Diese Ansprache enstand kurz bevor
das Corona-Virus ausgebrochen ist, so dass
sich kein ausdrücklicher Bezug zur augenblicklichen
Situation darin findet. Hierzu verweise ich auf
den Ostergruß.
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Das Christentum ist eine
merkwürdige Religion.
Es feiert den Tod
seines Gottes und
findet am Kreuz
seinen Anfang.
Es beginnt mit
einer scheinbaren
Neiderlage seines
Gottes, Jesus Christus.
Die Evangelien stellen ihn
als einen gescheiteren Gott
dar. Als einen Gott, der an
dieser Welt und den Menschen
zugrunde ging.
Verraten.
Gefangengenommen.
Ausgeliefert.
Verurteilt.
Ans Kreuz geschlagen.
Tot. Mausetot.
Schließlich begraben.
Götter anderer Religionen
sind mächtig und stark,
herrschaftlich und gehen
als Sieger aus dem Streit
hervor. Sie thronen über
den Wolken, unendlich
fern.
Der christliche
Gott ist anders.
Wo andere stark sind,
zeigt er sich schwach.
Wo andere triumphieren,
macht er sich klein.
Wo andere gewohnt sind,
dass man ihnen hofiert,
macht er sich zum Diener
aller.
Wo andere unerreichbar
erscheinen, setzt er sich
aus, kommt dem Menschen
nah in einem wehrlosen
Kind.
Zunächst.
Ostern erzählt uns noch
von einer anderen Wahrheit:
dass der christliche Gott der
eigentliche Sieger ist
und bleibt, weil er das
vollbringt, was andere
Götter niemals
vollbringen
können:
Der christliche Gott
besiegt den Tod.
Dieser Sieg über
Sterben und Tod hinweg
macht ihn zum wahren
Gott für uns.
Das Christentum ist
eine merkwürdige Religion.
Es beginnt mit dem Scheitern
eines Menschen, der selbst
Gott gewesen ist und in allem
uns Menschen gleich, also
auch im Scheitern menschlicher
Existenz.
Das macht ihn glaubwürdig
für uns. Das bringt ihn uns
nah. Das lässt ihn einen von
uns werden, der es uns erlaubt,
dem eigenen Scheitern,
den eigenen Schwächen,
den eigenen Grenzen,
den eigenen Niederlagen,
dem eigenen Tod
offen und ehrlich ins
Gesicht zu schauen.
Das Leben Jesu,
sein Scheitern, Sterben und sein
Tod, aber auch seine
Auferstehung, gerade
diese, haben mit unserem
Leben zu tun und nicht nur
das. Leben, Scheitern,
Sterben und Tod Jesu und auch
seine Auferstehung
haben auch mit der Kirche
zu tun.
Vom Scheitern der Kirche
ist in den zurückliegenden
Monaten immer wieder
die Rede gewesen.
Die Kirche erlebt seit
längerem Rückschlag
um Rückschlag.
Für viele hat sie an
Bedeutung verloren.
Für viele ist sie
gestorben und damit
ohne weitere
Relevanz für das eigene
Leben und die vielen
Fragen, die das Leben
an einen Menschen stellt.
Heute, für einen Moment,
tritt sie aus all diesem Wust heraus
und ruft den Menschen zu:
Der Tod hat keine Macht
mehr über das Leben.
Die Macht des Todes
ist gebrochen durch
den, der den Tod
besiegt hat:
Christus.
Doch was bedeutet Ostern
für die Kirche selbst? Wozu
lädt das Fest der Auferstehung
unseres Gottes die Kirche ein?
Die Einladung ist zunächst
die: sich dem eigenen Scheitern
zu stellen und die Dunkelheit
des eigenen Grabes, in das
sie hinabgestiegen ist,
auszuhalten.
Nur eine Kirche, die
dazu bereit ist, sich ihren
Schattenseiten zu stellen,
kann auch wirklich und
glaubhaft Ostern feiern.
Die Auferstehung Jesu.
Und die ganz eigene
Auferstehung dazu.
Denn zur Auferstehung
bleibt auch die Kirche gerufen.
Österlich soll Kirche
sein. Doch wie?
Eine österliche Kirche, die
von Auferstehung redet,
darf Auferstehung nicht
nur verkünden, sie muss
sie auch leibhaft in
ihren Vollzügen leben.
Nur das macht sie
glaubwürdig.
Glaubwürdig für
Zweifler, Enttäuschte
und Verletzte.
Glaubwürdig für
Frustrierte und an
ihr Gescheiterte.
Glaubwürdig für
Suchende und jene,
die ihre Hoffnung noch
nicht aufgegeben haben.
Glaubwürdig für alle,
die an der Kirche leiden.
Glaubwürdig für die Unzähligen,
die aus der Kirche ausgetreten
sind und sich dennoch
tief im christlichen Glauben
zuhause wissen und geborgen.
Eine österliche Kirche
ist eine Kirche, die Abbild
der Sonne des Ostermorgens
ist und nicht den beängstigenden
Eindruck eines dunklen Grabes
bei den Menschen hinterlässt.
Eine österliche Kirche ist
eine Kirche, die bereit ist,
die ganz eigenen Leinenbinden abzustreifen,
die sie selbst ersticken und gefangen
halten und die sich nicht länger
binden lässt durch restaurative
und reaktionäre Kräfte, die
den eigenen Prozess der
Auferstehung,
der Neuwerdung,
widerstehen
wollen.
Eine österliche Kirche
ist eine Kirche
der Auferstehung
und nicht des Todes.
Des Lichtes und nicht
der Finsternis.
Der Weite und nicht
der Enge.
Der Freude und nicht
der Trauer.
Der Hoffnung und nicht
der Resignation.
Des Aufbruchs und nicht
des Niedergangs.
Zu all dem bleibt die Kirche
gerufen, von Christus gerufen,
und jeder von uns mit ihr.
Denn: Diese österliche Kirche
fängt bei jedem von uns
und mit jedem von uns
zu leben und zu existieren
an.
Ostern lädt uns alle
zur Auferstehung ein.
Zum Leben. Zur Fülle.
Zur Freude. Zur Hoffnung.
Zum Aufbruch im Eigenen
und auch im Leben
der Kirche.
Österlich leben wird
die Kirche nur dann können,
wenn wir selbst bereit sind,
Ostern zu einer Lebenseinstellung
werden zu lassen und als Gemeinschaft
von Glaubenden und Hoffenden dem
Licht entgegen zu gehen,
das uns von fern
entgegenstrahlt.
In Christus,
dem Auferstanden,
unserem Gott,
dem so ganz anderen
Gott, einer für viele andere
merkwürdig bleibenden
Religion.