Ich mag das Bild
vom Hirten und seiner
Herde. Es hat etwas Idyllisches.
Es strahlt Frieden,
es strahlt Harmonie aus.
Doch es hat auch
einen durchaus sehr
ernsthaften Hintergrund.
Einen handfesten
politischen Hintergrund
sogar.
Die Führungsgestalten
wurden im Volk Israel Hirten
genannt. Israel hat jedoch
sehr viele Erfahrungen
mit schlechten Hirten
machen müssen.
Schlechte Hirten,
das waren Herrscher, die
ihre Machtposition zu ihrem
eigenen Vorteil genutzt
haben.
Im Buch Ezechiel
zum Beispiel findet sich eine
sehr vernichtende Anklage
gegen sie.
Sie weiden nur sich
selber, heißt es dort.
Sie kümmern sich nicht um die
kranken und die verschwundenen
Schafe.
Genau dies entspräche
einer Krankheit, die Papst
Franziskus als eine von
15 Krankheiten benennt,
unter der die Kurie leidet
u.a. jene des weltlichen Profits,
der Zurschaustellung.
Er meint damit,
wenn der Apostel seinen Dienst
zu Macht umgestaltet und seine Macht zu
einer Ware, um weltlichen Nutzen
oder mehr Befugnisse zu erhalten.
Es sei die Krankheit der Menschen,
die unersättlich Befugnisse zu
vervielfachen suchen
und dafür imstande sind,
zu verleumden, zu diffamieren
und andere in Misskredit
zu bringen.
Besonders schockierend
war für mich persönlich
in diesem Zusammenhang
die Lektüre des Buches:
„Der Kämpfer im Vatikan.“
Wer an der Kirche, wohlbemerkt
an der Kirche und nicht am Glauben,
nicht gänzlich verzweifeln möchte,
der sollte das Lesen dieses
Buches tunlichst vermeiden.
Solche Fakten zerstören
die Idylle des Bildes vom
Hirten und der Herde
gänzlich. Sie machen
es dem Boden gleich
und zunichte.
Zudem sträube ich mich
innerlich gegen die Rolle
des folgsamen Schafes
in der Herde der Kirche.
Und ich bin sicher,
dass ich damit nicht
alleine bin.
Zwei österreichische
Kabarettisten wirken dabei
durchaus bestärkend
auf mich ein.
Eines ihrer Programme
trägt die Überschrift:
„Aktion Schaf“.
Die beiden kämpfen gegen
die „Verschafung“ in unserer
Kirche.
Sie nehmen diejenigen aufs
Korn, die davon träumen ein
Schaf in einer großen oder
kleinen Herde zu sein;
die sich vom Versprechen
kuschliger Nestwärme einlullen lassen;
die eigenes Denken, ihre ganz
persönliche Verantwortung
und Selbstständigkeit aufgeben,
um hinter dem großen
Hirten und Oberhirten hertrotten
zu können.
Blindes Herdendenken – meinen sie -
hätte noch immer dazu geführt,
dass man am Ende im wahrsten
Sinne des Wortes wie „belämmert“
dasteht.
Und mit sprühendem Witz
und frechen Liedern
decken sie auf, dass manche
wichtigtuerische Hirten
nichts anderes als Schafsköpfe
sind.
Dennoch - trotz dieser
berechtigten Warnungen behält
das Bild vom Hirten für mich
weiterhin einige sympathische
und auch herausfordernde
Züge.
Beim Hirten denke ich
zuerst an ein freies, weites
Feld.
Und genau das erhoffe
ich mir von Jesus, dem Hirten:
Dass er mit mir,
„das Weite sucht“;
dass er mich herausholt aus
den Mauern der Angst;
dass er mich ins Freie führt –
befreit von allem,
was mich nicht mehr atmen
lässt, was mein Leben so
eng macht und dass er mein
oft so kleinkariertes Denken
weitet, mir stattdessen
Großzügigkeit, Weitherzigkeit
und Gelassenheit schenkt.
Beim Hirten fällt mir ein
Schäferkarren ein. Diesen
bewegt der Hirte an den
Platz, an den er mit seiner Herde
weiterzieht.
Und auch das erhoffe ich
mir von Jesus, dem Hirten:
Dass er mich nicht sitzen
lässt, sondern immer wieder
zur Veränderung einlädt
und sie begleitet;
dass er mich voranbringt;
dass er mich neue Felder
entdecken und erkennen
lässt;
dass er mich aufrüttelt,
wenn ich es mir allzu
bequem gemacht habe.
Schließlich bringe ich
mit dem Hirten immer auch
das Schaf in Verbindung,
das er auf seinen Schultern
trägt – Symbol der Fürsorge.
Und genau das erhoffe
ich mir von Jesus, dem Hirten:
Dass er mich trägt und stützt,
wo ich seine Hilfe brauche;
dass er sich liebevoll um
mich kümmert und nicht
nur befiehlt und beherrscht;
dass er mir auf Augenhöhe
begegnet und mich nicht
von oben herab behandelt;
dass ich Geborgenheit
erlebe und nicht nur
Unterordnung;
dass ihm nicht gleichgültig
ist, wie es um mich steht.
Ins Weite geführt werden,
in Bewegung bleiben,
Geborgenheit spüren –
das möchte ich aber auch
durch die Gemeinschaft, die
sich an Jesus orientiert,
durch die Kirche –
und diejenigen, die in ihr
Hirten und Oberhirten
genannt werden.
Ich habe den Eindruck,
dass Papst Franziskus genau
dies im Blick hat:
Er träumt nicht von einer
Kirche, die mauert und einengt;
die bequem und selbstzufrieden
sitzen bleibt;
die herrscht, die bestimmt
und befiehlt.
Franziskus spricht von
einer Kirche, die ins Weite
führt; die sich bewegt
und sich bewegen lässt,
die sich verändert,
die sich als fürsorgliche
Gemeinschaft, als Volk
Gottes unterwegs
begreift.
Eine solche Kirche
darf nicht in der
„Belämmerung“
des Menschen enden,
sondern bedeutet immer
wieder, mutig aufzubrechen
und sich ins Weite führen
zu lassen von dem
einen wirklichen Hirten,
der Christus ist.