Lk 16,19-31
Kaum zu glauben!
Kann ein Mensch tatsächlich
so wenig berührt sein,
vom Elend und der Armut
eines anderen Menschen?
Wenigstens
über den Anblick des Armen,
der sich vor seiner Tür niedergelassen
hat, könnte der Reiche
sich aufregen.
Kaum zu glauben!
Er bittet den Armen
nicht einmal darum,
zu verschwinden,
wenn er ihm schon nicht
helfen will.
Kaum zu glauben!
Stattdessen lässt er
Lazarus im Dreck vor seinem
Haus verkommen.
Lazarus Wunden stinken
bis zum Himmel.
Hund lecken die Geschwüre.
Das ist einfach nur eklig.
Aber das ist die Realität.
Sie nimmt Jesus
zum Anlass, Menschen
darüber aufzuklären,
wie es sich verhalten muss,
wenn es um das Leben
geht. Erst recht um
das Leben danach.
Ich glaube nicht, dass
das Evangelium den Reichtum
als solchen verurteilt.
Reichtum, je nachdem,
wie er genutzt, vor allem
wozu er genutzt wird, kann
durchaus seine guten Seiten
haben.
Vor allem auch dann,
wenn er nicht auf dem Rücken
von Schwachen entstanden
ist, durch Ausbeutung, Korruption
und Betrug,
durch Niedriglohn und
menschenverachtende
Arbeitsbedingungen.
Wogegen das Evangelium
spricht ist die Gleichgültigkeit,
die Indifferenz, die Isolation
eines Menschen in sich selber,
das Nichtwahrhabenwollen
von Gegebenheiten,
die Blindheit gegenüber
den Bedürfnissen des
anderen und der Narzissmus
eines Menschen.
Diese Gleichgültigkeit
von Menschen prangerte
Papst Franziskus in diesen
Tagen bei einem
interreligiösen Friedenstreffen
in Assisi an, wenn
er sagt:
„Zu oft begegnen
Hilfsbedürftige", er nimmt
hier die Flüchtlinge ganz
besonders in den Blick,
"kaltherzigen Menschen,
die ihren Hilfeschrei mit
jener Mühelosigkeit abstellen,
mit der sie den Fernsehkanal
umschalten.“
Ich frage mich:
Was muss mit einem Menschen,
passiert sein, der auf die
Wirklichkeiten um ihn herum
so völlig abgestumpft reagiert?
Wie hart muss das Herz
eines Menschen geworden
sein, das sich durch den
Anblick von Elend und Armut
nicht mehr bewegen lässt?
Und von was, und durch wen?
Und bei dem selbst Gott keine
Möglichkeiten mehr sieht,
Änderung zu erwirken?
Nach allzu menschlichen
Maßstäben verhält es sich
am Ende der Geschichte:
Lazarus findet sich wieder
im Schoß Abrahams.
Der Reiche kommt
in die Unterwelt, wo
er für sein Verhalten
zahlen, büßen, muss.
Ist das die Gerechtigkeit,
die Gott meint?
Ehrlich gesagt,
das kann ich mir nicht
vorstellen.
Da muss es doch noch
etwas zu machen geben
für den Reichen, seine
Angehörigen und
Nachkommen.
Nein.
Es ist wie es ist.
Da ist nichts mehr
zu machen.
Was gesagt ist, ist gesagt.
Was geschehen ist, kann
nicht rückgängig gemacht
werden. Da kann auch
kein Wunder helfen.
Im Buch der Sprichwörter
heißt es:
„Wer sein Ohr verschließt
vor dem Schreien des Armen,
wird selbst nicht erhört,
wenn er um Hilfe ruft.“ (Sprichwöter 21,13)
Die Geschichte, die Jesus
erzählt, ist auch brutal wegen
dieses Ausgangs. Am Ende gibt
es einen Gewinner und
einen Verlierer. Und das
bei Gott.
Das müsste nicht sein.
Damals nicht.
Und auch heute nicht.
Ich glaube,
dass Gott barmherzig ist,
dass er gütig ist gegenüber
jedermann. Gott ist
kein nachtragender Gott.
Er sinnt nicht auf Rache.
Ein russisches Gleichnis erzählt
von einem reichen Prasser,
der in die Unterwelt verbannt war.
Er litt furchtbare Pein und Not,
und er flehte zu Gott, dass
er gerettet würde.
Da soll es geschehen sein,
dass eine arme Frau vom Himmel
her ein Seil herunterließ,
an dem eine Zwiebel hing.
An diesem Seil kletterte der
reichen Mann empor, und er
erinnerte sich, dass er, der in
seinem ganzen Leben niemals
etwas Gutes getan hatte,
einer Bäuerin, fast wie
nebenher, eine Zwiebel
zugeworfen hatte, weil
er in seinem Korb keine
Verwendung mehr für sie fand.
In einem Kommentar zu dieser
Geschichte heißt es:
„Auch nur ein einziges Mal gut
gewesen zu sein vermag eine
ganze Welt zu ändern und
unser ganzes Leben dafür offen
zu halten, dass Gott daran
anknüpfen kann.“
Wir alle hätten
auf Erden so viel Zeit,
um miteinander
ins Einvernehmen zu kommen,
dass wir dabei alle glücklich
würden.
Wir könnten lernen,
miteinander so umzugehen,
dass fremde Not gelindert wird
und dadurch ein Stück mehr
Menschlichkeit in die Welt
kommt.
Wenn es uns gelänge
unsere Augen zu schärfen
für die Not und das Elend
um uns herum,
würden wir selbst
dabei an Glück, an Wert,
an Liebeswürdigkeit, an
Verbundenheit
untereinander gewinnen,
kurz: an Menschlichkeit.
Jeder unter uns, der sich
für andere einbringt,
für Arme, Demente,
Flüchtlinge, Behinderte,
seelisch Erkrankte, Menschen
in sozialer Not weiß
wovon ich spreche und
was ich meine.
Als ich diese Erzählung
in diesen Tagen las,
war dies mein erster
Gedanke:
Da kann etwas nicht stimmen!
Kann ein Mensch tatsächlich
so wenig berührt sein,
vom Elend und der Armut
eines anderen Menschen?
An der Geschichte
stimmt alles, aber an
den Gegebenheiten
unserer Welt und unseren
Gesellschaften stimmt
etwas nicht, solange
Menschen vor unserer
eigenen Tür zugrunde gehen
müssen, im eigentlichen,
wie auch in einem
übertragenen
Sinn.
Die Geschichte, die Jesus
erzählt, sie ist uns so überliefert.
Wir täten uns keinen Gefallen,
sie zu verändern.
Zeit, sein eigenes Leben
zu verändern hätte
der Mensch dagegen noch
genug, damit Gott
anknüpfen kann,
an dem Guten,
das er tut, um
eines anderen Menschen
willen.
Letztlich um seine
eigenen Erlösung zu
erlangen.