In der Regel steht
am Ende des Impulses
für den Tag ein Segenswort.
Ich will diesen Segen heute
an den Anfang stellen.
„Gott segne uns, wenn
wir dich nicht verstehen.
Segne uns, wenn wir nicht
weiterwissen.
Segne uns, wenn sich unsere
Pläne zerschlagen.
Segne uns mit der Erfahrung
deiner Liebe und Macht. Amen.“
Gott, segne uns, wenn
wir dich nicht verstehen.
Wer von uns könnte wirklich
von sich behaupten und sagen,
dass er Gott versteht?
Wer von uns könnte tatsächlich
für sich in Anspruch nehmen,
dass er Gott begreift?
Wer von uns könnte tatsächlich
sagen, dass er Gottes Absichten
bis ins Letzte durchschaut?
Niemand!
Kein Mensch!
Der christliche Gott, so nah
er uns in Jesus Christus gekommen
ist, bleibt im Letzten immer
ein Geheimnis. Noch.
Niemals können
wir ihn besitzen, niemals gänzlich
begreifen. Und manchmal
verschwindet er gänzlich
von der Bildfläche.
Da meinen
wir, von Gott verlassen
zu sein.
Die Mystiker sprechen
diese Erfahrung an, wenn
sie von der Gottesferne sprechen,
der dunklen Nacht der Seele.
Jesus selbst hat diese Nacht
durchlebt. Verzweifelt ruft er
in die Dunkelheit hinein:
„Mein Gott, mein Gott,
warum hast Du mich
verlassen?“
Kennen Sie auch solche
Momente? Augenblicke,
in denen Sie sich von Gott
im Stich gelassen glaubten?
Es gibt auch in dieser Zeit
Menschen, die glauben,
dass Gott die Welt verlassen
hätte. Dass er sich abgewandt
hätte. Sie gehen sogar noch
einen Schritt weiter. Sie meinen,
dass all das, was wir im Augenblick
erleben, eine Strafe Gottes sei.
Ich frage mich, von welchem
Gott sie dabei reden. Der christliche
Gott kann es jedenfalls nicht sein,
der Gott an den Christen glauben.
Der hat, wie wir wissen,
einen solchen Moment selbst
ausgehalten. Am Kreuz.
Für uns.
Der Beter eines Psalms
ruft in seiner vermeintlichen
Gottverlassenheit:
„Gott, du mein Gott,
dich suche ich, meine
Seele dürstet nach dir.
Nach dir schmachtet mein
Leib, wie dürres, lechzendes
Land ohne Wasser.“
Am Ende seines Gebetes
lobt er Gott. Er sagt:
„Ja, du wurdest meine Hilfe.
Jubeln kann ich im Schatten
deiner Flügel. Meine Seele
hängt an dir, deine rechte
Hand hält mich fest.
Momente der Gottesferne
gibt es in jedem Leben.
Und dass ich mich von
ihm im Stich gelassen glaube,
auch das ist eine Erfahrung,
die ich kenne.
Doch ich darf davon
ausgehen und fest daran
glauben: In meinem Suchen
nach Gott sucht Gott mich,
weil er mir nah sein will,
auch, gerade in der Not.
Segne uns, wenn wir
nicht weiterwissen.
Segne uns, wenn sich unsere
Pläne zerschlagen.
Dieses Segenwort spiegelt
die Erfahrung vieler von uns
wieder. Wie oft schon sind
wir in unserem Leben an einen
Punkt gekommen, an dem
wir nicht mehr weiter
wussten.
Fragen haben sich
uns gestellt, auf die wir
keine Antwort hatten.
Krisen haben uns überwältigt,
aus denen wir kein Entkommen
mehr erkennen konnten.
Jeder hat seinen ganz
eigenen Punkt in seinem
Leben, an dem es für
ihn nicht mehr weiterging,
Träume sich zerschlugen,
Hoffnungen wie Seifenblasen
zerplatzten, Pläne zerschlagen
wurden.
Was hat Ihnen persönlich
in dieser Zeit geholfen?
Was hat Sie gehalten?
Davon abgehalten, sich
gänzlich verloren zu
glauben? Verloren zu glauben
und von Gott im Stich
gelassen?
Was hält
Sie gerade jetzt, heute,
in dieser unruhigen
und verunsichernden
Zeit mit all den
Herausforderungen,
die sie mit sich bringt.
Insbesondere auch
den existenziellen
Nöten.
Segne uns mit
der Erfahrung deiner
Liebe und Macht.
Teresa von Avila.
Mystikerin
und Kirchenlehrerin sagt:
Alles Elend komme daher,
dass wir nicht sehen,
wie nahe Gott uns ist.
Das ist die Aussage aller
Mystiker: Gott wohnt
in uns. Er ist uns innerlicher
als wir zu meinen glauben.
Anwesend und zugegen
mit all seiner Liebe und
all seiner Kraft.
Wir müssten uns nur
darauf besinnen.
Teresa hat ein Gebet
formuliert, das die Überschrift
trägt: „Gott spricht“.
Die Sprache und die Worte
dieses Gebetes mögen uns
fremd erscheinen, sie entstammen
einer anderen Zeit, jedoch
der Inhalt der Worte scheint
mir an Bedeutung nichts
verloren zu haben:
„O Seele suche mich in Mir,
und Seele, such Mich in dir.
Die Liebe hat in meinem Wesen
dich abgebildet treu und klar,
kein Maler lässt so wunderbar,
o Seele, deine Züge lesen.
Hat doch die Liebe dich erkoren
als meines Herzens schönste Zier,
bis du verirrt, bist du verloren,
o Seele, suche dich in Mir.
In meines Herzens Tiefe trage
Ich dein Portrait so echt gemalt;
sähst du, wie es vor Leben strahlt,
verstummte jede bange Frage.
Und wenn dein Sehnen Mich
nicht findet, dann such nicht dort
und such` nicht hier;
gedenk, was dich im Tiefsten
bindet, und, Seele, suche Mich
in dir.
Du bist mein Haus und meine Bleibe,
bist meine Heimat für und für;
Ich klopfe stets an deine Tür,
dass dich kein Trachten von Mir
treibe.
Und meinst du, Ich sei fern von
dir, dann ruf Mich, und du wirst
erfassen, dass ich dich keinen
Schritt verlassen; und, Seele,
suche Mich in Dir.“
Gott ist in uns.
Gott wohnt in uns.
Er ist uns ganz nahe.
Die Tiefe ist in uns.
In uns ist das lebendige
Licht, das alles durchstrahlen
will. Er ist in uns als Liebe
und Macht.
Segen
Gott segne Sie.
Er segne Sie, wenn
Sie ihn nicht verstehen.
Wenn Sie nicht
weiterwissen.
Wenn sich Ihre
Pläne zerschlagen.
Mit der Erfahrung
seiner Liebe,
seiner Macht.“