Es gibt Menschen,
die sagen, dass ihnen
dieser zweite Weihnachtstag,
die Stimmung trüben würde.
Die Szene von Steinigung
des Stephanus würde die
weihnachtliche Idylle
im Keime ersticken.
Zu brutal sei
der Übergang von der Heiligen
Nacht in die Realität des
Alltags. Und ob dies wirklich
sein müsse.
Machen wir uns nichts
vor, auch die Geburt
in der Heiligen Nacht
war umgeben von viel
Unheiligem und Zerstörendem,
von Finsternis und Trübsal,
von Trauer und Angst.
Sie war bei weitem nicht so
friedlich, wie es uns manche
Lieder zur Weihnacht
oder Geschichten, die man
sich in diesen Tagen weitererzählt,
glauben machen wollen.
Weihnachten lässt sich
nicht begreifen, ohne dass wir
auf die Welt blicken und zwar
so wie sie ist und sie sich uns
zeigt. Und auch umgekehrt
gilt: Die Welt lässt sich
nicht verstehen, ohne
das Ereignis des Kommens
Gottes mitten in sie hinein.
Ich wünschte, ich könnte
Ihnen sagen, dass wir in einer
perfekten Welt leben.
Aber dann würde ich
lügen. Die Wahrheit ist:
Dies ist nicht unsere
beste Zeit. Die Menschheit
hat sich extrem weiterentwickelt –
vor allem technisch.
Und tausende von Jahren
der Zivilisation haben uns
wenig darüber gelehrt, was es
wirklich heißt, menschlich
zu sein.
Weltweit gibt es immer
noch Kriege, Epidemien, Hunger
und Korruption, Rassismus
und soziale Ungerechtigkeit.
Wir leben in einer sehr
unruhigen Zeit.
Und dennoch können wir
diese Welt nicht vollends
verstehen und begreifen, ohne
Weihnachten und die Tatsache,
dass Gott sich zu uns Menschen
auf den Weg gemacht hat,
mitten in die zahlreichen
Herausforderungen dieser
Zeit, ungeschehen machen.
Die Geburt Gottes
geschieht in die Widersprüchlichkeit
menschlichen Lebens und
dieser verrückt gewordenen
Welt hinein. Hier setzt Gott an
mit uns Menschen und lädt uns
ein, andere, neue Weg zu gehen,
die von Heil und Erlösung,
von Rettung und Frieden
sprechen.
Dietrich Bonhoeffer meint
über die vielen Eindrücke
dieser Welt hinweg:
Es wird Weihnachten, ob mit
oder ohne uns, das liegt bei jedem
einzelnen von uns. Advent
schafft Menschen, neue Menschen.
Neue Menschen sollen auch wir werden.
Seht auf, ihr, deren Blick unverwandt
auf diese Erde gerichtet ist, die gebannt
sind von den kleinen Geschehnissen
und Veränderungen auf der Oberfläche
dieser Erde, sehet auf, die ihr euch
vom Himmel enttäuscht abgewendet
habt, zu diesen Worten, sehet auf, ihr,
deren Augen von Tränen schwer sind
und dem nachweinen, das die Erde
uns gnadenlos entrissen hat,
sehet auf, ihr, deren Blick schuldbeladen
sich nicht erheben kann – sehet auf,
eure Erlösung naht.
Es geschieht noch etwas anderes,
als was ihr täglich seht, nehmt
es nur wahr, seid auf der Wacht,
wartet noch einen kurzen Augenblick,
wartet und es wird ganz Neues
über euch hereinbrechen.
Gott wird kommen.
Bonhoeffer schreibt diese Zeilen
während seiner Zeit in London
im Advent 1933. Er spricht
noch vom Kommen Gottes.
Und er sagt, dass es noch
andere Erfahrungen in dieser
Welt gibt, als jene, die wir
tagtäglich hören und sehen
und die uns unsicher werden
lassen und ängstlich.
Die Geburt Gottes gehört
zweifelsohne zu diesen
Erfahrungen dazu.
Weihnachten gehört
dazu.
Und wann
fängt Weihnachten an?
Wenn der Schwache dem Starken
die Schwäche vergibt,
wenn der Starke die Kräfte des
Schwachen liebt,
wenn der Habewas mit dem
Habenichts teilt,
wenn der Laute mal bei dem
Stummen verweilt,
und begreift, was der Stumme
ihm sagen will,
wenn der Leise laut wird
und der Laute still,
wenn das Bedeutungsvolle
bedeutungslos,
das scheinbar Unwichtige
wichtig und groß,
wenn mitten im Dunkel
ein winziges Licht
Geborgenheit, helles Leben
verspricht, und du zögerst
nicht, sondern du gehst,
so wie du bist darauf zu,
dann, ja dann
fängt Weihnachten
an.“
Stephanus sieht am
Ende seines Lebens den
Himmel offen.
Bonhoeffer drückt
die Zuversicht eines
Stephanus so aus?
Es wird Weihnachten, ob mit
oder ohne uns, das liegt bei jedem
einzelnen von uns. Weihnachten
schafft Menschen, neue Menschen.
Neue Menschen sollen
auch wir werden.