Eine Kontaktanzeige
möchte ich aufgeben
und habe einen Text dafür
entworfen:
Ich suche einen,
der mich trägt,
der mich erträgt,
für den ich tragbar bin,
der mich erträglich findet.
Einen, der belastbar ist,
der meine Last aushält
und sie nicht abwirft,
auch wenn ich mir selbst
manchmal zur Last bin.
Auch dann, wenn ich ihm
zur Belastung werde
und lästigfalle.
Ich suche einen, der mich trägt.
Einen mit starken Schultern, der etwas aushält,
einen mit starken Nerven, der durchhält.
Einen Christopherus, der sich auskennt
in den Stromschnellen des Lebens
und der eine sichere Furt weiß.
Einen, der ein bisschen weniger Angst
und ein bisschen mehr Mut hat als ich.
Ich wage die Anzeige nicht abzuschicken,
denn ich fürchte, ich bin nicht der einzige,
der solche Wünsche hat.
Ich fürchte,
da sind zu viele,
die getragen werden möchten,
und zu wenige, die bereit sind
zu tragen.
Von Hermann Coenen
stammt der Text.
In der Tat,
es gibt immer mehr Menschen,
die müde und erschöpft vom Leben sind
und von den vielen Sorgen
und den Belastungen, die es mit sich bringt.
Menschen, die einen suchen,
der sie trägt,
der sie erträgt
und sie nicht abwirft.
Darin unterscheiden sich
die Menschen zurzeit Jesu
von den Menschen unserer Zeit nicht.
Lediglich die Not der Menschen hat ein anderes
Gesicht bekommen und die Erschöpfung
und die Müdigkeit einen anderen Grund.
Die Ernte ist groß,
meint Jesus,
aber es gibt nur wenig Arbeiter.
Mit anderen Worten,
es gibt zu wenig Menschen,
die bereit sind, andere Menschen
in ihrer Not zu tragen,
zu ertragen
und sie nicht abzuwerfen.
Zu viele,
die glauben, mit ihrem eigenen Leben
genug zu tun zu haben und die sich dabei
nicht noch um die Belange der
Anderen kümmern wollen.
Zu viele,
die nur ihre eigenen Interessen
in den Mittelpunkt stellen und die Bedürfnisse
der anderen außer Acht lassen.
Zu viele,
die nach Institutionen rufen,
nach den Kirchen und dem Staat,
die helfen sollen,
die sich kümmern sollen,
die abnehmen sollen,
was sie eigentlich
nicht abnehmen können,
weil jeder einzelne Mensch
in seiner Mitmenschlichkeit gefordert ist
und weil
Mitleiden,
Mithoffen,
Mitglauben,
Mitbangen,
Mitgehen,
Mitweinen
nicht verinstitutionalisiert
und in Zeiteinheiten
verrechnet werden können.
Deshalb ruft Jesus Menschen
in seine Nachfolge.
Menschen, die fähig sind
zu tragen,
zu ertragen
und andere nicht abzuwerfen:
die an Seele und Leib erkrankten Menschen nicht,
die Ängstlichen nicht,
die Gedrückten nicht,
die lebendig Toten, die nie richtig leben durften, nicht,
die Einsamen nicht.
Bei allem, was wir in unserem Leben
tun und vollbringen werden,
am Ende wird alles auf diese Frage hinauslaufen:
ob wir getragen,
ob wir ertragen
und nicht abgeworfen haben.
Mit anderen Worten,
ob wir der Liebe fähig gewesen waren
und anderen Menschen gegeben,
was wir selbst in einem überreichlichen Maß
empfangen haben
an Liebe und Aufmerksamkeit,
an Achtung und Beachtung,
an Hilfe und Unterstützung,
an Wohlwollen und Güte,
an Milde und Barmherzigkeit
und Verzeihen
und zwar von keinem anderen
als Gott selbst,
der sich in seinem Sohn ganz für uns Menschen
hingeben hat, damit wir leben können.
Khalil Gibran schreibt in seinem
Buch, der Prophet, vom Geben dies:
Es ist gut zu geben,
wenn man gebeten wird,
aber besser ist es, wenn man ungebeten gibt,
aus Verständnis.
Alles, was ihr habt,
wird eines Tages gegeben werden.
Daher gebt jetzt, dass die Zeit des Gebens
eure ist und nicht die eurer Erben.
Ihr sagt oft:
„Ich würde geben,
aber nur dem, der es verdient.“
Die Bäume in eurem Obstgarten reden nicht so,
und auch nicht die Herden auf euren Weiden.
Sie geben, damit sie leben dürfen,
denn zurückhalten heißt zugrunde gehen.
Mitunter leiden heute so viele Menschen
an ihrem Leben und auch an sich selber
und gehen daran zugrunde,
weil sie das Geben nie richtig gelernt haben;
weil sie immer noch zu sehr danach fragen,
was im Letzten für sie selbst dabei herausspringt,
weil sie nicht frei und unvoreingenommen geben
können, was sie selbst auch nur empfangen haben,
weil sie vergessen haben,
dass sie alle den einen Gott zum Vater haben,
der sie trägt,
der sie erträgt
und nicht abwirft,
sondern behutsam
wie ein guter Hirte auf seine Schultern nimmt
und der will, dass auch wir
einander schultern –
tragen,
ertragen
und nicht abwerfen.