Lk 17,11-19
Antonia ist vier.
Ihre Eltern sind
alkoholabhängig.
Ihrer Fürsorgepflicht können
sie nicht nachkommen.
Das Jugendamt greift ein.
Antonia lebt fortan im Heim.
Nach einiger Zeit
kommt sie zu Pflegeltern.
Die Pflegemutter ist überfordert.
Sie reagiert auf Antonias
auffälliges Verhalten aggressiv
und mit Schlägen.
Antonia kommt wieder in ein Heim.
Dort wird sie als Jugendliche
von einem Erzieher
missbraucht.
Der Vorfall hinterlässt
große seelische Verletzungen.
Ihr Vertrauen zu ihren
Mitmenschen wird zerstört.
Angst ist ihr ständiger
Begleiter, vor allem in
der Dunkelheit.
Antonia traut sich
alleine nicht mehr auf
die Straße.
Eine Therapie folgt
der anderen. -
Ein Lebensschicksal,
von denen es viele gibt.
Mitten unter uns finden
sich Menschen, denen das
Leben nicht gerade freundlich
begegnet ist.
Menschen,
denen andere Menschen
Wunden geschlagen haben,
die sie an diesem Leben
und an den anderen
Menschen zutiefst
zweifeln lassen.
Menschen, die sich
in dieser Welt nicht mehr
zurechtfinden, sich ihren
Anforderungen nicht mehr
gewachsen fühlen und
sich in ihre ganz eigene
Welt zurückziehen.
Aus Angst.
Aus einem Gefühl der
Minderwertigkeit.
Aus Misstrauen der
Welt und ihren Menschen
gegenüber.
Aus Selbstzweifel.
Weil sie sich in irgendeiner
Art und Weise wie schmutzig
fühlen.
Wie diese Zehn
von denen das Evangelium
berichtet.
Sie sind krank.
Sie haben Aussatz.
Aussatz ist eine Hautkrankheit.
Nicht ansteckend, aber
nicht schön anzusehen.
Das Gesetz schreibt vor,
dass sie sich von der
Gesellschaft fernhalten
müssen.
Sie beugen sich dieser
Vorgabe. Sie ziehen sich
zurück in ein Leben, das
es nicht wert ist, so
benannt zu werden.
Das Entscheidende,
das ihnen fehlt ist
die Begegnung mit
anderen, ein liebevoller
Blick, eine zärtliche
Berührung.
Ihre Welt entfernt
sich immer mehr von
der Welt der anderen.
Es scheint, dass es
für sie kein Zurück mehr
gibt.
Ihr Verlangen
nach Leben lässt
sie Jesus entgegenschreien:
„Meister, hab Erbarmen
mit uns!“
Jesus heilt sie nicht.
Er schickt sie vielmehr
in den Alltag hinein,
aus dem man sie
vertrieben hat und
aus dem sie sich zurückgezogen
haben. Sie sollen etwas
tun, was ihnen vom Gesetz
her untersagt ist:
Die Grenze ihrer eigenen
kleinen Welt durchbrechen.
In die Welt der anderen vorstoßen.
Sich deren Wirklichkeiten
stellen und sich den Priestern
zeigen, die darüber zu entscheiden
haben, ob sie nun rein oder
unrein sind. Was für eine
Herausforderung!
Auf dem Weg in die
Normalität, in den Alltag
des Lebens hinein, werden
sie geheilt, alle Zehn.
Es gibt ganz unterschiedliche
Anlässe und Gründe, die Menschen
an diesem Leben und an ihren
Mitmenschen verzweifeln
lassen wollen.
Eine mögliche Reaktion hierauf
ist der Rückzug in die ganz
eigene Welt, in der kein
anderer mehr einen Zugang
findet, von der man
sich Sicherheit und Geborgenheit
erhofft, in der einem niemand
mehr etwas anhaben kann,
in der aber Entscheidendes
fehlt:
Vertrauen und Hoffnung,
Zuversicht und Treue,
wirkliche Begegnung und
echte Freude, die
Erfahrung von Liebe,
von Leben eben.
Das Evangelium macht Mut,
die Grenzen der eigenen Welt
zu überwinden, sich der Welt
draußen und ihrem Alltag zu stellen,
sich Schritt für Schritt,
in das Leben hineinzubegeben.
Sich tastend in das
Leben vorzuwagen.
Der Mensch gesundet nicht,
wenn er sich dem Leben entzieht.
Der Mensch findet vielmehr
zum Leben, wenn er sich
den Herausforderungen
des Lebens stellt und erst dabei
entdeckt, dass es immer
noch genügend Gründe
zur Hoffnung, zur Zuversicht,
zur Freude an diesem Leben
und zu Vertrauen
gibt.
Entscheidend hierbei
scheint mir der Glaube
zu sein, dass der Mensch in
seinem Bemühen um den
Anschluss an das Leben
nicht allein gelassen ist.
Dass ihm Kraft
zukommt im Gehen,
durch Christus.
Wer meint der Mensch
eigentlich, wer er sei?
GLaubt er wirklich,
dass Gott ihn allein in das
Leben hinausschickt,
um dessen Reichtum
und Möglichkeiten
zu entdecken?
Der Psalm sagt:
"Muss ich wandern
in finsterer Schlucht, ich fürchte
kein Unheil, denn du bist
bei mir, dein Stock
und dein Stab geben mir
Zuversicht."
In dem Musical "Daniel"
von Thomas Gabriel
heißt es:
"Gott hat mir längst
einen Engel gesandt, micht
durch das Leben zu führen.
Und dieser Engel hält
meine Hand, wo ich auch bin
kann ich´s spüren.
Mein engel bringt in die
Dunkelheit mir Licht.
Mein Engel sagt mir:
"fürchte dich nicht!"
Du bist bei Gott aufgehoben."
Einer hat es begriffen.
Der kommt zurück.
Der bedankt sich.
Antonia lebt heute in einer
Wohngruppe. Sie ist 19.
Sie hat eine Ausbildung
abgeschlossen und arbeitet
in einem Pflegeheim.
Angst vor ihren Mitmenschen,
Angst vor dem Alleinsein,
Angst vor der Dunkelheit
hat sie immer noch.
Der Weg zurück ins Leben
vollzieht sich nur sehr langsam.
Schritt für Schritt eben.
Behutsam macht sie sich
mit dem Alltag vertraut.
Pläne hat sie.
Kinder will sie haben.
In einem kleinen Haus
will sie leben.
Wie ihr Mann sein soll,
darüber hat sie sich
noch keine Gedanken
gemacht, sagt sie
und lächelt.