Ich weiß nicht, wie es
Ihnen zum Jahreswechsel
geht. Wo Sie gerade stehen.
Was Sie beschäftigt und
umtreibt.
Sicherlich haben Sie sich
wie schon so oft in den zurückliegenden
Jahren, Gedanken über
die vergangene Zeit gemacht,
haben sich zurückerinnert,
an Schönes und auch an
weniger Schönes, an Augenblicke
der Freude und jene Momente,
die Sie haben sprachlos werden
lassen und traurig.
Mein Blick geht auf das,
was mit unserer Welt gerade
passiert und damit zwangsläufig
auch mit jedem von uns.
Ich schaue auf die Ereignisse,
an denen wir durch die Medien
Anteil erhalten, wie noch
nie zuvor.
Ich wünschte ich könnte
sagen, dass alles gut sei und wir
in einer guten Welt leben.
Aber dann würde ich lügen
und mir und Ihnen etwas
vormachen.
Die Wahrheit ist die:
Dies ist nicht unsere
beste Zeit. Die Menschheit
hat sich extrem weiterentwickelt –
vor allem technisch. Doch Tausende
von Jahren der Zivilisation
haben uns wenig darüber gelehrt,
was es wirklich heißt, menschlich
zu sein.
Weltweit gibt es immer noch
Kriege, Epidemien, Hunger,
Korruption, Rassismus,
soziale Ungerechtigkeit und
zudem etliche fanatisch Verrückte,
die durch ihre Art und Weise Politik
zu betreiben, diese Welt immer mehr
zu einem einzigen Krisenherd
machen.
Eine herausfordernde Frage
ist dabei die:
Schließen wir die Augen
vor dem Leid der anderen
und leben in Angst? Oder feiern
wir das Leben mit all seiner
wunderschönen Vielfalt und
machen Güte und Mitgefühl
zu unserer Priorität?
Sicherlich: Wir sind alle
sehr unterschiedliche Charaktere,
aber sehnt sich nicht jedes
menschliche Herz danach
zu lieben und geliebt zu
werden?
Dabei geht es um mehr,
als um ein luxuriöses Geschenk.
Es geht darum, eine Brücke
zwischen uns und anderen
zu bauen.
Stellen Sie sich eine Welt vor,
in der verschiedene Perspektiven,
Kulturen und Werte nicht nur
akzeptiert, sondern sogar gefeiert
werden. Sollte die menschliche
Vielfalt nicht verehrt werden?
Und ist es nicht das, was die Menschheit
zusammenhält?
Haben Sie schon einmal
beobachtet, wie ein kleines Kind
zum ersten Mal auf einen anderen
Menschen trifft? Manchmal ist
es schüchtern, oft neugierig,
aber niemals beurteilend.
Es hatte noch nicht die Zeit,
Vorurteile zu entwickeln, die
so häufig unser Leben
einschränken können.
Und jetzt denken Sie
daran, was uns passiert, wenn wir
älter werden und die Unterschiede
zwischen uns und den anderen
bewusster wahrnehmen:
Wir scheuen uns oft vor denen,
die wir als „anders“ vermuten.
Ohne es zu merken, stecken
wir unser Gegenüber in
Schubladen, die oft auf
Meinungen basieren,
die wir uns im Laufe der
Zeit gebildet haben.
Wenn wir die Straßenseite
wechseln, um eine Gruppe
von Fremden zu meiden,
wenn wir zu einer alten Person
wie zu einem kleinen Kind
sprechen, wenn wir bei einem
Rollstuhlfahrer davon
ausgehen, dass er auch kognitive
Probleme hat – all das hält davon
ab, unsere Unterschiede
anzunehmen und zu feiern.
Aber wenn wir darüber
hinausschauen, woher wir kommen,
wo wir leben, wie wir aussehen oder
woran wir glauben, dann erkennen wir,
dass wir im Grunde gar nicht so
verschieden sind.
Wir alle wollen glücklich sein,
wir wollen ein sicheres Zuhause,
wir wollen geliebt und respektiert
werden, und wir alle wollen
in einer friedlichen und sicheren
Welt leben.
Keiner hat wohl um diese
Grundbedürfnisse eines Menschen
so sehr Bescheid gewusst wie
Jesus von Nazareth.
Er kannte keine Vorurteile
gegenüber anderen Menschen.
Er wusste um ihre Sehnsüchte
Jeden Menschen begegnete er
mit der gleichen Aufmerksamkeit
und Wertschätzung.
Er kannte keine Ausnahme.
Keine einzige.
Und wie er die Menschen
angenommen hatte, so
meinte er, sollten auch
sie sich gegenseitig
annehmen, annehmen
und lieben.
„Liebet euch ihr einander,
so wir ich euch geliebt habe.“
„Seid barmherzig, wie auch
euer Vater barmherzig ist.“
Doch wie überwinden wir
unsere anfänglichen Vorurteile?
Wie bauen wir Brücken zueinander?
Unserem Gegenüber zeigen
wir uns als Menschen auf ganz
unterschiedliche Art und Weise.
Mit unserer Intelligenz, unserem
Alter, unserer Sprache, unserer
Herkunft, unseren Moralvorstellungen,
unserem Geschlecht und unserer
Religion.
Diese Einteilungen helfen uns, uns
selbst zu definieren und uns durch
diese Welt zu bewegen.
Sie helfen uns auch, unsere
Gemeinschaft zu finden – Menschen,
die uns ähnlich sind und denen wir
uns zugehörig fühlen.
Aber wir sind niemals nur eines
dieser Dinge – unser Geschlecht,
unser Alter, unsere Werte und
Normen – sondern eine komplexe
Kombination aus allem.
Wenn wir dies auch in anderen
sehen könnten, dann öffnen wir
unser Herz und unseren Geist
für die Vielfalt dieser Welt,
in der sich nicht nur der
Mensch ausdrückt, sondern
Gott selber zu erkennen
und zu erfahren ist.
Der junge Mann mit den vielen
Tattoos ist vielleicht ein Mathematiker,
der in seiner freien Zeit Yoga praktiziert.
Und die Frau in der Burka ist eventuell
eine Menschenrechtsanwältin.
Das können wir aber nur
herausfinden, wenn wir über
unsere Vorurteile hinausschauen.
Wie wäre es, wenn wir innerhalb
unserer Komfortzone uns der
Herausforderung stellen würden,
Mitmenschen, Traditionen oder Dinge,
die vermeintlich „anders“ erscheinen,
mit Interesse und nicht mit Argwohn
und Furcht anzuschauen?
Das Leben würde zweifelsohne
reicher werden! Und wenn wir uns
darum bemühten, unsere Unterschiede
und auch unserer Gemeinsamkeiten
wahrzunehmen, könnte eine
innere Verbundenheit entstehen.
Andersartigkeit zu akzeptieren
ist ein wunderbarer Schritt auf dem
Weg zu einem offenen Herzen,
wie es Gott für einen jeden
Menschen hat, ausnahmslos.
Unsere Unterschiede würden dazu
führen, dass wir neugierig auf die
Vielfältigkeit unseres Lebens
blieben und voneinander
lernen könnten.
Wenn wir unsere Unterschiede
wirklich annehmen könnten, würde
es uns auch leichter fallen,
Mitgefühl zu empfinden und die
Empfindungen, die Gedanken
und Emotionen einer anderen
Person zu erkennen und zu
verstehen.
Mitgefühl ist das größte Geschenk,
das wir einem anderen Menschen
machen können. Aus diesem
Gefühl kann Liebe entstehen.
Was bedeutet es, Mitgefühl
zu zeigen?
Seien Sie freundlich.
Wir alle haben einmal
einen schlechten Tag. Es ist
gut, sich daran zu erinnern.
Versuchen Sie die Emotionen
der anderen zu verstehen und
zeigen Sie ihnen, dass es Ihnen
wichtig ist, für sie da zu sein.
Seien sie aufmerksam.
Legen sie einmal Ihr Handy zur Seite
und versuchen Sie Ihrem Gegenüber
aufmerksam zuzuhören. Wirklich
zuhören ist eine Kunst.
Versuchen Sie, Ihr Gegenüber
nicht zu unterbrechen, wenn
es mit Ihnen spricht.
Fokussieren Sie sich auf das,
was die andere Person sagt,
und zeigen Sie ihr, dass Sie in
jedem Augenblick ganz bei
ihr sind.
Urteilen sie nicht.
Unser Leben ist voller Urteile.
Bewusst oder unbewusst
urteilen wir ständig über uns
und die anderen. Versuchen Sie
einmal bewusst, Ihr Gegenüber
und das, was gesagt wird, nicht
zu beurteilen oder zu kritisieren.
Sie werden sich richtig frei fühlen.
Gehen Sie auf andere zu.
Zeigen Sie anderen Menschen,
dass Sie sie wertschätzen. Und sei
es nur durch eine kleine Nachricht
oder ein Lächeln im Vorbeigehen.
Vergeben Sie.
Das Leben ist viel zu kurz, um
nachtragend zu sein. Warum
nicht loslassen und weitergehen?
Ärger kann eine wirklich
erschöpfende Emotion sein.
Also lassen Sie den Groll
los – für Ihren eigenen
inneren Frieden.
Ich weiß nicht, ob Sie
es bemerkt haben. Mit diesen
einfachen Impulsen bewegen wir
uns inmitten der Worte
der Bergpredigt, jenen
Haltungen, die Jesus als
entscheidend und wesentlich
für die Haltung von Menschen
ausmacht und hervorhebt.
Und noch etwas:
Hören Sie auf Ihr Herz.
Wir alle kennen den IQ.
Unseren Intelligenzquotienten.
Er ist das Maß für unsere Fähigkeit
zu denken, zu lernen und zu
begründen. Unser IQ ist mit
der logischen linken Seite
unseres Gehirns verbunden.
Unsere emotionale Intelligenz,
oder EQ, ist unsere Fähigkeit,
unsere Emotionen und die
Emotionen anderer zu beurteilen.
Der EQ ist mit der kreativen,
emotionalen Seite des Gehirns
verbunden.
Wissenschaftler haben festgestellt,
dass das Herz fähig ist, wie ein zweites
Gehirn zu handeln und uns mit
einer neuen Form der Intelligenz
zu führen. Und so entstand ein
neues Maß: unsere Herzintelligenz.
Lernen Sie mit dem Herzen
zu verstehen und zu begreifen.
Denn darauf käme es vor allem
an, auch unserem Gott, der uns
diese Zusagen durch seinen
Propheten geben lässt:
„Und ich werde ihnen ein
einmütiges Herz geben, und
in ihr Inneres werde ich einen
neuen Geist legen.
Das Herz aus Stein aber
werde ich entfernen aus ihrem
Leib, und ich werden ihnen
ein Herz aus Fleisch geben,
damit sie nach meinen
Satzungen leben und
meine Rechtssätze halten
und danach handeln.
Dann werden sie mein
Volk sein und ich
werde ihnen Gott sein.“
(Ez 11,20)
Bitten wir um den
Mut zu einem weiten und
offenen Herzen füreinander.
Es ist der entscheidende
Schritt zu einer
Haltung, die diese Welt
zu verändern vermag
und uns Gottes Frieden
zuteilwerden lässt.