Haben Sie es selber
schon einmal bemerkt?
In regelmäßigen Abständen
wird uns das heutige Evangelium
zu Gehör gebracht und
damit die Nachfrage
nach dem, wer Jesus
für uns sei.
So als ob sich die einmal
von uns gegebene Antwort
stets verändern würde und
immer wieder neu von
uns bedacht werden
müsse.
Nun, ganz so abwegig
ist dies wohl nicht. Ganz
nach der jeweiligen Lebenssituation,
in der wir uns gerade befinden,
fallen die Antworten auf
die Frage Jesu aus.
„Als ich ihn kennenlernte“,
schreibt der Karmelit Reinhard
Körner, „war er der liebe Gott.
In unserer Wohnstube hing
ein Kreuz, da war er angenagelt.
In der Kirche hieß der liebe
Gott Christus oder Herr Jesus
Christus.
Von Weihnachten bis
Anfang Februar war er
das Jesuskind in der Krippe,
und in der Osterzeit stand
er als farbenfrohe Holzfigur
neben dem Altar, das
Auferstehungsbanner in
der Hand. (…)
Ich glaubte an ihn, wie
meine Eltern, wie der Pfarrer,
der Kaplan und wie wir
alle in der kleinen Kirchen-
gemeinde. Und ich wusste,
dass er uns sehr lieb hat.
Ich konnte ihm alles sagen,
was mich bedrückte.
Ich betete zu ihm,
dass er alle Menschen
beschützen möge,
und auf dem Weg zur
Schule, dass er meinen
Verstand erleuchte.
Jesus Christus, der liebe
Gott, war mein Beschützer
und mein Helfer in den
kindlichen Nöten.“
„Ihr aber, für wen
haltet ihr mich?“
Die Frage ist grundsätzlicher
Art. Sie stellt sich immer wieder
neu und anders. Sie stellt sich
jedem von uns. Sie sucht auch
die Antwort in unserem Leben.
Also gebe ich sie weiter,
an Sie alle: Für wen halten
Sie Jesus? Haben Sie Ihre
eigene, ganz persönliche
Antwort schon gefunden?
Eine Antwort, die auch
tatsächlich mit Ihrem
Leben zu tun hat
und mehr ist als die
Antwort, die der
Katechismus für
uns alle bereithält?
Meine Vermutung
ist die, dass es auf die
Frage Jesu, mindestens
so viele unterschiedliche
Antworten gibt, wie Menschen
in dieser Kirche sind.
Ist das verwunderlich?
Nein. Sicherlich nicht.
Sofern jeder Mensch
einzig ist in seinem
Denken und Fühlen,
so persönlich ist auch
die Antwort auf Jesu
Frage, wer er für
ihn sei.
Reinhard Körner
schreibt weiter:
„Die Fragen kamen
bald. Und mit den Fragen
Verunsicherungen. Die
erste war fundamental:
Gott, den gäbe es überhaupt
nicht, sagt uns der Dorfschullehrer
in der ersten Klasse. Er sei ja
nicht beweisbar. Das hörte
ich in den späteren Klassen
immer wieder.“
Der Glaube an Jesus
Christus, ruht nicht auf
einer einmal gegebenen
Antwort auf die Frage,
wer er für uns sei.
Einmal gegebene
Antworten können durchaus
erschüttert werden. Also
müssen sie immer wieder
neu gesucht werden.
Dazu fordert uns das
Leben heraus. Dazu fordert
uns Jesus selber heraus:
„Für wen hältst du mich?“
Was ich früher als
Kind von Jesus gehalten
habe, das kann heute
durchaus nicht mehr
stimmig sein, also mit
meinem Leben und den
gemachten Erfahrungen
übereinstimmen.
Alle Antworten auf die
Frage Jesu scheinen
vorläufig zu sein.
Das kann verunsichern.
Das eröffnet aber zugleich
die Chance, Jesus in einer
stets neuen Bedeutung
für mich und mein
augenblickliches Leben
zu entdecken.
„Für wen hältst
du mich?“ Wir könnten
den Spieß auch einfach
einmal herumdrehen
und Jesus die Frage
stellen:
„Jesus, wer willst
du für mich sein?“
Ich glaube, dass diese Frage
noch herausfordernder
sein kann, als die Frage Jesu,
wer er für mich sei.
Jetzt geht es nämlich
darum nur hinzuhören.
Auf sein Wort zu hören.
Seine Stimme in mir
wahrzunehmen und
zuzulassen.
Dabei kann es durchaus
geschehen, dass seine
Antwort ein ganz andere
als die meinige ist.
Probieren Sie es einmal.
Nehmen Sie sich Zeit,
suchen Sie die Stille
und stellen Sie ganz
bewusst Jesus die
Frage:
„Herr, wer willst
du im Augenblick, hier, wo
ich gerade stehe, mit all dem,
was mein Leben so ausmacht
und bestimmt, für mich sein?“
Und dann schweigen
Sie. Und dann horchen
Sie. Einfach nur hin.
Ohne große Worte
zu machen.
Reinhard Körner stellt
eine Veränderung in seiner
Christuswahrnehmung
und – beziehung fest.
Er schreibt:
„Dieser Jesus ließ
mich nicht mehr los.
Seine Art zu leben, mit
den Menschen umzugehen,
die Freiheit, die in allem
zu spüren ist, was er redete
und tat, und nicht zuletzt
die Art, wie er von Gott
sprach, an den er
so selbstverständlich
glaubte – all das berührte
mich und bewegte mich.
(…)
Jesus, der anfangs der
göttliche Beschützer und Helfer
für mich war, wurde mehr und
mehr zu meinem Lehrer,
zum Lebmeister, der mich
in seine Lebensschule nahm.
Bei ihm lernte ich erahnen,
was Menschsein bedeuten
kann und dass er Menschen
zu Menschen macht.“
Die Beziehung zu Jesus
ist stets eine lebendige
Beziehung, die zu jeder
Zeit eine neue Antwort
braucht.
Jesus fordert zu dieser
Antwort heraus, so wie
auch das Leben, so
lange es dauert, eine
Herausforderung für
uns Menschen darstellt
und stets nach neuen
Antworten verlangt.
Ich darf mir die Frage
von Jesus immer wieder
stellen lassen, für wen
ich ihn halte. Noch mehr
darf ich ihm aber die
Frage stellen, wer er
denn für mich sein
möchte.
Und schon befinden
wir uns in einem Gespräch
mit ihm, wie mit einem
guten Freund, der einfach
nur einzig für mich ist.
Auch diese Antwort
kann durchaus genügen:
Dass er einzig für mich
ist, ein Leben lang und
darüber hinaus und dass
er jenseits aller Antworten
um mich weiß.