Er hat es nicht leicht.
Vor allem mit den eigenen
Leuten nicht. Ausgerechnet
jenen, von denen man
sich Rückendeckung
erhofft.
Sie haben ihr Bild von ihm.
Und das ist so:
Jesus ist der Sohn des Zimmermanns.
Jesus ist der Bruder von Jakobus,
Jose, Judas und Simon.
Jesu Schwestern leben in der Stadt.
Und weil nicht sein darf,
was nicht sein kann, wirklich
nicht, nehmen sie Anstoß
an ihm, regen sich über ihn
auf und lehnen ihn ab.
Die Konsequenz folgt
auf dem Fuß:
Wo Jesus auf soviel
Misstrauen und Ablehnung
stößt, dort kann er,
bis auf wenige Ausnahmen,
keine Wunder tun.
Was er täte,
fiele bei den meisten
wie kostbarer Samen
in die Dornen, die früher
oder später die aufkeimende
Saat ersticken würden.
Noch mehr vielleicht:
Wie kostbarer Samen
auf steinigen Boden,
der gar nicht erst von
der Erde aufgenommen
werden kann, sondern von
der Sonne verbrannt wird.
Über die Reaktion
der Menschen
aus Nazareth kann
man nur den Kopf schütteln.
Jesus wundert sich darüber
und geht auf Abstand.
Was mit Jesus in der Synagoge
geschieht, das passiert oft genug
im eigenen Herzen, noch mehr
im eigenen Kopf.
Lassen sie mich Ihnen zwei
Männer vorstellen. Nennen
wir sie Peter und Paul.
Entscheiden Sie, welcher von
ihnen beiden sympathischer
ist.
Peter ist intelligent, fleißig,
impulsiv, kritisch, stur, neidisch.
Paul hingegen ist neidisch, stur,
kritisch, impulsiv, fleißig, intelligent.
Mit wem würden Sie lieber
im Lift stecken bleiben?
Wenn sie so ticken wie die meisten
Menschen, dann ziehen Sie Peter vor.
Und das, obwohl die Beschreibungen
exakt dieselben sind. Ihr Hirn
bewertet die ersten Adjektive
stärker als die folgenden,
mit dem Ergebnis, dass Sie glauben,
zwei verschiedene Persönlichkeiten
vor sich zu haben.
Peter ist intelligent und fleißig.
Paul dagegen ist neidisch und stur.
Das ist der sogenannte Primäreffekt
oder der Erste-Eindruck-zählt-Effekt.
Der Primäreffekt führt
zu Handlungsfehlern.
Bei den Menschen von Nazareth
hat er zufolge, dass Jesus
dort keine Wunder vollbringen
kann.
Sie erkennen in ihm den Sohn
der Stadt, nicht weniger,
aber auch nicht mehr.
Und das Fazit?
Das liegt auf der Hand:
Beurteilen Sie die Dinge
und die Menschen nicht
nach dem ersten Eindruck.
Er täuscht garantiert –
in die eine oder andere
Richtung.
Stattdessen versuchen Sie,
alle Aspekte eines Menschen
unvoreingenommen zu beurteilen.
Das ist nicht einfach, aber in gewissen
Situationen durchaus möglich,
mehr noch: entscheidend.
„Wir selbst sind Nazareth,
wo Jesus aufgewachsen ist.
Wir glauben, ihn zu kennen;
wir meinen zu wissen,
wer er ist. Wir haben Geschichte
mit ihm.“ (Peter Köster)
Jesus wird denen von uns
zum Heil, die in ihm mehr
sehen wollen, als den Mann
aus Nazareth, den Bruder
Jakobus, Joses, Judas und Simons,
den Sohn des Zimmermanns.
Gibt es nicht mehr zu sagen?
Für den Moment nicht.
Nicht wirklich.
Im Grunde genommen
ist damit gesagt, was
gesagt werden muss,
wenn es um die Begegnung
zwischen Menschen geht
und erst recht um die Begegnung
mit Gottes Sohn.
Und die Konsequenz
dieser Einstellung und Haltung?
Die liegt auf der Hand.
Neue Erfahrungen
werden möglich.
Erfahrungen, die Grenzen
sprengen und den eigenen
Horizont erweitern.
Erfahrungen, die bereichernd
in das eigene Leben
hineinwirken.
Erfahrungen, die heilsam
sein können.
Und ein endloses Staunen.
Wunder über Wunder.