Maria hat den besseren
Teil erwählt. Wirklich?
Sind nicht beide Teile
dem Menschen wesentlich
zu eigen?
Der Mensch ist
ein höchst aktives
und kreatives Wesen.
Er schafft.
Er wirkt.
Er produziert.
Er stellt her.
Diesen Wesensteil
vom Menschen abzutrennen,
würde ihn zerstören, seelisch
verarmen lassen.
Nicht mehr aktiv sein zu können;
Dinge nicht mehr bewegen zu können;
keine Verantwortung mehr inne zu haben;
lässt den Menschen verkümmern.
Der Mensch braucht eine Aufgabe.
Insbesondere Menschen, die
sich aus dem aktiven und beruflichen
Abschnitt ihres Lebens zurückziehen
bekommen dies zu spüren.
Sie suchen sich ganz schnell
wieder einen Ausgleich zu dem,
was ihnen dann fehlt.
Manche Menschen im
sogenannten Ruhestand sind
unruhiger als je zuvor.
Überfüllt mit Aufgaben.
Besetzt mit Terminen.
Verplant eben.
Auf der anderen Seite
braucht der Mensch
den Abstand
zum Alltäglichen; zudem,
was ihn Kräfte und
manchmal auch Nerven
kostet, ihm an die
Substanz geht.
Es braucht die Zeit
der Betrachtung,
des bloßen Verweilens,
der Rekreation;
die Stunden, in denen
er sich wieder selber
einholen, seiner Seele
nachkommen
kann.
Es hat schon seinen Grund,
warum sich so viele Menschen
auf die Ferien freuen und
das Weite suchen, einfach
nur einmal weg möchten,
raus aus den eigenen vier
Wänden.
So ein Tapetenwechsel
tut der Seele gut!
Sollte es, denn auffällig
viele Menschen fallen
im Urlaub wiederum der gleichen
Versuchung anheim,
wie zuvor in ihrem Alltag.
Nach wenigen Tagen schon
fangen sie wieder an zu planen
und höchst aktiv zu sein.
„Was steht heute auf
dem Programm?“
lautet die erste Frage
am Frühstückstisch.
Auch das bloße Nichtstun
kann Stress verursachen.
Es lässt unruhig werden.
Und ehe man wirklich zur
Ruhe finden kann, sich anfängt
zu entspannten und loszulassen,
ist der Augenblick vorbei;
die Ferien sind zu Ende.
Wirklich erholt hat
man sich nicht.
Maria hat den besseren
Teil erwählt. Wirklich?
Sind nicht beide Teilen
dem Menschen wesentlich
zu eigen?
Ja, unbedingt, ja!
Ich glaube darüber
brauchen wir uns nicht
zu streiten. Beides macht
den Menschen aus.
Die Frage, die sich stellt,
ist wohl eher doch diese:
Wie gelingt mir der Wechsel
von der einen zur anderen
Seite?
Wie schaffe ich es, einmal
alles stehen und liegen zu
lassen und mich ausschließlich
nur mir und meine Seele
zuzuwenden?
Wie entspanne ich?
Wie komme ich runter?
Wie gelingt mir das
Loslassen?
Wie bringe ich es
fertig, mich wie Maria
einmal hinzusetzen,
zuzuhören, mich auf
anderes einzulassen.
Einfach im Augenblick
da und präsent zu sein?
So etwas geht nicht
von jetzt auf gleich.
Wer dies zu schaffen
meint, der irrt und der
macht es sich unnötig
schwer.
In meinem zurückliegenden
Urlaub musste ich genau
diese Erfahrung machen.
So sehr ich mich auch
darum bemühte, ich kam
einfach nicht zur Ruhe.
Die innere Maschine,
drehte in den ersten
Tagen immer noch
im gleichen Tempo
ihre Runden wie
zuvor.
Das musste ich zuerst
einmal anerkennen und
zulassen. Es ist wie es ist.
Ich kann nicht von 100
auf null kommen. Nicht
einfach so. Nicht gleich.
Ich muss es auch nicht.
Ich darf mir Zeit lassen.
Dieses Wissen allein
wirkt schon entspannend.
Es setzt mich nicht erneutem
Leistungsdruck aus.
Der Übergang braucht
Zeit. Und diese Zeit darf
ich mir nehmen und
auch anderen
zugestehen.
Um wieder zu mir selbst
zu finden, mich zu entschleunigen,
bediene ich mich
sehr oft meines Atmens.
Ich achte auf ihn.
Ich atme bewusst langsam
ein und wieder aus.
Alles um
mich herum spielt
dann keine Rolle mehr.
Ich atme.
Und das ist alles,
was ich in diesem
Moment tue.
Ich achte darauf,
wo ich atme und
wie ich atme.
Ob frei oder
anstrengend,
gepresst
und eng.
Ich spüre, wie ich durch
das Atmen allmählich zu einer
inneren Ruhe finde.
Was mich stören will,
das atme ich weit von mir
weg, aus mir hinaus.
Auch das wirkt befreiend.
Das macht mich frei.
Frei für mich selber.
Frei für die Dinge,
die ich in meinem Alltag nicht mehr
wahrgenommen habe. Sehr oft
wesentliche Dinge.
Frei auch für Gott
und das, was er mir sagen
und zu verstehen geben
will.
Zudem kann ich mir
ins Bewusstsein rufen:
Ich bin da.
Einfach nur da.
In der Gegenwart Gottes,
der mich sieht, der mich
wahrnimmt, liebevoll
auf mich blickt.
Vor dem ich sein kann,
als der der ich bin.
Dem ich nichts vorzumachen
brauche, weil er mich
kennt, bis auf
meinen Seelengrund
hin vertraut ist mit mir.
Diesen Moment darf ich
auskosten. Ich darf ihn fühlen
und erspüren. Erleben wie
es mir damit geht.
Maria konnte dabei
alle um sich herum vergessen.
Selbst die Aufgabe, die ihr
als Frau in diesem Haushalt
zugekommen wäre. Erst recht
wenn ein Gast in diesem
Haus zu Besuch ist.
Doch:
„Maria setzte sich dem Herrn
zu Füßen und hörte seinen
Worten zu.“
Durchatmen.
Loslassen.
Dasein.
Ich glaube, wem dieser
Wechsel von der aktiven Seite
zur betrachtenden Seite
gelingt, der wird auch
wieder empfänglich werden
für die eigene innere Stimme,
die im Alltag allzu oft
überhört wird und auch
für das Wort Gottes, das sich
in ihm unaufhörlich ausspricht.
Das ihm sagt, worauf es wirklich
ankommt und was zu tun
und auch zu lassen ist.
Das ihm den Weg weist,
den er zu gehen hat,
um seiner Berufung,
seinem ganz einmaligen
Leben gerecht werden
zu können. -
Ein Wort, das ihm
Leben verheißt.
Solche Momente sind
nicht einfach zu machen.
Sie sind einem Menschen
geschenkt. Bleiben Gnade.
Ich wünsche uns allen
solche Erfahrungen,
gerade jetzt, in den
beginnenden Ferien.
Übrigens für solche
Erfahrungen braucht es
nicht wirklich Ferien.
Sie können auch zu
einem festen Bestandteil
des Alltags werden.
Sie ereignen sich auch
in einem Gottesdienst
wie diesem, heute.
Gerade hierbei sind wir
eingeladen, uns zu Füßen
Gottes zu setzen, einfach
nur da zu sein und sein
Wort auf uns wirken
zu lassen.
Mehr haben wir nicht
zu tun, aber auch nicht
weniger.
Wir müssen es uns nur
immer wieder einmal
erlauben, diesen vermeintlich
besseren Teil zu wählen.
Maria tat es.
Tun Sie es auch.
Immer wieder einmal.
Ohne ein schlechtes
Gewissen zu bekommen,
gönnen Sie sich einmal
einfach sich selbst.
Eine schöne Ferienzeit!