„Alles beginnt
mit der Sehnsucht“,
sagt die jüdische
Schriftstellerin
Nelly Sachs.
„Alles beginnt mit
der Sehnsucht“, - auch das
Beten von Menschen.
Diese Sehnsucht lässt
sich durchaus näher
beschreiben.
Ein Lied in unserem
Gotteslob bringt
die Sehnsucht auf
den Punkt, die dem
Beten vorausgeht:
„Da wohnt ein Sehnen
tief in uns, o Gott, nach
dir, dich zu sehn, dir nah
zu sein. Es ist ein Sehnen,
ist ein Durst nach Glück,
nach Liebe, wie nur du
sie gibst.“ GL 828
Der Heilige Ignatius
lädt den Beter vor dem
Beten dazu ein, Kontakt
mit sich selbst, dem eigenen
Suchen aufzunehmen.
Er solle sich fragen, was er
ersehnt und diesen
Wunsch betend
ausdrücken.
Vielleicht eine der schönsten
und zugleich überraschendsten
Aussagen, weil sie aus einem
Interview mit Michael
Gorbatschow stammt,
lautet:
„Beim Beten geht es
um das Bewusstwerden
eines inneren Seelenzustandes,
bei dem sich der Mensch seiner
Liebe zu Gott und der Liebe
Gottes zu ihm erfreut.“
Es gibt viele Erfahrungen
mit dem eigenen Beten
und viele Bücher dazu.
Doch vielleicht ist eine
der wichtigsten Aussagen
zum Beten die des
heiligen Paulus:
„Wir wissen nicht,
wie wir beten sollen,
aber der Geist betet in uns
mit unaussprechlichem
Seufzen.“ (Röm 8,26)
Sollte Beten heißen:
sich selbst dem leisen Gebetsstrom
des Heiligen Geistes in sich zu
überlassen und so beten zu
lernen?
Jesus betet an einem Ort.
Im Anschluss an sein Gebet
treten die Jünger an ihn heran.
Sie bitten ihn: „Herr, lehre uns
beten.“
Wie schaut die Geschichte
Ihres eigenen Betens aus?
Was sind Ihre ersten Erinnerungen
an das Beten?
Wie hat sich Ihr Beten
weiterentwickelt?
Welche Gebete sprechen
Sie besonders an?
Was sind Schwierigkeiten
Ihres Betens?
Was hilft Ihnen zum und
beim Beten?
Der „Papst des Lächelns“,
der Papst der 33 Tage, der Papst,
der Gott „Mutter“ nannte,
Papst Johannes Paul I.,
erklärte einmal mit
einem einfachen
Beispiel Weisen
und Stufen des
Betens.
Ausgangspunkt seiner
Überlegungen ist der
Geburtstag seines Vaters.
„Das kleinste Kind kommt
mit einem Blumenstrauß
und einem auswendig gelernten
Gedicht. Der älteste Sohn hält
eine Rede, in der er ausdrückt,
was der Vater ihm und seiner
Familie bedeutet. Die Tochter
hat nur einen Blumenstrauß
und bringt beim Überreichen
kaum ein Wort heraus.
Seine Frau schließlich
schaut ihn nur liebevoll
ein paar Augenblicke an
und umarmt und küsst
ihn.“
Dies, so Johannes Paul I.,
seien die Stufen und Weisen
des Betens:
Es gibt das mündliche
Gebet, das sich an Gesten,
an gelernten Gebeten
ausrichtet.
Die zweite Weise ist
die Meditation, die Besinnung
meint und aus Besinnlichkeit
kommt.
Eine dritte Weise ist das
affektive Gebet, das stark von
inneren Empfindungen
geprägt ist.
Die vierte Weise ist schließlich
die des einfachen Betens.
Sie ist stilles, ganz aus der
Herzmitte kommendes
Verweilen in der Gegenwart
Gottes.
Es gibt viele Namen
und viele verschiedene
Gebetsweisen. Immer jedoch
geht es beim Beten um
Beziehung. Die Beziehung
zu Gott. Es geht um einen
Gottes-kontakt.
Beten bedeutet
mit Gott in Kontakt treten,
mit ihm im Kontakt
stehen und auch bleiben.
So verstanden kann
das ganze Leben zu
einem Gebet werden.
Der Mensch selbst
wird damit zu einem
Gebet, sofern er in
Beziehung zu Gott
steht.
Ein Leben, das sich
von Gott getragen weiß,
sich Gottes Anwesenheit
bewusst ist und versucht,
auf Gottes Willen zu hören,
ist Gebet.
Für die Französin
Simone Weil,
die ganz bewusst ein
distanziertes Verhältnis
zur Kirche hatte, war das
Vater unser ein wichtiges
Gebet. Sie glaubte, dass
ein einziges, regelmäßig
in großer Aufmerksamkeit
gebetetes Vater unser
einen Menschen verwandele
und in Gott hinein führe.
Jesus lehrt seine Jünger
dieses Gebet zu sprechen.
Es geht in diesem Gebet
um alles.
Um Gottes Willen.
Das Überleben des Menschen.
Die Vergebung von Schuld,
sowohl der eigenen wie
auch derer, die an uns
schuldig geworden
sind. Es geht um
Frieden und Freiheit.
Um die tiefen Sehnsüchte, die
einen Menschen betreffen
können, um die Bewahrung
vor dem Bösen.
Und es geht
um die innigste Beziehung
zwischen Gott, der dem
Menschen alles werden will
und den Menschen, der
dazu eingeladen ist, sein
Suchen auf Gott hin
auszurichten.
Jesus verdeutlicht
die Beziehung zwischen
Gott und Mensch im Anschluss
an das Gebet, das er seine
Jünger zu beten lehrt.
Er sagt:
Gott ist wie ein Freund.
Zu ihm kannst du jederzeit
kommen, mit ihm kannst du
über alles sprechen, seiner
darfst du dir sicher sein.
Durch sein eigenes Leben
und Beten lädt uns
Jesus ein, selbst immer wieder bei Gott
anzuklopfen, ihn zu bitten,
in dem festen Vertrauen,
dass er uns nicht vor
der Tür stehen lassen
wird, uns vielmehr
öffnet und uns das
reicht, das unsere
Sehnsucht nach
Heil und Ganzheit
stillt.
„Alles beginnt mit
der Sehnsucht“, sagt
Nelly Sachs. Auch unserem
Beten geht die Sehnsucht
voraus.
Wonach sehnen Sie sich?
Was ist Ihr ganz eigenes
Verlangen?
Worum möchten Sie
Gott bitten?
Wie immer Ihr
eigenes Beten aussehen
mag. Lassen Sie sich darauf
ein, Beten auszuprobieren.
Finden Sie Ihre ganz
eigene Weise, mit Gott
in Kontakt zu treten und
mit ihm in Kontakt
zu bleiben.
Haben Sie keine Scheu
in Ihrem Beten aufdringlich
zu werden. Die Aufdringlichkeit
ist durchaus eine Sprache
des Gebets.
Wir haben uns in unseren
Gottesdiensten viel zu sehr
an eine Gebetssprache gewöhnt,
die allzu feierlich und abgehoben
wirkt. Dagegen mag es Gott
konkret. So konkret, wie
das Leben eben ist.
Ja, Beten hat mit
dem Leben zu tun.
Auch dann, wenn zum Inhalt
des Betens möglicherweise
das Gebet selbst wird:
Herr, ich weiß nicht,
worum ich bitten soll.
Du allein kennst meine
Bedürfnisse, die mir verborgen
sind.
Ich wage es nicht, um Leid
oder Trost zu bitten; erniedrige
oder erhöhe mich. Nach deiner
Barmherzigkeit tue für mich,
was für mich richtig ist.
Schweigend verehre ich
deinen Willen, ohne ihn zu
kennen.
Dir überlasse ich mich.
Dir gebe ich mich ganz.
Keinen anderen Wunsch
will ich haben, als deinen
Willen zu erfüllen.
Lehre mich beten,
und bete du selbst
in mir. (aus: 100 Gebete, die das Leben verändern)