesus hin zu begleiten.
Was mag in diesem Mann vor
sich gehen? Welche Gefühle
begleiten ihn auf seinem
Weg? Ängste und Erwartungen,
Hoffnungen und Wünsche?
Heimlich, still und leise,
geht Nikodemus durch das Dunkel
der Nacht. Dass ihn nur niemand
sieht und erkennt und möglicherweise
auf ganz andere Gedanken käme.
Ich kann mich von Nikodemus
fragen lassen: Woran glaubst Du?
Wovon bist Du in der Tiefe Deines
Herzens überzeugt? Und wie
lebst Du Deine Überzeugung?
Heimlich und verdeckt, oder
kann man erkennen, was Geistes
Kind Du bist?
Vieler erachten den Glauben
als Privatsache. Sie tragen ihn
nicht gerne öffentlich vor sich
her. Sie leben ihn lieber und
bevorzugt in einem intimen,
für andere verschlossenen
Bereich. Schade eigentlich.
Der christliche Glaube ist
auf Gemeinschaft angewiesen,
darauf, dass man ihn miteinander
teilt, lebt und feiert. Eine solche
Gemeinschaft im Glauben macht
stark und schenkt Kraft. Wer
glaubt ist niemals allein!
Jesus beginnt das Gespräch
mit Nikodemus mit einem
Satz, der es wahrlich in sich hat:
„Amen, amen, ich sage dir:
Wenn jemand nicht von Neuem
geboren wird, kann er das Reich
Gottes nicht sehen.“
Von Neuem geboren werden.
Es gibt Menschen, die sagen:
„Wenn ich nochmals auf
die Welt kommen würde,
dann …“
„… dann würde ich vieles
ganz anders machen.“
Mit seiner Aussage stellt
Jesus dem Menschen in Aussicht,
das ein Neuanfang jederzeit
möglich ist. Und dass Menschen
immer wieder neu beginnen
können, sollen und müssen,
wenn Gottes Reich für
sie Wirklichkeit werden
soll, also das Leben,
das Gott jedem in
Aussicht gestellt hat,
von Anfang seines
Lebens an.
Nikodemus hat genau dazu
seine Fragen:
„Wie kann ein Mensch,
der schon alt ist, geboren werden?
Er kann doch nicht in den Schoß
seiner Mutter zurückkehren
und ein zweites Mal geboren
werden.“
Nein, an so etwas denkt
Jesus tatsächlich nicht.
Jesus denkt an einen
Neuanfang, den der Geist
Gottes bewirkt, jener Geist,
der auch über ihn gekommen ist,
als er im Jordan die Taufe
empfängt.
Es ist der Geist Gottes,
der Neues schafft. Der aus
alten Menschen, junge
Menschen macht.
In einem Lied im Gottesdienst
heißt es:
„Du hast uns Herr gerufen
und darum sind wir hier.
Wir sind jetzt deine Gäste
und danken dir.
Du legst uns deine Worte
und deine Taten vor.
Herr, öffne unsere Herzen
und unser Ohr.
Herr sammle die Gedanken
und schick uns deinen Geist,
der uns das Hören lehrt
und dir folgen heißt.“
In der Nachfolge Jesu
kann ein Mensch neu geboren
werden. Das setzt voraus,
dass er Jesu Gedanken zu
seinen eigenen Gedanken
macht, dass er Jesu Ansinnen
zu seinem eigenen Ansinnen
macht, dass er Jesu Tun,
Maßstab für sein eigenes
Handeln werden lässt.
„Herr, was willst du,
dass ich tue?“, so fragt
der Heilige Franziskus von
Assisi Jesus in seinem Gebet.
Die Frage nach dem,
was Gott von mir will
und was er mit mir vorhat,
vor allem aber die Antwort
Gottes auf diese Frage und
dass ich sie lebe,
lässt mich zu einem neuen
Menschen werden.
Die Neugeburt eines Menschen
geschieht aus dem Geist Jesu.
Übrigens auch die Neuwerdung
der Kirche.
Die Neuwerdung der Kirche
kommt nicht durch hierarchische
Entscheidungen allein, wie manche
meinen, die sich sehr kritisch
und mit großem Widerstand dem
den synodalen Prozess gegenüber
verhalten. Sie geschieht vor allem
in der Kraft des Heiligen Geistes.
Dieser ist wie der Wind.
Er weht bekanntlich wie
und wann und wo er will.
Also auch im Volk Gottes.
In Ihnen und in mir.
In uns allen.
Seien wir bitte nicht
so bescheiden.
Neu geboren zu werden
bedeutet für die Kirche
zunächst, sich zu fragen:
„Was dient der Verkündigung
des Evangelium?“ Oder wie
es Franziskus tat: „Herr,
was willst du, dass deine
Kirche heute tue?“
„Was dient dem Leben
der Menschen?“
Jetzt sind wir wieder
bei uns selbst. Neuwerdung,
auch der Kirche, setzt bei jedem
einzelnen von uns an.
Da, wo ich selbst zu mehr
Lebendigkeit und Leben finde,
wo ich wahrnehme, dass ich
froh in meinem Leben werde,
da wirkt Gottes Geist. Da
fühle ich mich wie neu
geboren.
Gottes Geist wirkt in uns,
immerzu, und schafft neues
in uns, immerzu. Er will uns
lebendig machen.
Zugegeben, manchmal
erschüttert er uns auch tief
in unserer Seele und stellt
das ganze Leben infrage.
Dennoch: Offenzubleiben
für sein Wirken ist die Voraussetzung,
um neu geboren werden zu können.
Gott selbst mache uns bereit
aus dem Dunkel der Nacht
hervorzutreten und ihm
zu folgen und mutige Schritte
in die Zukunft zu gehen.
Segen
Gott segne Sie.
Er segne sie mit seinem Geist
und mache sie zu Menschen, die
nach ihm fragen, zu Suchenden,
die offen sind für ihn und
zu Glaubenden, die neue
Menschen werden.