Der Mann scheint
nicht nur nicht hören
und reden zu können,
er scheint auch nicht
in der Lage zu sein,
von sich aus an Jesus
heranzutreten.
Freunde, Angehörige
bringen ihn stattdessen
zu Jesus mit der Bitte,
dass er ihn berühren
möge.
Jesus nimmt den
Mann zur Seite, nähert
sich ihm vorsichtig, berührt
Ohren und Zunge und spricht
das befreiende Wort:
„Effata!“
Von da an ändert sich
Grundlegendes: Der Mann
wird von seiner Fessel
befreit und kann wieder
hören und reden.
„Manchmal bestehen
wir über und über nur
aus Haut, die berührt werden
will. Das ist unsere schmerzhalte
Berufung, der wir uns widmen,
als wäre jeder Tag der letzte.“
Ulrich Schaffer
Worte können viel bewirken.
Sie können stärken. Sie können
aufrichten. Sie können Mut zusprechen
und Hoffnung wecken. Sie spenden
Trost. Sie bereiten Freude.
Doch es gibt Momente,
da reichen Worte nicht mehr
aus, um in das Innere eines
Menschen vorzustoßen.
Da braucht es etwas anderes.
Da braucht es die Berührung
von Mensch zu Mensch.
Solche Berührungen scheinen
tiefer zu reichen. Sie erreichen
den Grund der Seele und
erwecken etwas in einem
Menschen, das zuvor,
wie verschüttet gewesen
zu sein schein.
Es gibt Menschen, die
sich in die Arme eines anderen
fallen lassen und ganz plötzlich
zu weinen beginnen.
Sie zeigen Gefühle, die
zuvor für sie nicht
zugänglich gewesen waren
und dennoch da.
Sie fühlen sich in den
Armen des anderen geborgen,
gehalten und getragen.
Das erlaubt es ihnen,
schwach zu sein und sich
loszulassen. Am Ende
hat sich dann tatsächlich
auch etwas bei ihnen
gelöst.
„Manchmal bestehen wir
über und über nur aus Haut,
die berührt werden will.“
Eine Berührung setzt immer
Offenheit und Vertrauen
voraus. Es ist nicht leicht,
sich so aus der Hand
zu geben und sich den
Armen eines anderen
anzuvertrauen. Oder
umgekehrt, einen anderen
Menschen einfach in den Arm
zu nehmen.
Manchmal braucht es
sehr viel Zeit, damit
Mauern brechen können
und sich dahinter Eingeschlossenes
freien Lauf lassen kann, seien
es Tränen des Schmerzes
oder einfach auch
Freudentränen.
Von was lassen wir
uns berühren?
Wann haben wir uns
das letzte Mal in der Tiefe
unseres Herzens bewegt
gefühlt und betroffen?
Wann einen anderen
Menschen liebevoll in unsere
Arme genommen? Oder um-
gekehrt: Wann tat uns das
letzte Mal eine Berührung
gut?
Es können ganz unterschiedliche
Berührungen sein, die uns wieder
ins Leben zurückholen oder
das Leben spüren
lassen.
Berührungen von
Mensch zu Mensch.
Eine schöne Musik,
die uns zu Herzen geht
und Gefühle wachruft,
die uns zum Weinen
bringt.
Das Zusammensein
mit anderen Menschen,
deren Nähe gut tut
und für die man unendlich
dankbar ist.
Ein Wort Jesu,
das wie eine Berührung
wirkt und meine Seele
in Schwingungen versetzt.
Das Erleben der Natur,
von Wind und Sonne,
oder Regen und Schnee.
Die Frage dabei ist
nur die: Bleibe ich offen
für solche Berührungen
des Lebens? Lasse ich Nähe
zu, Nähe zu den Dingen
die mich umgeben;
Nähe zu den Menschen,
mit denen ich zu tun
habe?
Martin Buber meint.
„Alles wirkliche Leben
ist Begegnung.“
Wer wirklich leben
will, muss bereit sein
für die Begegnung
und offen für Berührungen
im eigentlichen und auch
in einem übertragenen
Sinn.
Auch für die Berührung
mit Gott. Pausenlos tritt
er an uns heran und schenkt
uns seine Nähe; Berührungen,
die zu Herzen gehen wollen,
die uns ins Leben zurückholen
möchten.
Sind wir offen für
die Berührungen Gottes?
Lassen wir Gottes Nähe
zu? Wie sehr lassen wir
ihn an uns heran?
Wann haben wir uns
das letzte Mal von Gott
berührt gefühlt?
Mit Speichel hat Jesus
die Zunge des Stummen
berührt. Das ist eine sehr
intime Geste, die keine
Grenzen mehr zulässt.
Frage: Haben wir
die Grenzen, die uns Menschen
voneinander und auch von
Gott trennen, nicht viel
zu eng gesetzt?
Ein anderer Gedanke
Ulrich Schaffers ergänzt
meine Frage:
„Hätte wir den stillen
Punkt in uns gefunden,
wären die Armeen nicht
nötig, Worte würden
ausreichen, Hände würden
Hände berühren, weil
es nichts mehr zu verteidigen
gäbe.
Der erhobene Zeigefinger
würde seine Drohung
verlieren, und ebenso
still würden wir begreifen,
dass er nach oben zeigt,
auf den stillen Punkt
über uns.“
Der Punkt, wo alle
Berührungen gut aufgehoben
sind, liegt direkt über uns.
Jesus richtet seinen Blick
zum Himmel. Also auf Gott
hin. Gott ist es, der alles
gut macht: er macht,
dass die Tauben hören
und die Stummen sprechen.
Gott öffnet auch unser Herz.
Er holt auch uns wieder
ins Leben zurück, wenn
wir wie abgeschlossen
und versteinert sind,
unzugänglich, blind,
taub und stumm.
Erlauben sie mir
noch einen abschließenden
Gedanken von Ulrich Schaffer.
Er stellt sich dar, wie eine
Vision. Eine Vision die
aufzeigt, wie es denn
sein kann, wenn wir
die Angst vor dem
Berührtwerden
meiden.
„Ich sehne mich nach
der Heimat in der Hand
der Milde, nach dem
Regenbogen quer durch
unsere Augen, nach einer
Salbe für die Zerrungen
der nackten Seelen,
nach einer neuen
Sanftmut, in der auch
die härtesten Worte
nicht mehr töten.
Ich sehne mich nach
Augen, mitten in der Blindheit
der Angst. Ich verzehre mich nach
der Weite in der einer dem anderen
nah ist, ohne die Steifheit der Enge.
Ich strecke mich aus wie eine
Hand, die aus der Verworrenheit
ragt.
Die Gräser der Liebe
werden uns schützen,
die Musik, die jedes Blühen
begleitet, wird uns den
Weg weisen.
Das Leben wird lebbar
sein, und ich werde an
deinen Händen tanzen.“
Ich wünsche uns allen
die Offenheit dem Leben
und seinen Wundern
gegenüber, die uns
in der Tiefe unserer
Herzen berühren
wollen.
Ich wünsche uns,
dass Leben lebbar
ist und wir, an Gottes
Hand miteinander
verbunden, tanzen
können.
So hat es Gott
gewollt.