Da sitzen sie.
Müde von der Arbeit.
Die Herden schlafen schon längst.
Hier und da hört man einen
Hund im Dunkeln bellen.
Sterne leuchten am Firmament.
Der Himmel ist klar.
Es ist kalt in dieser
Nacht. Bitterkalt.
„Es ist jetzt nicht die
Zeit, um zu ernten.
Es ist auch nicht die Zeit,
um zu säen.“
Mit diesen Worten
fühlt sich der Schriftsteller Lothar
Zenetti in diese Szene
hinein und fährt fort.
„An uns ist es,
in winterlicher Zeit uns
eng um das Feuer zu scharen
und den gefrorenen Acker
in Treue geduldig zu hüten.
Andere haben vor uns gesät.
Andere nach uns werden ernten.
An uns ist es,
in Kälte und Dunkelheit
beieinander zu bleiben und,
während es schneit, unentwegt
wachzuhalten die Hoffnung.
Das ist es.
Das ist uns aufgegeben
in winterlicher Zeit.“
Lothar Zenetti
Möglicherweise ist es für Sie
ungewohnt und dennoch möchte Sie
einladen, im Kreis der Hirten Platz
zu nehmen. Setzen Sie sich
in Gedanken einmal zu ihnen
hin und schauen sie und
hören sie zu.
Was nehmen Sie wahr?
Schatten.
Gesichter.
Haltungen.
Gerüche.
Kälte.
Lichtspiele.
Möglicherweise bekommen
sie etwas davon mit, worüber
sich die Männer unterhalten.
Worüber sprechen sie?
Ist es Wichtiges?
Ist es Banales?
Ist es Alltägliches?
Sind es Sorgen?
Ist es Kummer?
Sind es Freudenaugenblicke?
Sind es Glücksmomente?
Stellen Sie sich einmal
vor, Sie dürften sich den Kreis
aussuchen, der um das Feuer
sitzt. Wer gehöre dazu?
Wer bliebe außen vor
und warum?
Und worüber würden
Sie reden?
„An uns ist es,
in winterlicher Zeit uns
eng um das Feuer zu scharen
und den gefrorenen Acker
in Treue geduldig zu hüten.
…
An uns ist es,
in Kälte und Dunkelheit
beieinander zu bleiben und,
während es schneit, unentwegt
wachzuhalten die Hoffnung.“
Was bringen Sie heute Abend
mit in den Kreis derer, die sich
zur Feier der Heiligen Nacht
versammelt haben?
Wo sind Sie gerade mit Ihren
Gedanken? Welchen Eindrücken
hängen Sie nach?
Gibt es etwas, das Sie erfreut?
Gibt es etwas, das Ihnen leid
tut? Gibt es etwas, das
sie schmerzt oder
beunruhigt?
Und was macht Ihnen
Hoffnung?
Jetzt.
In dieser Zeit.
Einer Zeit, die so
unruhig erscheint und
wenig konstant. Die uns
fast täglich überrascht.
Nicht immer mit
schönen Dingen. Manchmal
sind diese Dinge sehr
besorgniserregend.
Aber eben nicht nur.
Es gibt nicht nur
Schwarz oder weiß.
Hell oder Dunkel.
Gut oder böse.
Das Leben ist weitaus
differenzierter.
Das macht es ganz
schön kompliziert,
lässt es zu einer
Herausforderung
werden.
„Es ist jetzt nicht die
Zeit, um zu ernten.
Es ist auch nicht die Zeit,
um zu säen.
An uns ist es,
in winterlicher Zeit uns
eng um das Feuer zu scharen
und den gefrorenen Acker
in Treue geduldig zu hüten …“
Blicken Sie in das Feuer.
Dieser Blick kann beruhigend
wirken. Dieser Blick kann
das Drumherum vergessen
lassen. Sie spüren die Wärme.
Sie sehen das Licht.
Was schenkt Ihnen Licht
in Ihrem Leben; was Geborgenheit
und Wärme? Wo haben Sie Ihr
Zuhause?
Es gibt Menschen, die finden
Licht in der Begegnung mit
anderen Menschen.
„Meine Familie ist mir
ein Ort der Geborgenheit.
Hier habe ich mein Zuhause.“
Andere haben diese
Geborgenheit schon lange
verloren. Sie fühlen sich einsam und
allein. Auch in dieser Nacht.
Gerade in dieser Nacht.
„Seitdem mein Mann
nicht mehr da ist, ist alles
so anders geworden.“
„Seitdem ich mein Zuhause
verloren habe, irre ich ziellos
umher.“
„An uns ist es,
in Kälte und Dunkelheit
beieinander zu bleiben und,
während es schneit, unentwegt
wachzuhalten die Hoffnung.“
In dieser Nacht bekommt
die Hoffnung ein Gesicht.
Die Hirten werden aufgeschreckt.
Licht wird es um sie herum.
Ein Engel bahnt sich einen Weg
zu ihnen auf den Feldern.
Unglaubliches hat er
zu melden:
Große Freude.
Freude, die nicht nur ihnen
zuteil werden soll. Dem ganzen
Volk vielmehr. Auch Dir und
auch mir. „Heute ist euch
in der Stadt Davids der
Retter geboren.“
Sie sitzen immer noch
bei den Hirten im Kreis.
Können Sie erkennen, wie
diese auf die Botschaft des
Engels reagieren?
Was möglicherweise
noch wichtiger und entscheidender
ist: Wie reagieren Sie selbst
auf diese Nachricht?
Empfinden Sie Freude?
Empfinden Sie Trost?
Ist Ihnen mehr zur
Freude oder mehr
zum Weinen zumute.
Es gibt Dinge, die rühren
uns so tief in unserem
Inneren an, dass wir
nur noch Weinen
können.
Freudentränen.
Tränen der Erleichterung.
Was hat Sie heute angerührt?
Was löst Weihnachten
tief in Ihrem Inneren aus?
Nehmen Sie Regungen wahr?
Wenn ja welche?
Sie erinnern sich:
Als Maria zu Elisabet
kommt, hüpft deren
Kind vor Freude in ihrem
Leib.
Ist Ihnen nach einem
Freudensprung zumute,
heute in der Heiligen
Nacht?
Oder eher doch nicht?
Wenn nicht, warum?
Die Hirten springen
auf. Sie hält nichts mehr
zurück. Sie eilen, sie eilen
hin nach Betlehem, zum
Stall. Lassen Sie sich von
ihnen mitreißen?
Stellen Sie sich vor,
Sie gehen mit ihnen zur
Krippe hin. Dorthin, wo
die Verheißung des Engels
ein Gesicht haben wird.
Welche Erwartungen
nehmen Sie mit?
Was glauben Sie dort
vorzufinden?
Gibt es etwas, was Sie
sich unbedingt wünschen, dort
zu finden?
Wenn Sie ein Herzensanliegen
mitbringen dürften, welches
wäre das?
Was würden Sie dem
Kind sagen, ihm
entgegenhalten?
Die Sterndeuter aus dem
Osten bringen Gold, Weihrauch
und Myrre. Was wäre Ihre
Gabe? Erinnern Sie sich an
die arme Witwe im Tempel.
Zwei Münzen nur wären
ausreichend.
Mehr würde das Kind
auch von uns nicht wollen,
nicht weniger, als
uns selbst.
Und jetzt kommen Sie
vor dem Kind zu stehen.
Was sehen Sie?
Was sticht Ihnen ins
Auge?
Was immer es sein
sollte, vergessen Sie
es. Jetzt zählt etwas
ganz anderes. Etwas,
das wir Menschen nicht selbst
machen können. Vielmehr, etwas
das uns geschenkt ist.
Von Gott in unser Leben
hineingelegt, geschenkt
zur Rettung der Welt,
zur Heilung unseres
Lebens. Dieses Kind.
„Er ist der Christus.
Er ist der Herr!“
Mit ihm wird die Hoffnung
von Menschen fassbar, weil endlich
durch dieses Kind wahr wird,
wonach sich Menschen sehnen.
Gott wird Mensch und
macht die Erlösung des
Menschen möglich.
Gefrorene Erde weicht
auf. Es bleibt nicht mehr
länger kalt. Knospen
springen auf. Leben
wird erfahrbar
und in allem ein
Aufbruch spürbar.
„Siehe, Tage kommen,
da erfülle ich das Heilswort,
das ich über das Haus Israel und
über das Haus Juda gesprochen
habe. In jenen Tagen werde ich
für David einen gerechten Spross
aufsprießen lassen. Er wird Recht
und Gerechtigkeit wirken im
Land.“ (Jes 33,14ff)
Nehmen Sie in Gedanken
das Kind in Ihre Arme.
Dieses Kind hat die Kraft
die Welt zu verändern
und unser ganz eigenes
Leben dazu.
Lothar Zenetti bringt
diese Veränderung so ins
Wort:
„Es wird kommen der
Tag, da verlasse ich,
zaghaft zuerst, dann beherzt
meine einsame Insel.
Wage mich endlich
wieder hervor aus dem
bewährten Versteck
und der sicheren Deckung,
fast ohne Angst und ohne
noch einmal mich umzusehen.
Meine Rüstung tue ich
ab und alle die Waffen,
das Wenn und das Aber
und steige ins Boot.
Wehrlos werde ich sein
und verwundbar, ich weiß,
auf dem offenen Meer,
und einzig beschützt
von der Liebe.“
An Weihnachten
bekommt Gottes Liebe
ein Gesicht. Christus ist es,
der uns fortan beschützen
wird. Der unsere Wege
begleiten wird, auch
durch die Kälte der
Nächte, die uns immer
wieder zueinander
bringen mögen und
ihn unter uns lebendig
sein lassen wollen.
So auch in dieser
Nacht. Der Nacht
seiner Geburt.