Wieder einmal geht
es um das Gesetz. Wie so
oft in den Auseinandersetzungen
zwischen den Gesetzeslehrern,
den Pharisäern und Jesus.
Mit den Gesetzen kennen
sie sich aus. Auf dem Boden
der Gesetze stehen sie fest
und sicher. Schließlich
regeln sie das Verhalten
und den Alltag des Menschen
bis ins kleinste Detail.
Mit seinen Worten und
seinem Verhalten bringt Jesus
jedoch diesen Boden mehr
als einmal ins Wanken.
Das stößt nicht auf
Gefallen. Wie auch,
wenn andere dadurch
zu spüren bekommen,
auf welch wackligem
Boden ihr Leben
aufgebaut ist.
Jesus kratzt immer wieder
am vermeintlichen Fundament
der Anderen und stellt
ihr Lebenskonstrukt
in Frage.
Das provoziert heftige
Gegenreaktionen. Man zieht
Jesus nicht nur in Streitgespräche hinein,
man trachtet ihm sogar nach seinem
Leben und am Ende seines Lebens wird er als
Gesetzesbrecher, als Gotteslästerer
und Lügner entlarvt und ans
Kreuz geschlagen.
Jedoch ist es
das Gesetz der Liebe,
das bestehen bleibt und Kraft
derer Gott alles an sich zieht
und erlöst. Der Liebe, die
in Christus offenbar wird
und die zu leben er immer
wieder einlädt, auch dem
Feind gegenüber.
„Welches Gebot ist das
wichtigste im Gesetz?“
Auf die Frage gibt es
nur diese eine Antwort:
Die Liebe.
Wer die Liebe lebt,
wer imstande ist, sie
in all ihren unterschiedlichsten
Facetten immer wieder
zu erwecken und ihr ein Gesicht
zu geben, der steht auf
einem Fundament, das
wirklich trägt.
Liebe und Gesetz
müssen sich dabei nicht
widersprechen. Doch wo immer
das Gesetz die Liebe untergräbt,
dient ein solches nicht dem
Leben und keinem Menschen.
Im Gegenteil.
Am Gesetz des Sabbats
macht Jesus dies deutlich.
Demnach ist der Sabbat
für den Menschen da
und nicht umgekehrt.
Einer der großen Vorwürfe,
die man der christlichen Religion
macht ist der: Sie sei
eine Religion des Gesetzes
und der Dogmen.
Wer Glauben und Religion
tatsächlich so verstehen sollte,
der hat vom Christentum und
dem, was Jesus einst wollte
nicht viel verstanden.
Der ist gefangen im
gleichen Denken, wie es
den Pharisäern zurzeit
Jesu und den Gesetzeslehrern
zu eigen war und hat
wenig begriffen vom Gott
des Christentums, dessen
Wesen die Liebe ist und
bleibt.
„Ideologisch verbohrte
Radikale berufen sich in ihrem
Tun nicht selten auf ihre
vermeintliche Liebe zu Gott.
Doch in ihrem Übereifer
und in ihrer Verblendung
lassen sie die Liebe zu
den Menschen hinten
runterfallen. …
Gott kann man nicht
lieben, wenn man nicht
auch die Menschen liebt.
Mehr noch: Gott lässt sich
gar nicht anders lieben:
Nur wer die Würde eines Menschen
anerkennt und respektiert,
liebt Gott – wer also begriffen
hat, dass alles Leben heilig ist.“ (GiG 44)
Wenn wir uns fragen,
woher Jesus die Kraft bekommt,
mitten hindurch zu gehen,
durch die Angst, durch die Gewalt,
durch die Widersprüche,
und einfach Dinge zu tun,
die menschlich aus Liebe
evident sind, liegt
es darin, dass
er jenseits der menschlichen
Gesellschaft, jenseits
der menschlichen Geschichte,
jenseits der ganzen kosmischen
Wirklichkeit an die Macht
geglaubt hat, die uns im
Leben und im Tod
in ihren Händen
hält. Die Macht
der Liebe.
Eugen Drewermann
sagt einmal:
„Soweit der ganze Himmel
ist, spannt dieser Gott seine
Arme und Hände über
uns alle aus. Daran zu glauben,
dass er uns liebt, ist die
ganze Grundlage dessen,
was wir glauben, und ein
Hauptmotiv, unser Leben
vollkommen zu ändern
vom Zerstörerischen
zum Heilenden.“
Die Macht des Gesetzes
ist eine äußere und bleibt
an der Oberfläche.
Die Macht der Liebe aber
geht tiefer, sie rührt
an den Grund unserer
Seele. Sie berührt
unser Wesen.
Nur sie besitzt wirklich
die Kraft zur Veränderung.
Nur sie vermag wirklich
Neues entstehen zu
lassen.
Nehmen wir nur
die Begegnung Jesu
mit der Ehebrecherin.
Dem Gesetz nach
hätte sie sterben
müssen. Doch wem
hätte es gedient?
Wer hätte einen
Nutzen davon gehabt?
Genugtuung vielleicht.
Die Liebe dagegen
schafft den Raum
zur Veränderung und
zur Umkehr:
„Geh und sündige
fortan nicht mehr!“,
sagt Jesus zu der
Frau.
„Ich werde meiner Frau
ewig dankbar sein, dass sie
in einer von mir verschuldeten
Partnerschaftskrise mich
nicht verurteilt, sondern
versucht hat, mich zu
verstehen“, schreibt
Franz Alt in seinem Buch:
„Was Jesus wirklich gesagt
hat.“ und er fährt fort:
„Setzt Verständnis und
Vertrauen an die Stellte von Verurteilung
und Selbstablehnung. Das ist die
zentrale Botschaft des Nazareners.
Das Gegenteil von Liebe ist nicht
der Hass, sondern das Verurteilen.“
Was hätte Jesus bei
Zachäus durch den
Buchstaben des Gesetzes
und seine Verurteilung
erreichen können und was
hat er tatsächlich durch
die Begegnung mit
ihm erreicht, die getragen
war von Verstehen und
Liebe zu dem, der
durch sein verbrecherisches
Tun ins Abseits geraten
ist?
„Mein ganzes Vermögen
gebe ich den Armen
zurück!“
Auf diesem Weg
geschieht die Heilung
des Menschen: auf
dem Weg bedingungsloser
Liebe und Annahme.
Schauen Sie selber
einmal in ihrem ganz
eigenen Leben nach:
Was haben sie
durch Liebe alles erreichen
können und wo sind sie,
wenn sie nur auf
Gesetzt und Recht,
auf Verurteilung und
Bestrafung beharrten,
stehen,
stecken geblieben?
Die Liebe geht
immer weiter. Sie überschreitet
Grenzen und stößt in neue
Bereiche vor, wo die Güte
und die Barmherzigkeit
ihr Zuhause haben.
Dorthin, wo Gott
selber zu finden
ist.
Von ganzem Herzen
und mit allen Sinnen lieben
zu können, ist ein
wahres Himmelsgeschenk.
So wie Achtsamkeit und Respekt,
Hingabe und Zuneigung
die Voraussetzungen für
ein wahres Gebet sind,
so sind sie es auch
für die Liebe.
Ein Mann der das
Gesetz des Nazareners
verstanden hat, ist für
mich Papst Franziskus.
Er erkennt, dass die Kirche
immer wieder bis heute
die Sprache des Gesetzes
benutzt. Aber nicht die
Sprache des Herzens,
die der Liebe.
Für ihn aber hat
Gott ein Herz,
das er in Liebe
jedem weit offenhält,
der nach Liebe sucht.
Leider findet Franziskus
in entscheidenden Kreisen
nur wenig Rückenstärkung
und auch viele Bischöfe
haben nicht den Mut,
die Konsequenz seiner
Worte ernst zu nehmen
und zu handeln.
Papst Franziskus bemerkt:
„Wir sind von Hoffnung
erfüllt, aber gleichzeitig
oft von Furcht und Angst
niedergedrückt.“
Die Liebe kennt keine
Furcht. Sie stellt sich
der Angst. Sie vertraut
und sie glaubt an das
Gute im Menschen
und in der Welt.
Nicht in 613 jüdischen
Vorschriften oder Geboten
und Verboten, sondern in
der Person Jesu und seinen
Geschichten zeigt sich
die real existierende Liebe
Gottes zu uns Menschen,
wie sie ist.
Am Ende bleibt die
Frage an jeden von uns,
worauf wir selber
immer wieder bauen
und woran wir festhalten
möchten?
Was soll das Fundament
unseres eigenen Lebens
sein?
Der verstorbene Kabarettist,
Hans Dieter Hüsch hatte seine
ganz eigene Antwort
auf diese Frage gefunden:
„Ich setze auf die Liebe.
Das ist das Thema:
den Hass aus der Welt
zu entfernen, bis wir bereit
sind, zu lernen, dass Macht
und Gewalt, Rache und Sieg
nichts anderes bedeuten
als ewiger Krieg, auf Erden
und dann auf den Sternen
Ich setze auf die Liebe.
Wenn Sturm mich in die
Knie zwingt und Angst in meinen
Schläfen buchstabiert;
ein dunkler Abend mir die Sinne trübt;
ein Freund im anderen Lager singt;
ein junger Mensch den Kopf verliert;
ein alter Mensch den Abschied übt.
Ich setze auf die Liebe.
Das ist das Thema:
den Hass aus der Welt zu
vertreiben; ihn immer neu zu
beschreiben;
die einen sagen es läge am Geld;
die anderen sagen, es wäre die Welt;
sie läg in den falschen Händen.
Jeder weiß es besser, woran es liegt.
Doch es hat noch niemand den Hass
besiegt, ohne ihn selbst zu beenden.
Er kann mir sagen, was er will.
Er kann mir singen, wie er´s meint.
Und mir erklären, was er muss.
Und mir begründen wie er´s braucht.
Ich setze auf die Liebe! Schluß!
Gott schütze Euch.
Gott schütze und befreie uns.
Amen."