Leid und Tod
so unmittelbar vor Augen,
lassen viele Menschen
am Sinn des Lebens verzweifeln.
Die permanente Frage
nach dem Warum;
das unaufhaltsame
Bemühen, Erklärungen
für doch Unerklärbares
zu finden, lassen den
Menschen sehr oft
an diesem Leben
und dieser Welt
in die Irre gehen,
wenn nicht sogar
wahnsinnig werden
und krank.
Der Mensch auf
seiner Suche nach Sinn,
wird unter den Bedingungen
in dieser Welt und unter
Menschen eigentlich
nur frustriert.
Welchen Sinn hat das Leid
und der Tod eines unschuldigen
und von Staat und Religion
schlechtgemachten und
verurteilten Menschen
namens Jesus,
der jetzt blutüberströmt
am Kreuz hängt?
Diese Frage reicht
weiter bis in unsere
Zeit hinein:
Welchen Sinn macht
das Leid und der Tod so vieler
unschuldig
verfolgter, vertriebener,
ausgesetzter Menschen?
Welchen Sinn macht
ein Krieg, die Zerstörung
der menschlichen Existenz
durch Gewalt und Terror?
Welchen Sinn machen
überhaupt die Grenzerfahrungen
von Menschen angesichts von
Krankheit und dem Leid,
das durch sie hervorgerufen
wird?
„Das dem Menschen zutiefst
innewohnende Bedürfnis
ist es, in seinem Leben oder
besser gesagt in jeder einzelnen
Lebenssituation einen Sinn zu finden
und hinzugehen und ihn
zu erfüllen“, meint Viktor Frankl.
„Wenn er um keinen Sinn weiß,
dann pfeift er auf das Leben,
auch wenn es ihm äußerlich
noch so gut gehen mag,
unter anderen Umständen
schmeißt er es dann weg.“
In der Tat, wenn wir nicht
an einen Sinn dieses Lebens
glauben und schließlich
festhalten würden, dann hätten
wir allen Grund uns heute
schon dem Leben gegenüber
zu widersagen.
Was gibt uns Sinn?
Das Leben kann dadurch
sinnvoll werden, indem ich
eine Tat setze,
dass ich ein Werk schaffe.
Das Leben kann dadurch
sinnvoll sein, dass ich etwas
erlebe, etwas oder jemand
anderen erlebe.
Jemanden in seiner ganzen
Einmaligkeit und Einzigartigkeit
zu erleben heißt,
ihn zu lieben.
Sinn geschieht,
Sinn ergibt sich,
im Dienst an einer Sache
vor allem aber durch die Liebe.
Jesu Leben war
und bleibt in diesem Sinne
ein von Sinn erfülltes Leben.
Er diente der Absicht Gottes.
Er liebte die Menschen
bis zu seinem Tod.
Sinn geschieht aber
auch dort, wo wir sehr
oft alles in Frage stellen wollen,
Hoffnung und Zuversicht
aufgeben möchten und
zunächst keinen Sinn erkennen
können.
Viktor Frankl
gibt zu bedenken:
„Zuletzt zeigt sich,
dass auch dort, wo wir
mit einem Schicksal konfrontiert
sind, das sich einfach nicht
ändern lässt, wo wir als
hilflose Opfer mitten
in eine hoffnungslose
Situation hineingestellt
sind, auch dort, gerade dort,
lässt sich das Leben noch
immer sinnvoll gestalten,
denn dann können wir sogar
das Menschlichste im Menschen
verwirklichen. Das ist seine
Fähigkeit, auch eine Tragödie
- auf menschlicher Ebene –
in einen Triumph zu
verwandeln.“
Ich habe durchaus Respekt vor
dieser Aussage. Frankl weiß
was er uns damit zumutet.
Er selbst war Opfer des
Nationalsozialismus
in all seinen Auswüchsen
gewesen.
Seinen Worten und Gedanken
nachgehend würde das Leben
buchstäblich bis zu seinem
letzten Augenblick, bis zu
unserem letzten Atemzug, nicht
aufhören, einen Sinn zu haben.
Das Leben birgt
in sich einen Sinn.
Und auch das Leiden
hat seinen Sinn!
Das Leiden?
Welchen Sinn könnten
wir dem Leiden an dieser
Welt und am Menschen,
dem Leiden an unüberwindbaren
Grenzsituationen im Leben
eines Menschen abgewinnen?
Die Frage ist berechtigt.
Ich selber zögere mit der Antwort,
weil ich selber eine solche
Grenzsituation, die mich
gänzlich am Sinn meines
Lebens hätte zweifeln
lassen, nicht kenne.
Ich lasse mich ein
deshalb durch eine
Aussage Viktor Frankls
leiten und herausfordern.
Er meint aufgrund
seiner ganz eigenen Erfahrungen
und seines Schicksals:
„Gerade dort, wo wir
eine Situation nicht ändern
können, gerade dort ist
uns abverlangt, uns selbst
zu ändern, nämlich
zu reifen, zu wachsen
und über uns selbst
hinauszuwachsen.“
Sollte es tatsächlich
das Leiden sein, das dem
Menschen die Chance gibt,
an ihm zu wachsen,
überhaupt sich zu ändern?
Was ist durch das Leiden
und den Tod Jesu tatsächlich
erwachsen?
Das Hochgebet der Versöhnung
beschreibt es so:
„Gott, als wir Menschen
uns von dir abgewandt hatten,
hast du uns durch deinen Sohn
zurückgeholt.
Du hast ihn in den Tod
gegeben, damit wir zu dir
und zueinander finden.“
Hierin ist also
der Sinn des Leidens
und Sterbens Jesu zu
suchen:
Gott zu finden.
Zueinander zu finden.
Unsere Rettung,
unser Heil zu finden.
Bleibt immer noch
die Frage im Raum, was
den Sinn des Leidens
und Sterbens von uns
Menschen ausmacht?
Dass es tatsächlich das
Leiden ist, das dem Menschen
die Chance gibt, an ihm
zu wachsen, überhaupt
sich zu ändern, hat niemand
treffender beschrieben
als der israelische Maler
und Bildhauer Yehuda Bacon,
der bereits als Kind
nach Ausschwitz kam und
sich nach seiner Befreiung
fragte, was für einen Sinn
die Jahre gehabt haben
mochten, die er in diesem KZ
verbracht hatte,
und er schrieb:
„Als Knabe dachte ich,
ich werde der Welt schon sagen,
was ich in Auschwitz gesehen
habe – in der Hoffnung,
die Welt würde einmal
eine andere werden;
aber die Welt ist nicht
anders geworden,
und die Welt wollte
von Auschwitz nichts hören.
Erst viel später habe
ich wirklich verstanden,
was der Sinn des Leidens
ist:
Das Leiden hat nämlich
nur dann einen Sinn, wenn
du selbst ein anderer
wirst.“
Damit wir es nicht
falsch verstehen.
Es geht nicht darum,
das Leid zu glorifizieren
und zu suchen. Wir alle sind
keine Masochisten.
Christlicher Glaube
will uns auch nicht dahin
erziehen.
Es geht ihm darum, dem Leid
einen Sinn zuzusprechen,
zu lernen, an ihm
nicht zu verzweifeln.
Ich kann mich
mit dem Gedanken sehr
gut anfreunden,
dass ich im Leiden
wachsen lerne, über
mich selber hinaus,
mich zu ändern lerne.
Das wiederum vermag
ich durch ganz eigene
Erfahrungen bis heute
zu bestätigen.
Für mich
persönlich bedeutet dies
auch auf Gott hin zu wachsen,
mich auf Gott hin zu ändern
lernen und zwar bis zu dem Punkt,
an dem ich mit Jesus
sagen kann:
Ich gebe mein Leben
in deine Hände Gott,
mein Leben, seinen
Sinn und seine vermeintliche
Sinnlosigkeit. Mach was
daraus. Schenke ihm
Sinn und Erfüllung.
„Das Leiden hat nämlich
nur dann einen Sinn, wenn
du selbst ein anderer
wirst.“
Mit dem Blick
auf das Leiden und
den Tod Jesu werden
wir in der Tat eingeladen,
andere Menschen zu
werden und unserem
Leben mehr Sinn
zukommen zu lassen,
vor allem, den vielen
Sinnlosigkeiten
in diesem Leben und
der Welt.
Was dies konkret bedeuten
kann, führt mir ein schon oft
gesprochenes Gebet vor
Augen:
„Herr, mach mich
zu einem Werkzeug
deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung ist;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht dass ich getröstet werde,
sondern, dass ich tröste;
nicht dass ich verstanden werde,
sondern, dass ich verstehe;
nicht dass ich geliebt werde,
sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt,
der empfängt;
wer sich selbst vergisst,
der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht
zum ewigen Leben.“
Aller Sinn des Lebens
liegt darin, sich selbst zu ändern,
zu reifen, zu wachsen und über sich selbst
hinauszuwachsen – auf Gott zu,
sei es im Leben, im Leiden oder
im Tod.