Allem vorweg
steht fest:
Jesus liebt Lazarus.
Lazarus ist sein Freund.
Ein inniges Verhältnis
verbindet beide miteinander.
Das reicht so tief, dass das
Schicksal seines Freundes
Jesus nicht gleichgültig bleiben
lässt. Jesus empfindet mit.
Jesus weint mit.
Lassen wir uns gleich richtig
ein auf dieses Evangelium.
Fragen wir uns, was es für
uns zu bedeuten hat und
welche Anstöße uns ganz
persönlich daraus zukommen
können.
Bin ich mir selber bewusst,
dass Jesus auch mich liebt?
Dass er mir zugetan ist wie
ein guter, ein bester Freund?
Was würde dieses Bewusstsein
in mir und an mir verändern?
Zudem: Jesus fühlt mit mir.
Er versteht und begreift mich
bis auf den Grund meines
Wesens. Ist das nicht fantastisch?
Fantastisch und berührend
zugleich?
Ich weiß nicht, ob sich viele
unter uns dieses Verhältnisses,
das Jesus zu ihnen haben möchte,
bewusst sind. Manchen fällt es
gar schwer, eine solche Freundschaft
zuzulassen. Und wenn sie es zulassen,
dann stellt sich zugleich doch auch
die Frage, nach den Konsequenzen
dieser Freundschaft?
Freunde sind füreinander da.
Freunde sind immer erreichbar.
Freunde können sich alles sagen.
Freunde gehen miteinander durch Dick und Dünn.
Freunde reden einem nicht nach dem Mund.
Freunde können miteinander lachen und weinen,
reden und schweigen.
Freunde nehmen einander in den Arm und
halten sich fest, wenn es sein muss.
„Ein zuverlässiger Freund ist wie
ein sicherer Zufluchtsort.
Wer einen solchen Freund gefunden hat,
der hat einen wahren Schatz gefunden“,
gibt uns das Buch Jesus Sirach
zu bedenken.
Jesus will dieser Freund sein. Wie ein
Schatz: kostbar, wertvoll, einmalig
will er uns sein.
Habe ich persönlich den Reichtum
der Freundschaft mit ihm in meinem
Leben schon entdeckt?
Was hält mich noch zurück, mich
auf ihn als Freund einzulassen?
Machen wir uns bewusst:
Freundschaft darf sich entwickeln.
Freundschaft muss wachsen.
Freundschaft bedarf der Pflege.
Als Jesus in den Ort kommt,
in dem sein Freund mit seinen
Schwestern lebt, erfährt er,
dass Lazarus tot ist.
Er weiß zwar, dass an ihm
und durch diesen Tod die
Herrlichkeit Gottes offenbar
werden soll. Und dennoch
weint Jesus. Er ist bestürzt.
Kann ich mir persönlich vorstellen,
dass Jesus auch über mich weint?
Vielleicht lacht er ja manchmal
auch über mich. Aber weinen?
So nah steht er mir. Unfassbar
ist das. Unvorstellbar und dennoch
wahr. Worüber könnte Jesus
mit mir weinen und ich mit
ihm. Meine Tränen sind bei
ihm gut aufgehoben. Ich
muss mich nur trauen, sie
zu weinen. Ich darf und ich
kann sie weinen, weil er,
Jesus, da ist.
Lazarus liegt in einem dunklen
Grab. Das ist verschlossen mit
einem Stein.
Was sind die Momente
und Augenblicke, in denen sich
Dunkelheit über meinem
Leben ausbreitet?
Wo fühle ich mich wie
begraben, niedergedrückt durch
Schwermut, Trauer, Perspektivenlosigkeit,
Angst, Unsicherheit oder was auch
immer, nur nicht am Leben?
Was hat mich in diese Dunkelheit und
Finsternis hineinstürzen lassen?
Kenne ich einen Ausweg?
Ahne ich ihn?
Will ich ihn mir durch Jesus
zeigen lassen?
Wer rollt den Stein von meinem
Grab weg?
Den toten Lazarus haben
die Menschen einbalsamiert
und fest mit Binden umwickelt.
Selbst wenn er noch am Leben
wäre, könnte er sich nicht
bewegen, so fest sind die
Binden angelegt.
Was nimmt mich gefangen?
Was hält mich besetzt?
Wo und durch wen fühle ich
mich wie gebunden und unbeweglich gemacht?
Wobei komme ich mir wie erstarrt vor?
Wovor fürchte ich mich?
Was macht mich unfrei?
Allem vorweg
steht fest:
Jesus liebt Lazarus.
Lazarus ist sein Freund.
Ein inniges Verhältnis
verbindet beide miteinander.
Das reicht so tief, dass das
Schicksal seines Freundes
Jesus nicht gleichgültig
lässt. Jesus empfindet mit.
Jesus weint mit.
Und Jesus sagt den
Menschen, sie sollen den Stein
wegrollen. Dann ruft er Lazarus
aus dem Grab heraus.
Was ist das für ein wunderbarer Gedanke?
Jesus ruft mich. Mich ganz persönlich.
Heraus. Zu sich. Jesus meint mich, ohne
Wenn und Aber, so wie ich eben bin,
mit meinen Ecken und meinen Kanten,
nie ohne sie und natürlich auch dem Guten,
das in mir steckt und so oft wie
begraben zu sein scheint.
Wie geht es mir damit?
Lasse ich mich von ihm rufen?
Folge ich seiner Einladung,
das Dunkle hinter mir zu lassen,
seiner Einladung zum Leben?
Was braucht es für einen
ersten Schritt in diese Richtung?
Wen braucht es dazu, außer
mir selber und meinen festen Willen
aufzubrechen?
„Löst ihm die Binden“, sagt Jesus.
„Lasst ihn weggehen.“ Noch einmal:
Wer könnte mir helfen, Fesseln, die mich
binden, zu lösen? Wer oder was könnte
mir wieder dazu verhelfen, aufrecht zu stehen
und meinen Weg zu gehen? Den Weg,
der zu mir passt, der für mich gedacht
ist, den nur ich gehen kann?
Hilfestellungen gibt es zu genüge.
Ich muss sie nur sehen wollen,
sie ergreifen wollen, mich auf
sie aufmerksam machen lassen
wollen. Vielleicht von einem
guten Freund, einer guten
Freundin?
Jesus und Lazarus,
eine Freundschaft, wie sie im
Buche, der Bibel eben, steht.
Eine Geschichte,
die eine wahre Ostergeschichte ist,
uns schon vor dem eigentlichen
Fest erreichen und ansprechen will,
weil sie von Leben, Sterben, Tod
und einer Auferstehung
erzählt, wie sie sich mitten
im Leben ereignen kann,
immer wieder neu ereignen will,
bei jedem von uns.
Gott, kannst du nicht
auch heute Gräber öffnen,
in die wir Menschen uns
bringen oder gebracht haben?
Gott kannst du uns nicht
auch heute herausholen
aus den Unterwelten des Todes,
damit wir dich neu erkennen
als Herrn über Leben und Tod?
Gott kannst du uns nicht
auch heute heim bringen
aus aller Entfremdung,
dorthin, wo unsere
wirkliche Heimat ist,
wo wir für immer
zu Hause sind?
Gott, gib dich uns auch
heute zu erkennen, in Jesus,
als unseren Freund und Bruder,
der uns Leben ist.