"Kennen Sie das auch:
einen Knick in der Biographie?
Ich meine nicht das übliche
Auf und Ab in den Stürmen
des Lebens,
dass man sich mal besser,
mal schlechter fühlt,
je nach dem Wetterbericht,
der Erlebnisse und Gefühle.
Nein, ich meine
eine scharfe Kurve,
einen Bruch, einen Knick,
wo hinterher alles anders ist
als bis dahin.
Der Tod eines
lieben Menschen
kann solch ein
Einschnitt sein.
Oder eine neue Liebe.
Eine Krebsdiagnose,
ein Infarkt, eine schwere Operation,
ein heil überstandener Unfall.
Vielleicht auch
eine mystische Erfahrung.
Das ist wie eine neue Geburt,
einschließlich Wehen und Freude.
Von da an gilt für einen
ein neuer Kalender.
Man teilt die Zeit ein:
vor dem Tag X — und nachher.
Man erlebt die Krokusse anders
und den ersten Schnee.
Man entdeckt oft überlesene Zeilen
in einem bekannten Gedicht.
Eine vertraute Musik hört
man wie eine Offenbarung.
Man feiert
einen Weihnachtsgottesdienst
mit, als sei es zum ersten,
zum letzten Mal.
Alles bekommt
eine neue Wertigkeit.
Kleinigkeiten
werden einem wichtig,
Bedeutendes erscheint
einem banal.
Prioritäten verschieben sich.
Nichts ist mehr selbstverständlich.
Kennen Sie das auch?
Diesen Knick in der
Biographie?“
Den Knick in meiner
ganz eigenen Biographie
erlebte ich vor sieben Jahren.
Bei einem Gottesdienst
zu Maria Himmelfahrt
bin ich ganz plötzlich
zusammengebrochen.
Ohne Anzeichen,
ohne Vorwarnung.
Wenige Stunden später,
mitten in der Nacht, wurde
ich ins Krankenhaus gebracht,
wo man mich notoperieren
musste.
„Ich sei noch einmal
davongekommen“, hieß es.
„Das hätte schlimm enden
können.“
Seit diesem Erlebnis,
war und ist nichts mehr
in meinem Leben, wie es
einmal gewesen war.
Dieser Knick hat
es bewirkt, dass ich mein
Leben in wesentlichen
Bereichen auf ein ganz neues
Fundament stellte.
Natürlich ging das nicht
von heute auf morgen.
Es brauchte Zeit.
Es brauchte auch Geduld.
Drei Jahre hat es gebraucht.
Harte Jahre. Jahre der
Auseinandersetzung
mit mit selber, mit
Freunden, meinem Gott,
mit Vorgesetzten und
Bischof.
Heute kann ich sagen,
dass sich mein Durchhalten
und mein Bemühen gelohnt
haben. Ich bin da, wo
ich gerne bin. Ich tue
das, was mich zutiefst
erfüllt und mir Freude
bereitet.
Seit damals weiß ich,
dass jeder Knick in der
Biographie eines Menschen
seinen Sinn hat, auch wenn
er auf den ersten Blick hin
gesehen sinnlos erscheint.
Seit damals weiß ich,
wie sehr ich meinem
Gott Vertrauen schenken
darf und dass er die Dinge
so richtet, wie sie einem
Menschen tatsächlich
gut tun.
Kennen Sie das auch?
Diesen Knick in der
Biographie?“
„Ich meine
eine scharfe Kurve,
einen Bruch, einen Knick,
wo hinterher alles anders ist
als bis dahin?“
Bei vielen Menschen
habe ich den Knick in
deren Biographie erleben
dürfen, als sie sich
endlich als der geliebte
Menschen begriffen haben,
als von Gott
geliebte Menschen.
Danach war nichts
mehr wie zuvor.
Zu verstehen und
zu begreifen, dass wir
zutiefst geliebte Menschen
sind, schon lange bevor uns
unsere Eltern und Lehrer,
Ehepartner und Kinder und
Freunde geliebt haben,
das wirkt für viele wie ein Knick
in der eigenen Biographie.
Die Wahrheit über unser
Leben ist die, welche sich
in dem Moment ausrückt,
als sich über Jesus der Himmel
öffnet und die Stimme sagt:
„Du bist mein geliebter Sohn,
an dir habe ich Gefallen
gefunden.“
Ahnen wir, was alles
mit dieser Zusage
verbunden ist?
Gott selber drückt
sich darin aus und seine
ganz eigene Haltung und
Einstellung zu jedem
Menschen. Gott meint
damit:
„Ich habe dich in den Tiefen
der Erde geformt und dich
im Schoß deiner Mutter gewoben.
Ich habe dich in meine Hand
geschrieben und dich im
Schatten meine Flügel
geborgen.
Ich blicke auf dich mit unendlicher
Zärtlichkeit und sorge mich
um dich mit einer Sorge,
die noch tiefer geht als die
Sorge einer Mutter um ihr Kind.
Ich habe jedes Haar deines
Hauptes gezählt und jeden
deiner Schritte geleitet.
Wo immer du hingehst,
gehe ich mit dir, und wo
immer du ruhst, wache
ich über dich.
Ich will dir Nahrung geben,
die all deinen Hunger sättigen
wird und will dir Trank
geben, der all deinen
Durst stillen kann.
Ich will mein Angesicht
nicht vor dir verbergen.
Ich bin dein Vater,
deine Mutter, dein Bruder,
deine Schwester, dein Liebhaber
und dein Gemahl.
Ich bin sogar dein Kind.
Wo immer du sein wirst,
will auch ich sein.
Nichts wird uns jemals
trennen können.
Wir sind eins.“
Der Anfang
und die Vollendung
unseres Lebens bestehen darin,
Gottes geliebter Sohn
und seine geliebte Tochter
zu werden.
Von dem Augenblick an,
da wir für uns die Wahrheit
in Anspruch nehmen,
von Gott geliebt zu sein,
trifft uns auch der Ruf,
das zu werden,
was wir sind.
Ich kann nur hoffen,
dass wir diese Worte:
„Du bist mein
geliebter Sohn,
an dir habe ich Gefallen
gefunden“,
als direkte Anrede an uns
aufnehmen können,
uns von Gott zugesprochen
mit aller Zärtlichkeit
und Kraft, die Liebe nur
je haben kann.
Mein einziger
Wunsch an Sie ist,
dass diese Worte in jeder
Zelle Ihres Wesens
widerhallen mögen:
„Du bist ein
geliebter Mensch!“
Das ist dann wie ein
Knick in der Biographie:
Das ist wie eine neue Geburt,
einschließlich Wehen und Freude.
Von da an gilt für einen
ein neuer Kalender.
Man teilt die Zeit ein:
vor dem Tag X — und nachher.
Alles bekommt
eine neue Wertigkeit.
Kleinigkeiten
werden einem wichtig,
Bedeutendes erscheint
einem banal.
Prioritäten verschieben sich.
Nichts ist mehr
selbstverständlich.