„Da wohnt ein Sehnen
tief in uns, o Gott nach Dir …“
so beginnen die Zeilen
eines Liedes in unserem
Gotteslob.
„Da wohnt ein Sehnen
tief in uns, o Gott nach Dir …“
… und damit nach all dem,
was Gott für uns bedeuten
soll:
Frieden,
Freiheit,
Einsicht,
Beherztheit,
Heilung,
Ganzsein,
Hoffnung,
Beistand,
Zukunft.
Wir schaffen uns Gott
sehr oft nach unserem
ganz eigenen Bild – nach dem,
was wir brauchen und verstehen
können. Das bewirkt
unsere ganz persönliche
Geschichte.
Ulrich Schaffer
schreibt dagegen:
Kein Bekenntnis wird
Gott je haben.
Jede Religion wird am Ende
immer im Wege stehen,
wenn der Einzelne
in seiner Herrlichkeit und Not
vor Gott steht und nichts
anderes sucht als seinen
Gott.
Und weiter:
Durch unsere Leidenschaft
sind wir mit Gott verbunden –
unsere Leidenschaft zu leben
und uns weiter zu entwickeln,
zu werden, um die zu sein,
die wir sind.
Wir aber verlieren uns
in den Köpfen, in der Abgründigkeit
unserer Theorien und finden
nicht zurück zu der beseelten
Welt, zu dem Zentrum in uns,
in dem wir echt sind.
„Da wohnt ein Sehnen
tief in uns, o Gott nach Dir …“
Was können wir von Gott wissen?
Wer ist Gott tatsächlich?
Was macht Gott wirklich aus?
Bei der Zusammenkunft
einer Gruppe wurde die Frage
an die Teilnehmer gestellt:
„Gibt es Gott?“
Die Frage schien nicht
in diese christliche Gruppe
zu passen, für die doch
nichts selbstverständlicher
zu sein schien als, dass es Gott
gibt.
Die Antwort des Referenten
fiel ernüchternd für die Gruppe
aus: „Nein, Gott gibt es nicht!“
Eine solche Antwort muss
zunächst einmal verdaut werden.
Was soll das heißen?
Was soll das bedeuten?
„Einen Gott, den es gibt,
gibt es nicht.“
Was fangen Sie selber mit
dieser Feststellung an:
„Einen Gott, den es gibt,
gibt es nicht.“
Was würde es bedeuten,
wenn es Gott gäbe, wie ein Ding,
wie eine Sache, wie einen
Gegenstand …?
Türen
Schon tausendmal bin ich
alle Worte geflohen, wenn es
um dich ging.
Ich wollte dich nicht mit
Buchstaben verwechseln
und nicht in unzulängliche Worte
einsperren. Und doch schreibe
ich jetzt über dich, weil ich hoffe,
dass die Worte Türen sind,
durch die ich in die Weite gelange,
nach der ich mich sehne.
Ich trete in die offene Welt
und lasse dich als Kiesel über den
Bach hüpfen. Ich verankere dich
in einem Gespräch mit einer
Freundin, mit einem Freund,
und finde dich in den schweigenden
Fischsilben zwischen den Worten.
Und wenn ich nicht mehr kann,
entdecke ich, dass du in dem
Nicht-mehr-Weiter bist
du mit mir gegen die Mauer
rennst. Zwischen meinen Händen
zerreibe ich Petersilie
und rieche dich so nah.
Alles ist eine Tür.
Ulrich Schaffer
„Einen Gott, den es gibt,
gibt es nicht.“
Nein, in der Tat, Gott gibt es
nicht, wie ein Ding, wie ein Gegenstand,
wie eine Sache, die wir handhaben
könnten. Dadurch würde Gott
sein Gottsein einbüßen. Wir
hätten ihn tatsächlich in unserer
Hand. Das entspräche ganz
und gar nicht Gott.
Gott gibt es nicht.
Vielmehr:
Gott ereignet sich.
Gott geschieht.
Gott passiert.
Plötzlich.
Unmittelbar.
Unabsehbar.
Gott ereignet sich,
er geschieht, er passiert
in Dir und in mir,
in jedem von uns und in all
dem, was auf Erden
geschieht.
Gott lässt sich in allen
Dingen finden. Er
geschieht, passiert,
ereignet sich in allem.
Wirklich in allem.
Paulus sagt:
„In Gott leben wir,
bewegen wir uns und
sind wir.“ Apg 17,28
Umgekehrt lässt sich
sagen:
Gott lebt, bewegt
sich in uns, und ist in uns.
D.h. Gott geschieht.
Von nichts Anderem
erzählt die Heilige Schrift:
Gott ereignet sich in einer Feuersäule.
Gott passiert in einer Wolke und im Brennen
eines Buschs, der nicht verbrennt.
Gott geschieht im Auseinanderweichen
des Meeres und in den bunten
Farben eines Regenbogens,
der sich über das Land
spannt.
Gott ereignet sich in Jesus Christus.
Gott passiert in dessen Wort.
Gott geschieht in dessen Tun.
Gott ereignet sich am Pfingsttag
in den herabfallenden Feuerzungen.
Gott passiert an diesem Tag in
den aufgestoßenen Türen
und Fenstern.
Gott geschieht in diesen Momenten
in den angstfrei geäußerten
Worten der Apostel.
Gott ereignet sich
zwischen Menschen.
Gott passiert,
wenn Menschen aufeinander
zu gehen, sich die Hände reichen,
füreinander da sind.
In jeder Berührung,
die uns zu Herzen
geht und die Tiefe unserer
Seele zu erreichen vermag,
geschieht Gott.
Gott ist kein Ding.
Gott ist keine Sache.
Gott ist Bewegung. -
Gott ist Dynamik pur.
Gott ist ein Wirken an uns
und mit uns und allem,
was uns umgibt.
Unsere Bilder und Vorstellungen
sind Versuche, Gott begreifen
und dingfest machen zu wollen,
die aber scheitern müssen.
Was bleibt am Ende von
diesem Gott?
Am Ende stehe ich in einer tiefen
Sehnsucht nach Erlebnis.
Der Glaube, das Nichtsehen,
ist etwas, was dem Menschen auf
Dauer nicht zuzumuten ist.
Aber das ist unser Los.
Es zeugt von unserem Mut,
dass wir es aushalten.
Ich halte mich dann an die
Petersilie, an eine sich auflösende
Wolke, an die Welle am Strand
vor meinem Haus, an das leuchtende
oder traurige Auge eines Mitmenschen,
an den Geruch von frischem Brot,
an die vorsichtige Hand, die sich
auf meinen Arm legt.
Ich sehe in ihnen allen
diese unglaubliche Gegenwart
des Numinosen.
Vorsichtig lasse ich dann
wieder los und mache keine
Lehre aus dem, was ich gesehen habe,
weil ich weiß, dass ich nur mit meinen
Augen gesehen habe, nur mit meiner
eigenen Seele wahrgenommen habe
und ich nichts Allgemeingültiges
aussagen kann.
Und es ist gut so.
Ich will hinzufügen:
Es ist gut so, weil Gott sich in jedem
Leben anders auf eine wundervolle,
einzigartige und nie dagewesene
Art und Weise ereignet,
passiert und geschieht.
Welche Herausforderung ergibt
sich für uns aus alldem?
Was ist Aufgabe für uns,
die wir Gott verstehen wollen,
sehen wollen, greifen wollen?
Schau um dich, entdecke Gottes
Geist in allem, was ist und lebt.
Nicht im Großen,
sondern vorwiegend im Kleinen
und Unscheinbaren, im Unvermuteten.
Wir müssen lernen, Gott ganz
neu zu sehen und zu begreifen
lernen.
Vielleicht liegt gerade darin
die große Chance, ihm wieder neu
auf eine noch nie dagewesene
Dichte und Tiefe nahezukommen.
Glauben Sie, dass es Gott
auch heute in diesem Gottesdienst
gibt? Nein: Er ereignet sich.
Er passiert. Er geschieht.
Zwischen Dir und mir. In den
Worten, in den Gebeten,
in unserem Gesang, im
Brechen des Brotes.
Im Teilen.
Zwischen uns,
durch uns,
mit uns
in uns
ist sein
Geist am Wirken, da
geschieht Gott.
Dort setzt
sich Pfingsten
fort und passiert
immer wieder neu.