Was halten Sie davon?
Was halten Sie von den
eben gehörten Worten
Jesu?
Was regt sich beim
Zuhören in Ihnen?
Was lösen die Worte
aus, an Zustimmung,
an Widerstand?
Ich gebe zu:
Die Evangelien
der vergangenen Sonntage
sind alle ziemlich
herausfordernd.
Sie provozieren,
reizen,
ärgern,
verwirren,
klären auf,
verunsichern,
zerstören.
Von der engen Tür
wurde gesprochen, durch die
nicht jeder hindurchgelangen
könne.
Auch die ersten und
die letzten Plätze
bei einem Festmahl
wurden ins Auge genommen.
„Wer sitzt am Ende wo?“,
das was die Frage.
Bei den Worten
Jesu, dass er gekommen
sei, Feuer auf die Erde
zu werfen und Unfrieden
unter den Menschen
zu provozieren, Sie
erinnern sich vielleicht
noch daran,
hat mir einmal eine
Gottesdienstgemeinde
laut und vernehmlich zugestimmt,
als ich sagte, dass dies nicht
mein Evangelium sei.
Die Evangelien
der vergangenen Sonntage
sind herausfordernd.
Das Evangelium heute
hat nicht weniger Sprengkraft:
Die Familie soll man verlassen,
wenn man Jesus nachfolgen
will.
Sein eigenes Leben soll man
geringachten, wenn man
Jesu Jünger sein will.
Sein Kreuz soll man tragen
und dies bis zum bitteren
Ende.
Ich weiß nicht, wie es
Ihnen persönlich geht:
Ich hänge an meiner
Familie. Auf mein soziales
Netz will ich nicht verzichten
müssen. Freunde sind
mich wichtig.
„Lange Zeit habe ich
viel zu wenig auf mich
geachtet, auf das, was
mir gut tut, was mich leben
lässt. Zu oft habe ich
gegen mich selber
gelebt. Das hat mich
krankwerden lassen,“
sagte mir in dieser Woche
bei einer Tagung ein
Mitbruder.
„Und ob ich tatsächlich
dazu bereit bin,
das Kreuz, wie Jesus
es meint, auf mich zu
nehmen, wenn es denn
tatsächlich darauf ankommt,
das kann ich nicht sagen.
Ich weiß nicht, ob mich
nicht die Angst überkommen
und mich der Mut
verlassen wird.
Kann ich deshalb kein
Jünger Jesu sein?
Muss ich traurig und
enttäuscht umkehren,
weil ich nicht verzichten,
all das nicht loslassen kann,
was mir so wichtig
geworden ist?“
Die Forderung des
Evangeliums lässt anscheinend
keiner Verhandlung Raum.
Es geht um alles
oder nichts.
Ich sage anscheinend.
Lausche ich aufmerksam
den Worten eines Gedichtes
von Andreas Knapp, dann
darf man mit Unzulänglichkeiten,
Lücken und Schwächen
in der Nachfolge Jesu durchaus
rechnen:
„Wer mein Jünger sein will,
der verleugne sich selbst
und folge mir nach.
Jugendlich trunken
meinte ich alles zu geben
und dir, egal wohin,
lässig zu folgen.
alt und ernüchtert
möchte ich vor allem zugeben,
egal wohin ich auch gestolpert
bin, du bist mir unablässig
nachgefolgt.
Den Jüngern damals
war deutlich vor Augen,
was Jesus mit seinen
Worten meinte.
So ein Leben verträgt sich
nicht mit bürgerlichen
Ansprüchen wie festem
Wohnsitz, geregelter Arbeit
oder einem unseren Vorstellungen
entsprechendem Familienleben.
Am Ende waren es
ausgerechnet jene Jünger, die
geschwächelt haben.
Allen vorweg Petrus.
Sie erinnern sich.
Er war der, der Jesus
von dem Weg nach Jerusalem
abhalten wollte.
Bezeichnenderweise
war er es auch, der, als er sich
zu Jesus bekennen sollte,
einen Rückzieher gemacht
hat. Sympathisch menschlich,
dieser Mann, meinen Sie
nicht auch?
Die Evangelien
der vergangenen Sonntage
sind herausfordernd.
Und sie enttäuschen.
Jeden, der meint, Glaube
und Nachfolge seien
billig zu haben, so im
Vorbeigehen.
Einfach so!
Jesus selber lässt
keinen Zweifel daran:
Das ist es nicht!
Glaube und Nachfolge
fordern heraus und dies
immer wieder aufs Neue.
Glaube und Nachfolge
erlauben es nicht, sich
kuschlig und mollig warm
einzurichten und das
Leben vorbeiziehen
zu lassen.
Glauben und Nachfolge
machen es erforderlich,
sich immer wieder neu
für das Leben zu entscheiden
und den, der von sich sagt,
dass er das Leben ist,
Jesus Christus.
Wer ihm nachfolgen
will, der muss immer wieder
aufbrechen. Der muss
Liebgewordenes loslassen
lernen. Der muss auch bereit
sein, bewusst gegen den
Strom der Zeit zu schwimmen
und Klippen zu nehmen.
Das gilt nicht nur für
den Einzelnen unter uns,
das gilt erst recht für
eine Gemeinde und
die gesamte Kirche.
„Christentum ist der
Anspruch, dem Herrn
nachzufolgen und aus seiner
Gegenwart, aus dieser
Beziehung heraus,
zu leben“, sagt der Passauer
Bischof Oster in einem Interview
mit Peter Seewald.
Die Frage, die ich
an meine Kirche, an
viele Gemeinden und auch
immer wieder an mich selber
stelle ist:
Haben wir überhaupt
noch diesen Anspruch?
Als Einzelne,
als Gemeinde,
als Kirche?
Zum einen, ihm, Christus,
nachzufolgen, und zum anderen,
aus der Beziehung zu ihm
heraus das Leben zu gestalten?
Anders gefragt:
Glauben wir, um lediglich
unser altes Ego zu stabilisieren?
Oder sind wir bereit, unser altes
Ego dranzugeben, um eine
neue Identität,
auch als Kirche und Gemeinde
vor Ort zu gewinnen?
Eine Frage, die sich mit dem
Blick auf den bevorstehenden
Visionsprozess unseres Bistums,
der am kommenden
Sonntag auf dem Katholikentag
in Kaiserslautern beginnen soll,
neu stellt.
Persönlicher gefragt:
Habe ich einen festen
Stand in Christus und die
Erfahrung gemacht, dass
ER mein Leben trägt und stärkt?
Ist das nicht genau der Punkt:
Bestimmt Christus mein Leben –
oder sage ich: Wer Christus
für mich sein soll, wie viel
Platz er in meiner Seele haben
darf, das bestimme immer
noch ich selbst?
Vom Evangelium her ist klar,
dass Christus der absolute
Mittelpunkt in meinem Leben
sein will.
Es geht dabei auch
um das eigene innere
Ergriffensein von Christus
und das Bewusstsein
der Anwesenheit Gottes
im ganz eigenen Leben.
Vieles läuft auf die Frage
hinaus: Wie es uns heute
gelingt, den Glauben wieder
zu vertiefen. Wie es uns
heute wieder gelingt, neue
Erfahrungsräume für
Christus und den Glauben
an ihn zu eröffnen.
Hierbei sind wir als
Einzelne angefragt, noch
mehr aber als Kirche
und Gemeinde vor Ort.
Ich bin mir nicht sicher,
ob sich viele unter uns
diese Fragen wirklich
stellen lassen
möchten.
Für viele läuft ja alles
irgendwie noch
ganz gut.
Ja, irgendwie.
Dieses „Irgendwie“
ist gefährlich.
Irgendwie nämlich
läuft dabei unmerklich vieles
aus dem Ruder und zudem
in die falsche Richtung.
Zu viele haben, wenn es
um die Zukunft von Glaube
und Kirche geht, schon längst
innerlich resigniert,
sind müde geworden,
sind ermattet,
entkräftet,
erschöpft.
Dabei will der Glaube
das Gegenteil in uns
erwecken. Begeisterung
will er wachrufen und
entstehen lassen. Uns lebendig
machen, will er.
Das Thema des diesjährigen
Katholikentages unseres Bistums
lautet: „Weiter denken“.
Auffallend ist, der Buchstabe „r“
in dem Wörtchen „weiter“
ist eingeklammert.
Das kann bedeuten:
Nicht aufhören mit
dem Sichgedankenmachen,
dem Sichsorgenorgen,
dem Verantwortungübernehmen,
dem Sicheinsetzen,
dem Sichstarkmachen.
Es bedeutet
möglicherweise
aber auch:
Größer zu denken,
in anderen Maßen und
Dimensionen zu denken,
wenn es um Glauben,
Kirche und Volk Gottes
geht.
Was mir persönlich
ein Anliegen ist, ist
eine neue Sehnsucht
zu wecken. Das, was ist
und getan wird, in einem
neuen Licht erstrahlen
zu lassen, damit
vieles von dem, was im
Augenblick so farblos
und geschmacklos anmutet,
eine ganz andere Couleur
und wieder einen intensiven
Geschmack bekommt.
Im Letzten geht es mir
darum, Menschen wieder
in die Begegnung mit
Gott zu führen und die
Liebe zu ihm neu zu
entdecken.
Die meisten unter Ihnen
wissen wie das ist, wenn sich
ein Mensch verliebt, dann ist
plötzlich seine ganze Welt, auch
die Alltagswelt, in ein neues
Licht getaucht.
Verlorengegangene
Kräfte werden wieder wach.
Eine neue Art des Denkens
und des Erlebens brechen
sich Bahn.
Nichts ist
mehr wie es war.
Neue Lust am und auf
das Leben entsteht.
Auch am Glauben.
Auch am Christsein.
Auch am Gemeindesein.
Ich gebe zu:
Die Evangelien
der vergangenen Sonntage
sind alle ziemlich
herausfordernd.
Sie provozieren,
reizen,
ärgern,
verwirren,
klären auf,
verunsichern,
zerstören,
setzen auf neue Wege,
weiten den Blick,
erlauben eine andere
Perspektive.
Und das ist gut so!
Sie sollen uns aufrütteln!
Sie sollen uns herausreißen!
Sie wollen uns neu beseelen,
als Einzelne und als Kirche
allemal.