Leben in Fülle.
Das hört sich gut an.
Das klingt verlockend.
Danach sehnt sich
mein Herz.
Leben in Fülle.
Das bedeutet:
Leben In Einklang
mit mir selber, mit
all dem, was mich umgibt,
mit der Schöpfung und den
anderen Menschen,
mit Gott, der ein solches
Leben für mich will und
mich zu einem solchem Leben
einlädt, berufen hat.
Leben in Fülle,
das bedeutet aber auch:
Leben in Frieden und Freiheit,
Leben mit Hoffnung.
Geheiltes Leben, Leben
in Ganzheit, Leben
mit Zukunft.
Im ersten
Johannesbrief
lese ich den Satz:
„Die Liebe Gottes wurde unter
uns dadurch offenbart, dass Gott seinen
einzigen Sohn in die Welt gesandt
hat, damit wir durch ihn leben.“ (1 Joh 4,9)
Jesus ist der Garant eines
Lebens in Fülle. In Jesus hat uns
Gott selber ein solches Leben
zugesagt und viele, die ihm
begegnet sind, durften
es bereits erfahren.
Blinde,
Lahme,
Taube,
von der Gesellschaft
Ausgestoßene,
Sünder,
Suchende,
Zweifelnde,
verirrte Menschen.
Natürlich wissen wir auch
um die Momente, in denen Leben
in Fülle nicht erfahren wird.
Wir wissen um die Dinge, die
uns vom Leben abtrennen,
die uns schwer zusetzen
können und das Leben in Frage
stellen wollen. Das sind
Augenblicke, die uns
an diesem Leben,
an der Absicht Gott,
an Gott selber, gerne
verzweifeln lassen
wollen.
Sie nehmen uns gefangen.
Sie schränken und ein.
Sie lähmen und sie hindern uns.
Sie stehen uns im Weg.
Sie machen uns schwermütig:
Trauer,
Schmerz,
Krankheit,
Terror,
Krieg,
Sinnlosigkeit,
Weglosigkeit,
Einsamkeit,
Tod.
Sie einfach wegzureden,
schönzureden, würde der Wirklichkeit
menschlichen und irdischen
Lebens widersprechen, dem eben
wie Leben ist.
Es gibt diese
beiden Seiten des Lebens:
die helle und die dunkle,
die gute und die schlechte.
Leben in Fülle und Leben
in einer erschreckenden
Leere und Öde.
Wir bewegen uns immer
zwischendrin. Einmal bewegen
wir uns mehr auf diese und ein
anderes Mal mehr auf die
andere Seite zu. Aber nie
gibt es nur das Eine oder
das Andere.
Das ist die Wirklichkeit
des Lebens, die uns immer wieder
zu einer Herausforderung
wird und die uns vor die ganz
wesentlichen Fragen des Lebens
stellt.
Zum Beispiel diese:
Wie gelingt es mir, entgegen
der Widersprüche des Lebens,
an ein Leben in Fülle zu glauben,
auf es zu hoffen?
Wie vermag ich die Zusage
Gottes, dass er Leben für mich
will und dies in einer unbeschreiblichen
und noch nie dagewesenen Fülle,
in meinem Herzen zu verwurzeln?
Wer geleitet mich durch die
dunklen Schluchten meiner
kleinen irdischen Existenz
und führt mich wieder
zurück auf die grünen und
saftigen Weiden, an den Ort,
an dem meine Seele wieder
Ruhe und Erholung finden
kann und ich an Gottes Absichten
mit mir und meinem Leben
wieder glauben kann?
Wer stillt dieses
innere Verlangen?
Wir bewegen uns mit diesen
Fragen mitten in einem Gebet
des alten Israel, dem 23. Psalm.
Die Antwort gibt der Psalm
in einem Bild:
Gott ist es, der
dich führt.
Gott ist es, an dem du
dich festhalten darfst.
Gott ist es, der dir
die Angst nimmt.
Gott ist es, der dich
an der Hand nimmt
und dich deines Weges
lenkt.
Gott ist treu.
Treu wie ein Hirte.
Gut wie ein Hirte.
Besorgt wie ein Hirte.
Sich kümmernd wie
ein Hirte, der nur das
Beste für seine Schafe
will und dem jedes einzelne
Schaf gleich wichtig ist.
In Jesus selber
grenzt er sich
von all dem anderen ab,
das Leben in Frage
stellen will.
Er ist die Tür
zu Gott und dem von
ihm verheißenen Leben.
In ihm distanziert
er sich von all dem, was das
Leben vernichten und
zerstören will:
Schuld,
Versagen,
Krankheit,
Mord.
Selbst dem Tod schiebt
er in der Auferstehung
Jesu einen Riegel vor.
Um im Bild zu bleiben:
Als guter Hirt ist er bereit,
den Menschen
durch dessen Sterben und
Tod, durch die Dunkelheit
der Nacht eben,
auf eine lichte Au zu führen,
wo der Mensch
sein Zuhause finden darf,
Leben in Fülle
für ewig.
Das ist die Hoffnung,
die wir mit dem guten Hirten
verbinden.
Das ist der Glaube, der uns
Christen zu eigen ist.
Und:
Dass er, Gott, unser Sehnen,
unseren Durst nach einem Leben
in Fülle, stillen wird.
Es trifft zu, was wir
im Lied besingen:
„Als guter Hirt ist er
bereit, zu führen uns
auf seine Weid.“ (GL 144,3)
Chris Doepgen, Benediktinerin,
schreibt einmal mit dem Blick
auf das Hirtenmotiv
dieses Sonntags:
„Hirtenbilder-
schön sind sie, aber entbehrlich.
Unverzichtbar nur ist die Stimme
und das Wort vom Leben
in Fülle.“
Dazu ist er gekommen,
damit ein jeder es haben sollte,
das Leben in Fülle, durch ihn:
Christus, Jesus.