LK 14,25-33
Die Evangelien
der vergangenen Sonntage
sind herausfordernd.
Sie provozieren.
Sie reizen.
Sie ärgern.
„Die Tür ist eng!“,
hieß es vor Kurzem.
Nicht jeder kommt
durch sie hindurch.
Nicht jeder kann in
das Reich Gottes gelangen.“
„Ihr könnt euch nicht
darauf berufen, mit Jesus
gegessen und getrunken
zu haben! Das ist keine
Garantie dafür, dass
euch die Tür geöffnet
werden wird!“
„Die Letzten, die von
denen es keiner annehmen
will, werden im Reich Gottes
die Ersten sein! Und stellt
euch darauf ein:
Sie werden aus allen
vier Windrichtungen
zusammenkommen.“
„Dein Platz wird nicht
unbedingt der erste Platz
von allen sein. Es ist durchaus
möglich, dass du tiefer rutschen
musst, weil dir dieser
Platz nicht gebührt.“
Bei den Worten
Jesu, dass er gekommen
sei, Feuer auf die Erde
zu werfen und Unfrieden
unter den Menschen
zu provozieren, Sie
erinnern sich vielleicht
noch daran,
hat mir eine ganze Gottesdienstgemeinde
laut und vernehmlich zugestimmt,
als ich sagte, dass dies nicht
mein Evangelium sei.
Wie gesagt:
Die Evangelien
der vergangenen Sonntage
sind herausfordernd.
Sie provozieren.
Sie reizen.
Sie ärgern.
Das Evangelium heute
hat nicht weniger Sprengkraft:
Die Familie soll man verlassen,
wenn man Jesus nachfolgen
will.
Sein eigenes Leben soll man
geringachten, wenn man
Jesu Jünger sein will.
Sein Kreuz soll man tragen
und dies bis zum bitteren
Ende.
Offengestanden:
Ich hänge an meiner
Familie. Auf mein soziales
Netz will ich nicht verzichten
müssen. Freunde sind
mich wichtig.
Lange Zeit habe ich
viel zu wenig auf mich
geachtet, auf das, was
mir gut tut, was mich leben
lässt. Zu oft habe ich
gegen mich selber
gelebt. Das hat mich
krankwerden lassen.
Und ob ich tatsächlich
dazu bereit bin,
das Kreuz, wie Jesus
es meint, auf mich zu
nehmen, wenn es denn
tatsächlich darauf ankommt,
das kann ich nicht sagen.
Ich weiß nicht, ob mich
nicht die Angst überkommen
und mich der Mut
verlassen wird.
Kann ich deshalb kein
Jünger Jesu sein?
Muss ich traurig und
enttäuscht umkehren,
weil ich nicht verzichten,
all das nicht loslassen kann,
was mir so wichtig
geworden ist?
Die Forderung des
Evangeliums lässt keiner
Verhandlung Raum.
Es geht um alles
oder nichts.
Den Jüngern damals
war deutlich vor Augen,
was Jesus mit seinen
Worten meinte.
So ein Leben verträgt sich
nicht mit bürgerlichen
Ansprüchen wie festen
Wohnsitz, geregelte Arbeit
oder einem unseren Vorstellungen
entsprechenden Familienleben.
Wir wissen:
Ein junger Mann, der gerne
Jesu Jünger werden möchte,
kehrt enttäuscht um,
als er bemerkt, wie
sehr er an seinem bisherigen
Leben und seinem Reichtum hängt
und wie wenig ernst
es ihm mit der Nachfolge
ist. Er ist einfach noch nicht
reif dazu.
Wie gesagt:
Die Evangelien
der vergangenen Sonntage
sind herausfordernd.
Sie provozieren.
Sie reizen.
Sie ärgern.
Und sie enttäuschen.
Jeden, der meint, Glaube
und Nachfolge aus Glauben
an Jesus Christus seien
billig zu haben, so im
Vorbeigehen.
Einfach so!
Jesus selber lässt
keinen Zweifel daran:
Das ist es nicht!
Glaube und Nachfolge
fordern heraus und dies
immer wieder aufs Neue.
Glaube und Nachfolge
erlauben es nicht, sich
kuschlig und mollig warm
einzurichten und das
Leben vorbeiziehen
zu lassen.
Glauben und Nachfolge
machen es erforderlich,
sich immer wieder neu
für das Leben zu entscheiden
und den, der von sich sagt,
dass er das Leben ist,
Jesus Christus.
Wer ihm nachfolgen
will, der muss immer wieder
aufbrechen. Der muss
Liebgewordenes loslassen
lernen. Der muss auch bereit
sein, bewusst gegen den
Strom der Zeit zu schwimmen
und Klippen zu nehmen.
Das gilt nicht nur für
den Einzelnen unter uns,
das gilt erst recht für
eine Gemeinde und
die gesamte Kirche.
„Christentum ist der
Anspruch, dem Herrn
nachzufolgen und aus seiner
Gegenwart, aus dieser
Beziehung heraus,
zu leben“, sagt der Passauer
Bischof Oster in einem Interview
mit Peter Seewald.
Die Frage, die ich
an meine Kirche, an
viele Gemeinden und auch
immer wieder an mich selber
stelle ist:
Haben wir überhaupt
noch diesen Anspruch?
Als Einzelne,
als Gemeinde,
als Kirche?
Zum einen, ihm, Christus,
nachzufolgen, und zum anderen,
aus der Beziehung zu ihm
heraus das Leben zu gestalten?
Anders gefragt:
Glauben wir, um lediglich
unser altes Ego zu stabilisieren?
Oder sind wir bereit, unser altes
Ego dranzugeben, um eine
neue Identität,
auch als Kirche und Gemeinde
vor Ort zu gewinnen?
Persönlicher gefragt:
Habe ich einen festen
Stand in Christus und die
Erfahrung gemacht, dass
ER mein Leben trägt und stärkt?
Das ist genau der Punkt:
Bestimmt Christus mein Leben –
oder sage ich: Wer Christus
für mich sein soll, wie viel
Platz er in meiner Seele haben
darf, das bestimme immer
noch ich selbst?
Vom Evangelium her ist klar,
dass Christus der absolute
Mittelpunkt in meinem Leben
sein will.
Es geht dabei auch
um das eigene innere
Ergriffensein von Christus
und das Bewusstsein
der Anwesenheit Gottes
im ganz eigenen Leben.
Vieles läuft auf die Frage
hinaus: Wie es uns heute
gelingt, den Glauben wieder
zu vertiefen. Wie es uns
heute wieder gelingt, neue
Erfahrungsräume für
Christus und den Glauben
an ihn zu eröffnen.
Hierbei sind wir als
Einzelne angefragt, noch
mehr aber als Kirche
und Gemeinde vor Ort.
Ich bin mir nicht sicher,
ob sich viele unter uns
diese Fragen wirklich
stellen lassen
möchten.
Für viele läuft ja alles
irgendwie noch
ganz gut.
Ja, irgendwie.
Dieses „Irgendwie“
ist mir persönlich
zu wenig. Irgendwie nämlich
läuft dabei unmerklich vieles
aus dem Ruder und zudem
in die falsche Richtung.
Es macht mich traurig,
dass ich auch unter Mitbrüdern
und Kollegen
und Kolleginnen
das Bewusstsein für die
Situation nicht wirklich
erkenne. Zu viele von ihnen
haben schon längst innerlich
resigniert.
Was mir ein Anliegen
ist, ist eine neue Sehnsucht
zu wecken. Das, was ist
und getan wird, in einem
neuen Licht erstrahlen
zu lassen, damit
vieles von dem, was im
Augenblick so farblos
und geschmacklos anmutet,
eine ganz andere Couleur
und wieder einen intensiven
Geschmack bekommt.
Im Letzten geht es mir
darum, Menschen wieder
in die Begegnung mit
Gott zu führen und die
Liebe zu ihm neu zu
entdecken.
Die meisten unter Ihnen
wissen wie das ist, wenn sich
ein Mensch verliebt, dann ist
plötzlich seine ganze Welt, auch
die Alltagswelt, in ein neues
Licht getaucht.
Verlorengegangene
Kräfte werden wieder wach.
Eine neue Art des Denkens
und des Erlebens brechen
sich Bahn.
Nichts ist
mehr wie es war.
Neue Lust am und auf
das Leben entsteht.
Auch am Glauben.
Auch am Christsein.
Auch am Gemeindesein.
Wie gesagt:
Die Evangelien
der vergangenen Sonntage
sind herausfordernd.
Sie provozieren.
Sie reizen.
Sie ärgern.
Und das ist gut so!
Sie sollen uns aufrütteln!
Sie sollen uns herausreißen!
Sie wollen uns neu beseelen,
als Einzelne und als Kirche
allemal.