Der Anfang klingt wie ein
Märchen. Ein Fest soll stattfinden.
Nicht irgendein Fest. Eine Hochzeit.
Eine königliche Hochzeit. Gastgeber
ist der König selbst. Dieser lädt zur Hochzeit
seines Sohnes ein. Ausgewählte Gäste
sind geladen und werden erwartet.
Doch dieses Märchen endet nicht,
wie bei Märchen üblich, mit einem Happyend.
Aus dem verwunschen Frosch wird kein Prinz.
Die schöne Stieftochter findet nicht
die große Liebe und ehelicht
den König. Niemand wird
wachgeküsst, aus einem
Turm befreit und zum Leben
wieder erweckt.
Im Gegenteil. Am Ende steht die
große Enttäuschung und der Zorn
dessen, der zur Feier eingeladen
hat. Die große Heimzahlung.
Also doch kein Märchen.
Eher Drohbotschaft statt
Frohbotschaft?
Schauen wir genauer hin.
Spätestens in dem Moment,
wo die Geschichte ihre Wendung
nimmt und die eingeladenen Gäste
nicht auf die Einladung reagieren,
sich vielmehr gleichgültig ihr gegenüber
verhalten, wird klar, dass es sich hier
um ein sehr deutliches Wort Jesu
an seine Landleute handelt.
Um eine Lehrstunde, die
es in sich hat und jeden,
herausfordern muss.
Insbesondere die Ältesten
und die Hohenpriester.
Ihnen vor allem gilt
sein Wort.
Der König, der zur Feier einlädt,
ist Gott. Die Hochzeit, zu der er einlädt
ist die Hochzeit seines Sohnes.
Die Auserwählten, die an der
Feier teilnehmen sollen, stehen für
das Volk Israel.
Die Hochzeit selbst für die innigste Gemeinschaft zwischen Gott
und seinem Volk,
eine Gemeinschaft,
die Freude, die Leben,
die Zukunft verheißt.
Die Erfahrung ist die:
Nicht jeder nimmt das Angebot
zur Feier an. Viele reagieren darauf
mit Gleichgültigkeit und gehen ihren
ganz eigenen Vorhaben nach, völlig
unbeeindruckt von Gottes Ruf.
Zu guter Letzt misshandeln sie
die Boten des Königs. Sie
bringen sie um.
Das hat seine Konsequenzen.
Jene bleiben von der Freude
des Lebens ausgeschlossen.
Stattdessen ergeht die Einladung
an Menschen von der Straße.
Sie ruft Gott an seinen Tisch.
Der Maler Sieger Köder hat
diese Mahlgemeinschaft in einem
Bild dargestellt. Am Tisch versammelt
er Menschen unterschiedlicher
Nationalität, unterschiedlicher
Berufsgruppen,
Menschen, die am Rande der Gesellschaft
stehen, Menschen mit einem ziemlich
anrüchigen Hintergrund, Menschen
unterschiedlicher Religionen.
Am Kopfende sitzt Jesu.
Die Hände deuten es an.
Er reicht den Versammelten
das Brot des Lebens.
Das Mahl vereint die Gegensätze
und Widersprüche dieser
Welt. Das himmlische
Hochzeitsmahl, auf das das
heutige Evangelium anspielt,
umso mehr.
Gottes Angebot zur Feier des
Lebens schließt keinen aus.
In ihm das Leben zu finden,
betrifft nun nicht mehr
das Volk Israel allein,
vielmehr alle, die Gottes
Ruf und Einladung folgen
wollen.
Nein, das ist keine
Drohbotschaft. Vielmehr eine
Geschichte mit einem
Happyend, das alle
betreffen will.
In einem Lied
heißt es:
Aus den Dörfern und aus Städten,
von ganz nah und auch von fern,
mal gespannt, mal eher skeptisch,
manche zögernd, viele gern,
folgten sie den Spuren Jesu,
folgten sie dem, der sie rief
und sie wurden selbst zu Boten,
dass der Ruf wie Feuer lief.
Und so kamen sie in Scharen,
brachten ihre Kinder mit, ihre
Kranken, auch die Alten, selbst
die Lahmen hielten Schritt.
Von der Straße, aus der Gosse
kamen Menschen ohne Zahl
und sie hungerten nach Liebe
und nach Gottes Freudenmahl.
Und dort lernten sie zu teilen
Brot und Wein und Geld und
Zeit; und dort lernten sie zu heilen,
Kranke, Wunden, Schmerz und
Leid; und dort lernten sie zu beten,
dass dein Wille Gott geschehe,
und sie lernen so zu leben,
dass das Leben nicht vergehe.
Aus den Dörfern und aus Städten,
von ganz nah und auch von fern,
mal gespannt, mal eher skeptisch,
manche zögernd, viele gern,
folgen wir den Spuren Jesu,
folgen dem, der uns rief
und wir werden selbst zu Boten,
dass der Ruf wie Feuer lief.
Eingeladen zum Fest des
Glaubens. Eingeladen zum Fest
des Glaubens.
Es bleibt für viele die große
Befürchtung, dass etliche in den
zurückliegenden Monaten und
nach dem Ende der Pandemie
dieser Einladung nicht mehr
folgen werden, dass sie
den Anschluss an die Kirche,
den Anschluss an die Gemeinschaft
der Gläubigen vor Ort, den Anschluss
an Gott verloren hätten.
Weil sie
spüren, dass es sich auch
ganz ohne all das leben
lässt. Ohne Feier, ohne
Gemeinschaft, ohne Kirche,
auch ohne Gott!
Mag sein.
Unrealistisch wäre dies
keineswegs. Es wird offenbar,
was schon lange versteckt
besteht und Wirklichkeit ist,
dass Kirche, dass Glauben,
dass Gott an Relevanz für
viele Menschen verloren
haben. Corona bringt es
ans Tageslicht.
Vor diesem Hintergrund
sind Jesu Worte mehr
als nur alarmierend. Sie rütteln
auf. Sie machen wach. Sie
rufen zur Entscheidung
auf. „Kommst du zum Fest
des Lebens oder bleibst du
ihm fern?“
Was hat sich seit der Pandemie
in Ihrem ganz eigenen Glaubensleben
verändert? Wir wirkt sich diese Zeit
der Krise und der damit einhergehenden
Herausforderung auf Ihre Beziehung
zu Gott, die Gemeinde vor Ort,
die Kirche im Ganzen aus?
Was ist anders geworden?
Oder hat sich möglichweise
gar nichts verändert?
Gerhard Lohfink interpretiert
das heutige Evangelium so:
„Das Gleichnis ist ein bewegender
und drängender Versuch Jesu, diejenigen
in Israel, die seine Botschaft ablehnen,
doch zur Umkehr und zur Annahme
des Evangeliums zu bewegen.
Das Gleichnis will schockieren
und erschrecken, es will warnen,
will Blindheit aufdecken, will
zur Umkehr führen. Doch es
spricht kein endzeitliches
Urteil aus. Vor allem aber:
Heute geht das Gleichnis
an uns, die Christen, die wir
tausend Gründe haben,
das angebotene Festmahl
zu missachten.“
Können
wir auf sein Mahl
wirklich verzichten?
Auf die Gemeinschaft
mit ihm, unserem Gott?
Ich glaube kaum,
denn jeder von uns braucht die
Gemeinschaft. Gott hat den
Menschen nicht dazu geschaffen,
dass er allein sein Mahl einnimmt,
sei es zu Hause oder hier in
der Kirche! Wir Menschen
leben in und von der
Gemeinschaft.
Herr, lass uns einsehen
und begreifen, dass wir deine
Gemeinschaft brauchen, dass wir
die Gemeinschaft der Menschen
brauchen, die mit uns den Weg
zu dir hin gehen.
Lass uns verstehen, dass dein
Mahl ein Zeichen deiner Güte
und Liebe uns und allen Menschen
gegenüber ist.
Gott segne uns mit
der Kraft zu ihm zu gehen. Er segne
uns mit der Freude, bei ihm zu sein.
Er segne uns mit der Erfahrung, dass
wir in ihm alles finden, was wir erstreben
und erhoffen.