Ohne Zweifel, er ist gefragt,
wie kein zweiter im Land.
Die Leute rennen hinter ihm her.
Unzählige sind es, die sich bei
ihm einfinden.
Ohne Zweifel, er hat zu tun.
Eine ganze Menge zu tun.
So viel, dass ihm und seinen
Jüngern keine Zeit verbleibt,
sich um ihre ganz eigenen
Bedürfnisse zu kümmern.
Das aber ist nur die eine Seite:
Dass er gefragt ist,
dass die Menschen mit ihm zu
tun haben wollen,
dass er sie anspricht mit dem,
was er ihnen zu sagen hat
über die Welt, über das Leben,
über Gott, über den Glauben
an ihn.
Die andere Seite ist die:
Da gibt es welche,
die sagen ihm üble Dinge nach.
Sie verleumden ihn.
„Er ist mit dem Teufel
im Bunde!“ sagen sie.
Und dass er nichts Gutes
im Sinn hat.
Als wenn das nicht schon genug
wäre, setzen andere noch eins
drauf. Die eigene Familie ist
es, die ihn als verrückt erklärt.
„Er ist von Sinnen!“ sagen sie
und wollen zu ihm hin.
Ich weiß nicht,
wie es ihnen mit der Position
Jesu ergeht, wie sie das Evangelium
herausstellt.
Ich finde, Jesus steckt ziemlich
dazwischen. In der Klemme.
Zwischen den einen,
die etwas von ihm wollen
und denen, die ihm an
den Kragen wollen
und schließlich der Haltung
seiner eigenen Familie
ihm gegenüber.
Ist das zum Aushalten?
Ist das nicht vielmehr zum
Davonlaufen?
Einfach nur weg von
alldem?
Jesus wäre nicht Jesus,
wenn er den Menschen nicht
die Stirn bieten würde.
Jesus wäre nicht Jesus,
wenn er sich auf und davon
machen würde.
Jesus wäre nicht Jesus,
wenn er sich einschüchtern
lassen würde
von dem Geschwätz der Pharisäer
und der Schriftgelehrten,
von der Haltung seiner Mutter
und seiner Brüder.
Dabei haben sie alle doch
gute Gründe, Jesus in die Parade
zu fahren, sein Tun zu unterbinden,
ihn davon abzuhalten.
Den Schriftgelehrten und den
Pharisäern ist er ein Dorn im
Auge, weil er sich mit der jüdischen
Religion anlegt. Institutionen sehen
es nicht gerne, wenn einer
aus dem Gewohnten und den
Vorgaben des Systems ausschert.
Sie verstehen dies als einen
Angriff, gegenüber dem es sich
zur Wehr zu setzen gilt.
Die Mutter Jesu und
seine Brüder sorgen sich um den Ruf
der Familie. Der ist schnell verspielt,
wenn es fortan heißen wird:
„Jesus ist ein Spinner.
Schau hin, da, seine Mutter,
da, seine Brüder.“
Diesen Spießrutenlauf im
eigenem Dorf hält wohl niemand
aus.
Natürlich machen sie sich
auch Sorgen um Jesus.
Insbesondere wohl Maria,
seine Mutter.
„Wohin soll das alles
noch führen!“
Der Konflikt ist vorprogrammiert.
Das Kreuz wirft schon
seinen Schatten
voraus.
„Halt ein!“ höre ich sie
Jesus zurufen.
„Halt ein, bevor es
zu spät ist!“
Dabei sind die Würfel
schon längst gefallen.
Wie gespannt warten
die Vertreter der jüdischen
Religion auf den Moment,
indem sie ihn zu Fall bringen,
mundtot, machen können.
Jesus hält nicht ein.
Er schlägt seine Gegner
mit den Inhalten ihres
eigenen Geschwätzes:
„Wie kann der Satan
den Satan austreiben,
wenn sein Reich in sich
gespalten ist?“
Und seiner Familie gegenüber
stellt er unmissverständlich klar.
„Wer den Willen Gottes erfüllt,
der ist für mich Bruder
und Schwester und Mutter!“
An so einem Mann
müssen sich die Geister
scheiden.
An so einem Mann
müssen sich die Menschen
reiben.
Kennen Sie so etwas
mitunter aus ihren eigenen
Erfahrungen,
aus ihrer Familie,
aus ihrer Verwandtschaft,
aus ihrem Bekanntenkreis,
als Betroffene,
als Betroffener?
Ich meine, kennen Sie
Menschen, die so zielstrebig
ihren Weg gehen und sich
selber und dem von
ihnen als richtig Erkannten
treu bleiben?
Vielleicht haben sie
ja auch schon längst
einen Begriff für
solche Menschen gefunden:
Querulant.
Nörgler.
Miesmacher.
Störenfried.
Querkopf.
Trotzkopf.
In einer Biographie Alfred Delps,
Jesuit zur Zeit des Nationalsozialismus,
Mitglied des Kreisauer Kreises, der sich
offensiv gegen das Regime gewendet hatte,
lese ich:
"Den Zwang zum stromlinienförmigen
Denken gibt es nicht nur in Dikaturen.
Deshalb sind Querköpfe überlebenswichtig -
damit die Vision von einer besseren,
gerechteren Wel nicht untergeht. Mit ihr stirbt,
was den Menschen zum Menschen macht."
Natürlich hat
auch Jesus seine guten Gründe,
sich genauso und nicht
anders zu verhalten.
Eben nicht den Erwartungen
der anderen zu entsprechen.
Ein Grund für ihn
ist es, Gottes
Willen zu tun.
Der hat in allem
den Vorrang.
Der bringt ihn bisweilen
auf die Barrikaden,
lässt ihn Bänke und Tische
umwerfen und Händler
aus dem Tempel treiben.
Der lässt ihn sogar
Position gegenüber seiner
eigenen Familie beziehen.
Ich weiß nicht,
ob das jetzt Ihre Frage
ist, meine ist es schon:
Woran kann ich Gottes Willen
erkennen und woran nicht?
Viele meinen Gottes Willen
bereits zu kennen, folgen dabei
jedoch ausnahmslos ihren
eigenen Vorstellungen
und Wünschen und Zielen?
„Herr, lehre mich deinen
Willen zu tun!“ heißt es.
Und woran erkenne ich
den Willen des Herrn?
Ignatius von Loyola
spricht in diesem Zusammenhang
von der Unterscheidung der Geister.
Er geht davon aus,
dass jeder Mensch für
sich entscheiden kann
und muss.
Durch Stille und Achtsamkeit,
durch Geduld und geistliche Übungen,
durch biblische Betrachtungen
sinkt nach und nach die Wahrnehmung
des Menschen auf eine tiefere Ebene ab.
Am Ende gibt es nach Ignatius nur noch
zwei Grundregungen im Menschen
und in seiner Seele im Hinblick
auf die Dinge, die er zu entscheiden
hat:
Trost –
und sein Gegenteil:
Untrost.
Alles, was ein Mehr an Trost
auslöst ist dem Willen Gottes zuzuschreiben.
Trost hat zu tun mit Harmonie,
Gleichklang und innerer Stimmigkeit.
Trost gibt mir Freude, Freiheit und
Mündigkeit, Friede und Lebensdynamik.
Untrost meint das Gegenteil:
innere Unruhe, Hoffnungslosigkeit,
Getrenntsein von Gott, den anderen
und auch mir selber, Zweifel und Hass
gegenüber mir selbst und anderen,
innere Trockenheit und Lähmung.
Echten Trost erfahre ich,
wenn ich mit Gott unterwegs bin.
Die Frage, die sich auf dem Weg
zu einer gottgefälligen Entscheidung
stellt, ist die:
Wo öffnet sich mein Herz zu mehr
Hoffnung, Glaube und Liebe, obwohl
der Weg vielleicht schwieriger ist?
Darin zeigt sich der Wille Gottes.
Und in diese Richtung habe
ich zu entscheiden.
Das setzt betende Menschen
voraus, die bereit sind, sich mit
der Dynamik des Geistes Gottes
auseinanderzusetzen und das eigene Wollen,
den eigenen Willen und das eigene Wissen zu relativieren.
Menschen, die dafür Unterbrechungen schaffen,
Achtsamkeit üben und Räume offen halten.
Ich meine, dass Jesus ganz
und gar einem solchen Menschen
entspricht und uns dazu einlädt,
selber zu solchen Menschen
zu werden.
Das sind dann jene,
die er in der Tat seine
Brüder und Schwestern
nennt, denn:
„Wer den Willen des Vaters
erfüllt, der ist für mich
Bruder und Schwester
und Mutter.“
Alle anderen sind
es nicht.