Noch nie sind sie
menschlich so stark gefordert
gewesen, die Jünger.
Sie fangen an zu spüren,
wie viel Kraft sie die zurückliegenden
Tage gekostet haben.
Doch zur Ruhe kommen sie
auch bei ihrer Rückkehr nicht.
Es geht genauso weiter,
wie es aufgehört hat:
Ein unaufhörliches Kommen und
Gehen, so dass sie nicht einmal
die Zeit zum Essen finden.
Jesus sieht ihnen die Erschöpfung
im Gesicht stehen. Er lädt sie ein:
„Ruht ein wenig aus!“
„Sie müssen sich
eine Auszeit gönnen.“
Das hören wir, wenn jemand
ausgebrannt ist. Und viele unter
uns durften es ja schon erfahren,
wie gut ihnen eine Auszeit
getan hat.
Sie half ihnen,
Abstand zum alltäglichen
Geschäft zu bekommen.
Die Auszeit trug zur Ent-
schleunigung bei. Sie machte
es möglich, neue Energie
zu tanken.
Es gibt ja viele Möglichkeiten,
eine Auszeit zu gestalten.
Für den einen ist es ein
Wellnesshotel, für andere
ein Kloster, wieder andere
pilgern oder ziehen sich
für mehrere Wochen an
einen einsamen Ort zurück.
Wer sich eine Auszeit
gönnt, möchte aus der üblichen
Zeit ausscheren. Er will für eine
Weile aus dem üblichen Zeitablauf
und Zeittakt heraustreten.
Nach der Auszeit klingt er sich
in der Regel wieder in den alten
Tagesablauf ein und verfällt
ebenso wieder in den
alten Takt.
Das erinnert an eine in
Afrika offensichtlich weit
verbreitete Praxis. Dort
gönnt man den Legehennen
für eine Weile eine Auszeit,
damit sie danach wieder
voll einsatzfähig sind.
Was läuft verkehrt?
Es kann bei einer Auszeit
nicht nur darum gehen,
zur Ruhe zu kommen, Abstand
zu finden und dann
schnellstmöglich wieder
einsatzbereit zu sein.
Es muss in dieser Zeit
noch etwas hinzukommen,
wenn die Auszeit nachhaltig
und die erfolge Erholung
nicht gleich wieder verpuffen
soll.
Sie muss sich von der
afrikanischen Praxis
mit den Legehühnern
unterscheiden, die sich ausruhen
dürfen, um danach wieder
besser funktionieren zu
können.
Was läuft falsch
beim Menschen?
Woran fehlt es?
Was sollte hinzukommen?
In der Zeit, in der ein
Mensch auf Abstand
geht, sollte die Sensibilität
für die ganz eigenen Bedürfnisse
und auch Grenzen zunehmen.
Es geht auch darum, zu erkennen,
dass es unbedingt notwendig
ist, angemessen für sich
selber zu sorgen.
Diese Erkenntnis muss
so sehr in unserem Kopf und
in unserem Herzen verankert
sein, dass sie nicht mehr
hinterfragt werden kann.
Erst wenn der Mensch
dies klar für sich erkannt hat
und innerlich voll dahintersteht,
wird er in der Lage sein, allen
inneren und äußeren Forderungen,
die von ihm auf Dauer mehr
erwarten, als er leisten kann,
ein klares „Nein“
entgegenzusetzen.
Nach meiner Erfahrung
kann das manchmal Schwerstarbeit
bedeuten, bis ein Mensch so weit
ist, deutlich und ohne ein schlechtes
Gewissen zu haben, „Nein“ zu
sagen.
Da geht es dann unter anderem
um mangelnde Selbstannahme
oder bestimmte Gottesbilder, die
angeschaut und bearbeitet werden
müssen.
Viele unter uns haben
es nie gelernt, Nein zu sagen
und sich deutlich und klar
abzugrenzen. Zudem verwechseln
sie die Selbstfürsorge mit bloßem
Egoismus.
Woran fehlt es noch?
Was sollte noch hinzukommen?
Was kann noch dazu beitragen,
damit es nach der Auszeit
nicht wieder weitergeht
wie vorher?
In der Auszeit sollte der
Mensch lernen und einüben,
sensibler dafür zu werden, wie er
im Alltag selbst; im Ausüben
seiner Arbeit, mehr Erfüllung
erfahren kann.
Das geschieht immer dann,
wenn er mit dem, was
er tut, was ihn umgibt,
mit den Menschen, die um
ihn und mit ihm sind,
wirklich in Berührung kommt;
und er anfängt, sie wertzuschätzen
und sie ihm etwas bedeuten.
Im Grunde geht es darum,
zu lernen, die Dinge und die
Menschen zu lieben, mit
denen der Mensch in Kontakt
und Beziehung steht.
„Wenn wir die Menschen,
Räume, Aufgaben, mit denen
wir zu tun haben, lieben“
so der Soziologe Hartmut Rosa,
„entsteht so etwas wie ein
vibrierender Draht zwischen
uns und der Welt, der es möglich
macht, dass unser Gegenüber
eine Resonanz in uns auslöst.
Das kann ein Gemälde sein,
das wir betrachten, es kann sich
um Musik handeln, der wir
lauschen, oder es ist eine
Person, der wir begegnen.“
Der Mensch macht dabei die
Erfahrung, die ihm einfach
guttut. Das kann schon mit
so etwas Einfachem beginnen,
wie jemanden, den ich
begegne, zu grüßen
und zurückgegrüßt
zu werden.
Also gönnen Sie sich
ab und zu eine Auszeit,
schaffen Sie sich Oasen,
in denen sie eine Weile der
Hektik des Alltags entfliehen
können.
Doch versuchen Sie zugleich
auch mehr Erfüllung im
normalen Alltag zu erfahren,
indem Sie der Welt um
sie herum, dem, was Sie
tun, vor allem aber den
Menschen, auf die Sie treffen,
in dieser liebenden Einstellung
begegnen.
Nur dann kann so etwas
wie ein vibrierender Draht
zwischen Ihnen und Ihrer
Mit- und Umwelt entstehen.
Der bewirkt, dass etwas
wiederhallt, Sie also
etwas zurückbekommen.
Doch Jesus spricht nicht nur
die Einladung aus, auszuruhen
und Abstand zu finden.
Er macht sich zugleich Sorgen,
um die vielen Menschen,
die ihm wie eine Herde ohne
Hirte vorkommen, die weg- und
orientierungslos umherirrt.
Mir fällt auf, dass die Jünger
ihre Auszeit nicht irgendwo
suchen, sondern dass sie
zu Jesus zurückkehren.
Das scheint mir bei allem
Wichtigen, das zu einer
Auszeit hinzukommen sollte,
das Wesentliche zu sein.
Dass wir die Auszeit,
dazu in Dienst nehmen,
unsere Beziehung
zu ihm zu hinterfragen und
lernen, den Kontakt zu ihm
um ein weiteres Stück
zu vertiefen.
Bei ihm finden wir
die Orientierung für unser
Leben. Bei ihm finden wir
die Zuneigung, die sich nicht
an äußeren Leistungen
festmacht.
Bei ihm finden wir
ein bedingungsloses Ja
zu uns.
Bei ihm finden wir
Abstand und Auszeit,
um bei uns bleiben
zu können und in
unserem Herzen
ganz bei ihm.
„Ruht euch aus!“