Sie laufen ihm nach,
wie die Besessenen,
weil sie von ihm ein Wunder
erwarten und geheilt
werden wollen.
Wenig später treiben
sie Jesus die Stadt hinaus,
weil er bei ihnen keine
Wunder wirken kann.
Die Menschen aus Kafarnaum.
Sie sind Feuer und Flamme
für ihn, lassen alles stehen
und liegen, sogar ihre Familien
zurück.
Doch wenn es tatsächlich darauf
ankommt, verlässt sie der Mut,
und sie nehmen Reis aus.
Die Jünger.
Er ist voller Mut, verlässt das
Boot, um auf dem Wasser zu
Jesus zu gelangen.
Doch dann bekommt er weiche
Knie, die Angst überfällt ihn.
Sein Kleinglauben lässt ihn untergehen.
Er liebt ihn, dreimal bringt er
es Jesus gegenüber ins Wort.
Doch wenn es darum geht,
Farbe zu bekennen, dann kennt
er ihn nicht.
Petrus.
Sie rufen ihm zu.
Sie begrüßen in als ihren König.
Kleider legen sie ihm auf den Weg.
Mit Palmen winken sie ihm entgegen.
Und aus ihren Kehlen erschallt
der Ruf: „Hosanna dem Sohne Davids!“
Wenig später nur ist die Euphorie
verklungen der Jubelruf hat sich
gewendet in das unnachgiebige
„Ans Kreuz mit ihn!
Ans Kreuz mit ihn!“
Das Volk.
Er bekennt sich zu ihm
als den geliebten Sohn.
Seine Stimme ertönt über den
Wassern des Jordans.
Doch am Ende lässt
er ihn sterben, am Holz
des Kreuzes.
Gott.
Widersprüche.
Unstimmigkeiten.
Gegensätze.
Ambivalenzen.
Spannungen.
Extreme.
Das Leben ist voll davon.
Und wir davon betroffen.
Einmal mehr
und einmal weniger stark.
Da stehen sich z.B. der Wunsch
nach „Rückzug von allem“ und die
Verpflichtung zu „aktivem“
Handeln diametral gegenüber.
Oder der Wille,
Jesus in die Armut zu nachzufolgen,
und der Anspruch, mit Geld Gutes
zu tun.
Oder das Anliegen, anderen
Menschen in Liebe und Herzlichkeit
zu begegnen und die Notwendigkeit,
ihnen zugleich ganz entschieden Grenzen
zu setzen und Regeln zu geben.
Der größte Widerspruch,
der uns zugemutet wird,
und mit dem wir auch zu leben
haben, ist Gott selber.
An ihm reiben sich die Geister.
An ihm verzweifeln die Menschen.
Wer ist er?
Der gute,
der liebe,
der barmherzige,
der verzeihende,
der nachlaufende,
der suchende,
der verständnisvolle
Gott,
der Gott mit Herz,
der das Leben des Menschen
will, unbedingt?
Wer ist er?
Der zornige,
der zerstörende,
der rachsüchtige,
der kontrollierende,
der knebelnde,
der vernichtende
Gott,
der Gott, vor dem
man sich fürchten muss,
unbedingt?
Vieles wurde uns gelehrt
über diesen Gott.
Vieles haben wir einfach
so angenommen und
unverdaut geschluckt.
Zumeist waren es Extreme,
die wir kennengelernt haben
und die uns ganz entscheidend
in unserem Glauben und
in unserer Beziehung zu Gott
beeinflusst haben und dies
zum Teil immer noch tun.
Entsprechend sind die Bilder,
die wir in unserem Inneren
von Gott abgelegt haben.
Demgemäß haben wir unsere
ganz eigene Wahrnehmung
von Gott.
Jeder von uns besitzt
seine ihm eigene Konstruktion
von ihm.
Kein Wunder, dass
Menschen verunsichert werden,
wenn Gott ganz und gar nicht
ihrer Vorstellung entspricht,
vielmehr die Grenzen des
Ausgedachten sprengt
und sich immer wieder
als der ganz andere zeigt.
Das ist unser Schicksal,
dass wir Gott nicht fassen können,
dass wir seiner nicht habhaft werden können,
dass wir uns nicht wirklich ein Bild von
ihm machen können.
Das ist auch der Grund,
warum er uns manchmal so nah
vorkommt und dann wieder
so unbegreiflich fern.
Die Todesstunde Jesu
hält uns dies sehr nachdrücklich
vor Augen und dieser stets
nachklingende Ruf Jesu:
„Mein Gott, mein Gott,
warum hast du mich
verlassen?“
So ist Gott
und so bleibt er auch:
Unbegreifbar.
Unfassbar.
Stets ein anderer.
Immer wieder neu
und zu Überraschungen
gut.
Wenn wir es ihm erlauben,
Gott zu sein, so zu sein,
wie er tatsächlich ist.
Vertrauen Sie keinem Menschen,
der von sich behauptet, dass
er Gott wirklich begriffen hätte,
dass er wüsste, wie Gott
funktioniert! Misstrauen Sie
jedem Gottestäter!
Wie hält es der Mensch
mit dieser Spannung aus?
Kann er überhaupt mit einem
solchen Gott leben?
Wie geht das?
Geht das überhaupt?
Ja, das geht.
Das geht, wenn wir voraussetzen,
dass Gott in dieser Welt
tatsächlich gegenwärtig ist,
dass Gott dieser Welt und ihren
Abläufen innerlicher ist, als wir
es zu meinen glauben,
auch unserem eigenen Leben,
dass Gott auch inmitten der
vielen Widersprüche und Spannungen
steckt, die das Leben ausmachen
und uns mehr als einmal
an diesem Leben verzweifeln
lassen wollen.
Das geht, wenn wir
uns das Vertrauen in ihn
bewahren und daran,
dass er es wirklich gut mit
uns Menschen meint,
absolut gut,
ohne Einschränkungen
und dass er unser Leben will,
heil,
erfüllt,
ganz,
erlöst.
Das geht, wenn wir
es uns erlauben, vertrauensvoll
auch unseren Geist,
all die Widersprüche des eigenen Lebens
wie das der anderen auch,
in seine Hände zu legen.
Das ist die einzige Bedingung,
damit wir mit ihm auferstehen
und leben können.
Für immer.
Für ewig.