Sie halten es einfach
nicht mehr aus mit ihm.
Vor allem das, was er ihnen
zu sagen hat, können sie
nicht mehr hören.
Unerträglich ist es
für sie geworden.
Nein, es sind nicht
nur die Pharisäer,
die Gesetzeslehrer und
Schriftgelehrten, denen
es genug zu sein scheint,
auch die Jünger selber
nehmen Anstoß an dem,
was er ihnen mit seinen
Worten zumutet:
Jesus spricht vom Brot,
das er selber ist und durch
das der Mensch, sofern er
von diesem Brot isst,
ewiges Leben haben wird.
Jesus spricht vom Brot,
durch das sich der Mensch
mit ihm verbunden wissen
darf und dass nur der in
ihm bleibt, der bereit ist,
von diesem Brot zu empfangen.
Jesus spricht vom Brot,
das den Hunger des Menschen
nach dem Ewigen und
dem Bleibenden zu stillen
vermag.
Für die Jünger und
die anderen ist das zu viel
des Guten. Das ist nicht mehr
zum Aushalten für sie.
Das setzt zu viel an Glauben
voraus. Da kommt keiner
mehr von ihnen mit.
Jesus äußert seine Bedenken:
„Wenn ihr schon jetzt aussteigt
und nicht mehr bereit seid
mitzugehen und mitzumachen,
dann ist die Katastrophe
vorprogrammiert.
Dann werdet ihr spätestens
doch dann alles niederlegen
und das Weite suchen,
wenn ich von den Toten
auferstehen werde.“
Die Jünger ziehen
daraufhin ihre Konsequenzen.
Sie packen ihre sieben Sachen,
sie ziehen sich zurück und
gehen ihre eigenen Wege.
Gemeint sind jene,
die Jesus schon eine ganze
Weile nachgefolgt sind,
Jünger und Jüngerinnen
in einem weiteren Sinn,
denn die anderen, die Zwölf,
die stellt Jesus vor die Frage:
„Wollt auch ihr weggehen?“
Manchmal möchte man
alles hinschmeißen,
möchte mit all den Konflikten,
Enttäuschungen und Ungerechtigkeiten
nichts mehr zu tun haben,
die das menschliche Zusammenleben
im Allgemeinen und das kirchlich-gemeindliche
religiöse Leben im Besonderen
mit sich bringen.
Manchmal ist es ja auch das
Verzweifeln an der eigenen Schwäche
und Begrenztheit.
Weit häufiger
aber hadern Kirchenmitglieder
aller Couleur mit den jeweils
anderen Brüdern und Schwestern,
ob in leitenden Ämtern oder
im „Volke“.
Und manch einer geht,
nicht selten aus schwerwiegenden
Gründen, traurig davon.
„Wollt auch ihr weggehen?“
„Morgen wird es euch
nicht mehr geben! Bestenfalls,
wenn überhaupt, werdet ihr
eine marginale und bedeutungslose
kleine Schar sein!“ meinte
ein Chefredakteur einer lokalen
badischen Zeitung zu dem
Wiener Pastoraltheologen
Paul Michael Zulehner bei
einer Podiumsdiskussion
im vergangen Jahr.
Der Mann
war der festen Überzeugung,
dass das Modell Kirche
kein Nachfolgemodell mehr haben
werde:
Die Kirche werde einfach
verschwinden.
Der Glaube werde
verdunsten.
Die Menschen bräuchten beide
nicht mehr für ihr Leben
auf dieser schönen modernen
Welt.
Im Gegenteil:
Sie würden hinfort ohne
Kirche und Religion leichter
leben, keine Sexualneurosen
haben, der Friede wäre nicht
durch religiös aufgeladene
Gewalt bedroht.
„Wollt auch ihr weggehen?“
Die Frage nach Bleiben
ist eine Entscheidung des Glaubens,
in dessen Mitte die Person
Jesu steht und mit ihm
die Wahrheit, die er verkündet.
„Wollt auch ihr weggehen?“
Ich kenne diese Frage aus ganz
eigener Erfahrung.
Sie hat auch mich einmal betroffen.
Damals stürzten viele andere
Fragen mit dieser einen Frage
zusammen auf mich ein.
Vor allem doch diese:
Kann ich mich mit dem System
Kirche wirklich noch länger identifizieren?
Hat Jesus Christus seine Kirche
auf Erden tatsächlich so gewollt,
wie sie sich für mich und viele darstellt?
Den Wirklichkeiten dieser Welt
und der Menschen fern.
Oftmals
menschenverachtend
und verletzend.
Einschüchternd
und angstmachend.
Bevormundend
und gefangennehmend.
Selbstbezogen
und eingebildet.
Schließlich habe ich meine
Entscheidung getroffen.
Ich bin geblieben,
weil es für mich nicht nur
schmerzhafte Erfahrungen
und Begegnungen in dieser Kirche
gab und immer noch gibt,
sondern weil ich in dieser
Kirche und im Evangelium Christi,
das ihr anvertraut ist,
meine Wurzeln habe
und mehr gute Erfahrungen
und heilsame Begegnungen
gemacht habe als schlechte.
Und weil ich mich erinnert habe
an den Weg den Gott mit mir
gegangen ist, ein Weg,
für den ich dankbar bin.
Die Erfahrung und die Erinnerung
dieses Weges helfen mir, meine
Entscheidung in die Zukunft hinein
zu leben.
Und es hilft mir auch, mich mit
anderen immer wieder zusammenzutun,
die sich ebenfalls dafür entschieden
haben zu bleiben:
Das sind Menschen wie Sie.
Mein Blick geht bei diesen
Worten nochmals auf die Lesung zurück:
„Josua sagte zum ganzen Volk:
Wenn es euch nicht gefällt,
dem Herrn zu dienen, dann entscheidet
euch heute, wem ihr dienen wollt:
den Göttern, denen eure Väter jenseits
des Stroms dienten, oder den
Göttern der Amoriter, in deren
Land ihr wohnt.
Ich aber und mein Haus,
wir wollen dem Herrn dienen.
Das Volk antwortete:
Das sei uns fern,
dass wir den Herrn verlassen
und anderen Göttern dienen.
Denn der Herr, unser Gott,
war es, der uns und unsere
Väter aus dem Sklavenhaus Ägypten
herausgeführt hat und der vor unseren
Augen alle großen Wunder getan hat.
Er hat uns beschützt auf dem ganzen Weg,
den wir gegangen sind …
Auch wir wollen dem Herrn dienen;
denn er ist unser Gott.“ Josua 24,1ff
Dieser Glaube ergibt sich
nicht von selbst.
Dieser Glaube ist nicht die große
Selbstverständlichkeit, sondern eine
Frage an jeden Menschen.
Dabei kommt man nicht
an schweren Momenten vorbei,
in denen man sich stößt
und Anstoß nimmt.
Der Glaube ist kein niederschwelliges
Angebot, das wir automatisch
bejahen.
Viele gehen an diesem Punkt
nicht mehr mit, wenn sie das merken.
Aber keiner kann den Moment
überspringen, in dem er
oder sie an den Punkt kommt,
wo die Frage sich ihnen stellt:
„Willst auch du weggehen?“
Ich wünsche uns den Mut,
mit Petrus das Wagnis einzugehen
und zu antworten:
„Herr, zu wem sollen wir gehen?
Du hast Worte des ewigen Lebens.
Wir sind zum Glauben gekommen
und haben erkannt:
Du bist der Heilige Gottes.“
Das ist gewiss keine Antwort,
die all unsere Fragen und Zweifel
beantwortet, alle Probleme löst,
vor allem die zwischenmenschlichen nicht sofort,
und uns das weitere Bemühen abnimmt,
aber sie gibt dem Leben eine maßgebliche Richtung
und lässt uns mit Jesus gehen, der
mit uns weitergehen will,
auch, ja gerade
in dieser „verbeulten“ Kirche.