„Herr, dein Wille geschehe!“
Wie oft am Tag
sprechen wir diese Worte?
Wie oft kommen sie
über unsere Lippen?
Vor allem wann?
Am Morgen,
am Mittag,
am Abend,
in der Freude,
in der Trauer,
in der Krankheit
und dem Schmerz,
in der Stunde
des Todes.
In guten wie in
schlechten Zeiten machen
wir sie uns zu eigen.
„Herr, dein Wille geschehe.“
Doch was genau ist der
Wille des Herrn? Was will
Gott? Was beabsichtigt er
zu tun mit uns, den Menschen,
mit seiner Schöpfung, der
Welt?
Die einen sagen:
„Der Wille des Herrn ist es,
einen heiligen Krieg zu führen,
und zwar gegen all jene,
die nicht an ihn glauben wollen.
Ungläubige gilt es zu vernichten.“
Diese hinterlassen eine Spur
von Blut in dieser Welt.
Unzählige Gräber von unschuldigen
Menschen, die durch
sie den Tod finden.
Die anderen meinen:
„Der Wille des Herrn ist
es, dass Menschen in Frieden
zusammenfinden. Es soll keine
Gewalt und kein Hass zwischen
Menschen bestehen. Jeder
besitzt die gleiche Würde
und das Recht seinen ganz
eigenen Glauben zu leben,
zu feiern, mit anderen
zu teilen. Die Achtung
und die Wertschätzung
dieses Gutes gilt
es zu leben.“
Die einen sagen das.
Die anderen meinen dies.
Beide beten zu demselben
Gott. Den Gott Abrahams,
Isaaks und Jakobs.
In der einen Aussage
finden wir fundamentalistisches
Gedankengut, das andere Werte,
Vorstellungen und Glaubensanschauungen
neben sich nicht gelten lassen will.
In der anderen Aussage
finden wir eine von Respekt
und Würdigung durchdrungene
Haltung, die ausnahmslos jedem
Menschen gegenüber gelten
soll.
„Herr, dein Wille geschehe!“
Es ist kaum bekannt,
dass es im Zentralrat der
Deutschen Katholiken einen
Gesprächskreis gibt, in dem
Christen und Muslime nicht
übereinander, sondern
miteinander reden.
Das Gremium hat nach jahrelanger
Arbeit eine Erklärung veröffentlicht.
Sie stellen sich der Realität, die
davon geprägt ist, dass es in vielen
Gegenden der Welt islamischen
Terrorismus gibt, dass in Deutschland,
die Angst vor den Muslimen verbreitet
ist, dass die Muslime unter Generalverdacht
stehen und dass viele Vorurteile
zu Missverständnissen über den
Islam führen.
Der gemeinsame Text enttäuscht
nicht. Acht Gebote sind es, die
die Erklärung jedem Gläubigen
sozusagen ans Herz legt:
"- Gott zur Rechtfertigung von
Tötungen und Gewalttaten in Anspruch
zu nehmen, ist Gotteslästerung.
- Heilige Kriege gibt es nicht.
Ziel Gottes ist der gerechte Friede.
Daran muss sich menschliches
Handeln ausrichten.
- Als Christen und Muslime verurteilen
wir jeden Fundamentalismus, Radikalismus,
Fanatismus und Terrorismus.
- Bibel und Koran wollen die Menschen
zu Gerechtigkeit und Frieden führen.
- Die Ausbreitung des Glaubens
darf niemals mit Zwang und Gewalt
geschehen.
- Wir sprechen uns gemeinsam
für die Achtung des Menschenrechts
auf Religionsfreiheit aus.
- Feinbilder sind zu erkennen
und zu überwinden.
- Gewaltprävention ist eine
Aufgabe für alle religiöse Menschen."
„Herr, dein Wille geschehe!“
Gott will keine Gewalt
und keinen Mord unter Menschen.
Er will auch nicht, dass sich
Menschen auf ihn berufen,
wenn sie in den Krieg ziehen
und damit bereit sind,
Menschenleben zu vernichten.
Gottes Wille ist Frieden auf
Erden und unter Menschen.
Alle Extreme widersprechen
Gottes Absicht.
Der Mensch soll aus eigener
Entscheidung zum Glauben
an Gott finden. In der Ausübung
seines Glaubens ist er frei.
Die Achtung vor dem Menschen
und die Würdigung eines jeden
Menschen entsprechen ganz
und gar Gottes Haltung.
Wer sich für diesen
Gott entschieden hat,
der muss Gewalt
vermeiden.
„Herr, dein Wille geschehe!“
Es heißt, dass der Wille
Gottes sich bereits in dieser
Welt durchsetzt. Gottes
Reich am Entstehen sei.
Jesus selber sagt es
den Menschen zu.
Daran zu glauben,
fällt bisweilen schwer.
Weil vieles in dieser
Welt Gottes Willen
widerspricht;
weil der Mensch sehr
oft Gottes Willen
entgegenhandelt;
weil menschlicher Wille
als das Maß der Dinge
angesehen wird;
weil der Mensch seinen
Willen absolut setzt.
Christen wollen, dass Gottes
Wille geschieht. Sie möchten
sich mit ihrem Leben dafür
einsetzen, dass unter Menschen
geliebt, getröstet, beschützt
und befriedet wird.
Jörg Zink,
evangelischer Theologe,
bemerkt:
„Wenn ich nun darum
bitte, dass Gottes Wille sich
durchsetzen möge, könnte es
sein, dass ich das gegen mich
selbst bitte. Weiß ich denn,
was Gott will? Weiß ich, ob ich
das Schicksal wollen kann,
das Gott mir zugedacht hat?
Hat in diesem göttlichen Willen
nicht alles Raum, auch Krankheit,
Schmerz und Einsamkeit
und qualvolles Sterben?“
Aus diesem Willen kommt
mein Geschick, und –
weiß Gott! – ich bin nicht
eins mit ihm.
Aus diesem Willen kommt
mein Wesen, das mir
zu schaffen macht, und mein
Lebensauftrag, dessen Sinn ich
so oft nicht weiß.
Dennoch bitte ich darum, dass
der Wille Gottes geschieht,
auch gegen meinen Willen,
und dass Gott mich umformt
nach dem Bild seines Willens,
so dass ich wollen kann,
was er will, und dass der
Wille Gottes nicht nur im
Himmel, sondern auch
auf der Erde – und das heißt
durch mich – geschieht.“
„Herr, dein Wille geschehe!“
„Aus diesem Willen kommt
mein Geschick, und –
weiß Gott! – ich bin nicht
eins mit ihm.“
Das ist die Lebensaufgabe,
eines gläubigen Menschen:
Immer mehr eins zu werden
mit Gottes Willen und alle
lebenszerstörende Eigenwilligkeit
hinter sich zu lassen.
Das kann er aber nur,
wenn er selber daran glaubt,
dass seine Erfüllung
und auch der Sinn seines
Lebens in der Absicht
Gottes liegen, ganz und gar
seinem Willen entsprechen.
„Ich bin nicht vom Himmel
herabgekommen“, sagt Jesus,
„um meinen Willen zu tun,
sondern den Willen dessen,
der mich gesandt hat.
Es ist aber der Wille dessen,
der mich gesandt hat,
dass ich keinen von denen,
die er mir gegeben hat,
zugrunde gehen lasse,
sondern dass ich sie
auferwecke am Letzten Tag.
Denn es ist der Wille meines Vaters,
dass alle, die den Sohn sehen
und an ihn glauben,
das ewige Leben haben
und dass ich sie auferwecke
am Letzten Tag.“ Joh 6,38 ff
„Lehre mich,
deinen Willen zu tun;
denn du bist mein Gott.
Dein guter Geist leite mich
auf ebenem Pfad.“ Ps 143
bittet der Beter
des Psalms.
„Herr, was willst Du,
das ich tue?“ Der Heilige
Franziskus stellt diese Frage
unaufhörlich seinem Gott.
Im Hinblick auf die großen
und die kleinen Herausforderungen
dieser Welt und unseres eigenen Lebens,
auch im Hinblick auf die ganz eigenen
Befürchtungen
und Sorgen und Ängste könnte
unser Beten so heißen:
„Ich bitte dich, Gott,
gib, dass dein Wille geschieht.
Nicht nur im Himmel,
sondern auch auf Erden:
Nicht nur allgemein in
der Welt, sondern auch bei
mir und durch mich.“
Dass sich Gottes Wille
in unserer Welt
immer mehr durchsetzt,
hängt von einem ersten
entscheidenden Schritt ab,
der immer beim einzelnen
Menschen beginnt und seiner ganz
eigenen Entscheidung für
einen Gott, der sein
Leben will und das
der anderen auch.