Die Erfahrung ist die:
Unseren Kirchen laufen schlicht
und einfach die Leute weg.
Um 600 000 Personen
sind die Kirchen
in Deutschland innerhalb
eines Jahres geschrumpft.
Der Auszug aus dem
Christentum, aus
dem Glauben selber
ist eine Katastrophe.
Dabei beklagt die
protestantische Kirche
noch mehr Austritte
als die katholische.
Das zeigt,
dass die wahren Gründe
dieses Zusammenbruchs
nicht finanzieller Art sind.
Es sind auch nicht die Skandale
wie Kindesmissbrauch oder ein
Limburger Protzbau.
Es liegt auch
nicht an der Zurücksetzung
der Frauen, an Priestermangel,
XXL – Pfarreien,
nicht einmal am Papst.
Der Grund ist der Glaubensverlust.
Viele können nicht mehr an Gott glauben,
nicht an Christus, nicht an Auferstehung,
also das Wesen des Christseins.
Die Kirche ist obsolet geworden.
Egal mit welchen sozialen Diensten
und ritualen Angeboten sie wirbt,
sie scheint überflüssig,
unzeitgemäß, passe´,
antiquiert, out.
Es braucht Mut,
sich dieser Wirklichkeit
auszusetzen.
Die eigentlichen Themen
müssen auf den Tisch.
Es sind im Grunde die
uralten Fragen, die sich
unter heutigen Bedingungen
als radikal neu erweisen:
„Wozu Gott?“
„Wozu der Mensch?“
„Warum müssen Menschen sterben,
oftmals auf brutalste Weise sterben?“
„Was ist das Ziel?“
„Was ist der Sinn?“
Schlussendlich geht es
darum, den Glauben zu suchen:
innovativ, offensiv, öffentlich,
solange der Mensch sich
noch als Suchender
versteht und den letzten Sinn
und die letzten unverrückbaren
Antworten auf die Fragen, die
das Leben stellt, noch nicht
gefunden hat.
Wie z.B. auf jene Frage,
die die Menschen im Evangelium stellen:
„Was müssen wir tun, um
die Werke Gottes zu vollbringen?“
Die Antwort Jesu darauf klingt simpel:
„Dass ihr an mich glaubt!“
Kirche ist
kein Selbstzweck.
Gemeinde ist kein
Selbstzweck.
Gott hat die Kirche
nicht ins Leben gerufen,
damit sie sich mit sich selbst
beschäftigt,
sondern damit sie das Wort,
das Gott in Jesus Christus
ein für allemal gesprochen hat,
den Menschen zu allen Zeiten
und an allen Orten verkündet.
Damit sie das Brot, das Christus,
selber ist, weiterreicht.
Damit die Menschen
zum Glauben an ihn gelangen.
„Legt den
alten Menschen ab!“
ruft Paulus der Gemeinde in Ephesus zu,
„… ändert eurer früheres
Leben und erneuert euren Geist
und Sinn!“
Ja, darum geht´s:
Kirche muss lernen,
wieder Kirche zu sein!
Das zu leben, wozu sie
von Gott bestimmt ist
und berufen.
Je mehr wir als
Christen auf den Spuren Jesu
gehen,
je mehr wir seine Worte
unser Leben prägen lassen,
umso mehr kommen wir
Christus selber nah
und unserer Berufung
als Kirche:
Salz der Erde,
Licht der Welt
zu sein.
Der Jesuit Alfred Delp
fordert:
„Die Kirche muss sich selbst
viel mehr als Sakrament,
als Weg und Mittel
begreifen,
nicht als Ziel
und Ende.“
Er spricht in diesem
Zusammenhang von einer
dienenden und inspirierenden
Kirche.
Die Kirche sei geschickt
und verpflichtet
zu leuchten,
zu werben,
zu suchen,
zu heilen,
Gutes zu tun auf Kosten
der eigenen Substanz.
„Wir bleiben zu sehr
bei uns und unter uns“,
meint Delp.
„Uns fehlt irgendwie der große
Mut, der nicht aus dem Blutdruck
oder der Jugendlichkeit oder
ungebrochener Vitalität,
sondern aus dem Besitz des Geistes
und dem Bewusstsein des Segens,
der uns zuteil geworden ist,
kommt.“
Die Frage steht im Raum:
„Warum haben wir den Menschen
nichts zu sagen oder besser,
da wir was zu sagen haben,
warum sagen wir
den Menschen nichts?“
Keine Frage:
„Man wird wieder um den
einzelnen Menschen werben
müssen“, das ist Delps
Feststellung schon vor mehr
als 70 Jahren, gegen Ende
der Nazidiktatur, kurz
vor seiner Hinrichtung
durch diese.
Die Worte Papst Franziskus´
gehen in die gleiche Richtung.
An den „Rändern“ sollen wir
zu sehen sein.
Die „Peripherie“ sei der Ort,
an dem wir wirken sollen.
Zuerst gelte der Mensch
in seiner Not.
Doch statt dem
desorientierten und ungeborgenen
Menschen unserer Zeit, Halt
zu geben und Mut zu machen,
kapseln wir uns
viel zu oft ein.
Wir misstrauen viel zu sehr
den schöpferischen Kräften,
reagieren zumeist
nur negativ auf neue Ansätze.
Wähnen uns allzu sicher
in den alten und verkrusteten
Strukturen.
Die Erfahrung ist die:
Unseren Kirchen laufen schlicht
und einfach die Leute weg.
Viele unter uns haben in
den vergangenen Tagen
sehr betroffen auf diese
Nachricht reagiert.
Betroffenheit ist gut.
Doch Betroffenheit reicht
nicht aus.
Ich will mir
gerne die Bitte eines
Kirchenliedes zu Eigen
machen, die da heißt:
Weck die tote Christenheit
aus dem Schlaf der Sicherheit,
dass sie deine Stimme hört,
sich zu deinem Wort bekehrt.
Erbarm dich, Herr.