Was treibt Sie in
Ihrem Leben an?
Was ist der Motor,
der Sie in Bewegung
bringt und in Bewegung
hält?
Was gibt Ihrem Leben
Sinn und worauf zielt
es ab?
Ich weiß nicht, was
es ist, das sie fördert
und innerlich zutiefst
bewegt. Wie auch.
Zu unterschiedlich
werden die Antworten
auf meine Frage sein.
Zu vermessen wäre es
von mir, sie kennen
zu wollen.
Für Jesus ist es
in diesem Augenblick
das Schicksal der Frau,
die vor ihm im Sand
kniet und ihrer Hinrichtung
mit Angst und Schrecken
entgegenbangt.
Was hier passiert ist
vielleicht rechtens, denn
so sieht es der Talmud
vor: Auf Ehebruch
steht die Todesstrafe.
Doch entspricht dies
tatsächlich dem Ansinnen
Gottes?
Mit Nichten:
Gott will Gerechtigkeit.
Gottes Gerechtigkeit aber
ist seine Barmherzigkeit.
Und die sprengt das
Gesetz. Sie stellt
es sogar
gänzlich in Frage,
wenn es um den
Menschen geht,
sein Wohl,
seine Würde,
sein Leben.
Doch, „wo kämen wir
hin, wenn wir alles so
einfach durchgehen ließen?
Recht muss Recht
bleiben. Koste es, was
es wolle, und sei es
selbst das Leben eines
Menschen.“
„Wo kämen wir hin,
wenn alle sagten,
wo kämen wir hin
und niemand ginge,
um einmal zu schauen,
wohin man käme,
wenn man ginge,“
fragt der schweizer Pfarrer
Kurt Marti provozierend
nach.
Jesus geht.
Jesus schaut dahinter.
Ohne Angst.
Ohne Frucht.
Er sprengt damit
Konventionen.
Er legt sich an.
Er eckt an.
Zunächst malt er in den
Sand. Und dann stößt
er allen vor den Kopf.
Den Selbstgerechten.
Den Scheinheiligen.
Den Besserwissern.
„Wer von Euch ohne
Sünde ist …“
Jesus geht.
Jesus geht immer weiter.
Am Ende kostet
dies ihn Kopf und Kragen.
Er kommt damit bis
zum Kreuz.
Zunächst und keinen
Schritt weiter.
Ist damit alles in
Frage gestellt;
ad absurdum geführt?
Behält am Ende
doch der Recht, der
am lautesten schreit
und nach Vergeltung
ruft?
Man möchte es meinen.
Damals wie heute.
Doch wo enden diese
lauten Rufe?
Sie erzeugen Aggression
und Gewalt. Sie verletzten
und sie demütigen. Sie
machen klein und
entwürdigen. Sie setzen
herab und zerstören.
Am Ende bleibt
nichts mehr übrig
außer Schutt und Asche
und eine zerstörte
Seele.
Was treibt Sie in
Ihrem Leben an?
Was ist der Motor,
der Sie in Bewegung
bringt und in Bewegung
hält?
Was gibt Ihrem Leben
Sinn und worauf zielt
es ab?
Ich kann es immer
noch nicht sagen.
Aber ich kann sagen,
was Jesus antreibt,
was es ist, das ihn immer
wieder weitergehen
und hinter die Dinge
schauen lässt:
Jesus treibt der
Mensch an und seine
Sorge um ihn.
Ihm soll Gerechtigkeit
wiederfahren.
In dem Wort Gerechtigkeit
steckt das kleine Wort Recht.
Der Mensch hat
grundlegend ein Recht
auf Würde und Ansehen,
Achtung und Respekt.
Das sind Werte, die
eine Gesellschaft
am Leben erhalten
und das Zusammenleben
von Menschen, ungeachtet
ihrer Herkunft, ihres Geschlechts,
ihrer Nationalität, ihrer Religion,
ihres Status, garantieren
sollen.
In einer gerechten
Gesellschaft kommt
jede und jeder zu
seinem Recht
und kann sich als Mensch
entfalten –
mit all den Fähigkeiten,
den Fertigkeiten, die Gott
jedem einzelnen von uns
geschenkt hat.
Wie Menschen Gerechtigkeit
wiederfahren kann bringt
Jesus in der Bergpredigt
ins Wort:
Trauernde finden Trost.
Hungernde werden satt.
Barmherzige finden Erbarmen.
Menschen mit einem weiten
Herzen werden Gott schauen.
Jene, die Frieden Stiften
werden Kinder Gottes sein.
Und wer um der Gerechtigkeit
willen verfolgt wird, für den wird
sich der Himmel öffnen. (vgl. Mt 5)
An diesen Worten Jesu
wird zugleich spürbar,
dass Gottes Gerechtigkeit
weiter reicht, als die Gerechtigkeit,
wie wir sie auf Erden anstreben.
Die menschliche Gerechtigkeit
besagt, dass wenn jemand etwas
gestohlen hat, er dafür
bestraft werden muss.
Die menschliche Gerechtigkeit
sagt uns, dass dies das Richtige
ist.
Gottes Gerechtigkeit besteht
darin, dass er barmherzig
ist, dass er mitfühlt,
Schuld vergibt
und damit
einen Neuanfang für den
Menschen möglich macht.
Nicht nur einmal.
Immer wieder.
„Frau, hat dich keiner
verurteilt? … Auch ich
verurteile dich nicht. Geh
und sündige von jetzt an
nicht mehr.“
Walter Kasper
schreibt in seinem
neusten Buch, Barmherzigkeit:
„Gott ist nicht wie ein
Richter oder ein Angestellter,
der ein von höherer Autorität
aufgestelltes Gesetz gerecht
anwendet; Gott ist souveräner
Herr, der nicht unter dem
Gesetz eines anderen steht,
sondern seine Gaben souverän
zuteilt.
Dabei geht er nicht willkürlich
vor, er handelt vielmehr gemäß
der ihm eigenen Güte.
So steht Barmherzigkeit
nicht gegen die Gerechtigkeit;
sie setzt sie nicht außer Kraft,
sondern geht weit über sie
hinaus. Sie ist die Erfüllung
der Gerechtigkeit.“
Auf die Frage eines Journalisten,
ob man Katholiken, die geschieden
sind und die wieder geheiratet
haben, nicht doch zu den
Sakramenten zulassen könne,
antwortet Papst Franziskus:
„Die Barmherzigkeit ist größer
als jener Fall, den Sie vorstellen.
Ich glaube, dass dies die Zeit
der Barmherzigkeit ist.“
Und weiter:
„Dieser Eprochenwechsel,
auch viele Probleme der Kirche …
haben viele Verwundete
hinterlassen, viele Verwundete.
Und die Kirche ist Mutter;
Sie muss hingehen und die
Verwundeten pflegen,
mit Barmherzigkeit.
Wenn aber der Herr
nicht müde wird
zu verzeihen, haben wir
keine andere Wahl
als diese."
Und schließlich:
„Warum verkomplizieren
wir, was so einfach ist?
Jesus hat uns mit seinen
Worten und seinen Taten
diesen Weg der Anerkennung
des anderen gewiesen.
Warum verdunkeln,
was so klar ist?
Sorgen wir uns nicht
nur darum, nicht in
lehrmäßige Irrtümer zu
fallen, sondern auch darum,
diesem leuchtenden Weg
des Lebens und der Weisheit
treu zu sein.“
In diesem Sinne ist
Barmherzigkeit eine Kraft,
die Leben schenkt, die
den Menschen erweckt;
ihn herausholt aus dem
Sumpf seines Lebens.
Damit reicht sie aber
weit über das hinaus,
was wir üblicherweise
als Gerechtigkeit
verstehen.
Die ach so Selbstgerechten
lassen nach Jesu Einschreiten
beschämt ihre Steine in den
Sand fallen. Sie gehen
betroffen weg.
Was treibt Sie in
Ihrem Leben an?
Was ist der Motor,
der Sie in Bewegung
bringt und in Bewegung
hält?
Was gibt Ihrem Leben
Sinn und worauf zielt
es ab?
Jeder mag darauf
seine ganz eigene Antwort
haben. Der Epheserbrief (4,32)
stellt uns eine sicherlich
in mancherlei Hinsicht
herausfordernde und
bleibend gültige, zugleich
uns alle belebende vor:
„Seid gütig zueinander,
seid barmherzig, vergebt einander,
weil auch Gott euch
durch Christus vergeben hat.“