Da drängen sich zwei
nach vorne.
Ausgerechnet zwei Jünger:
Jakobus und Johannes.
Sie haben etwas auf
dem Herzen und nutzen
die Gelegenheit, die Gunst
der Stunde, Jesus
allein sprechen zu können.
„Lass in deinem
Reich einen von uns rechts
und den anderen links
von dir sitzen.“
Also doch.
Sie sind kein
bisschen besser als
die vielen anderen Menschen
die nach Ansehen und Prestige,
nach Bevorzugung und
den ersten Plätzen
Ausschau halten;
die selber immer wieder am besten
davon kommen wollen
und Gewinne und Erfolge
für sich verzeichnen möchten;
die mit starken Ellenbogen nach
vorne streben, vor Intrige
und Korruption nicht
zurückschrecken,
wenn es um die ganz
eigenen Interessen
und Absichten und
Gewinne geht.
Das ist enttäuschend.
Das ist erschreckend.
So etwas kann entmutigen.
Die anderen Jünger damals;
jeden von uns heute.
Ob die Jünger
zu schwach sind?
Ob es nur andere Jünger
bräuchte?
Eine andere Welt?
Einen anderen Gott
sogar?
Wo der Mensch nur
seinen eigenen Vorteil
und seine eigene Sache sieht;
wo der Mensch bereit ist
über Leichen zu gehen;
ist das Zusammenleben von Menschen
in seinen Wurzeln wesentlich zerstört;
zerstört durch das Verhalten
des Menschen, der durch sein Tun
Misstrauen und Verärgerung,
Bitterkeit und Enttäuschung,
Zorn und Anstoß sät und
dadurch seinen
eigenen Bankrott
heraufführt.
In einem Brief
zum Weihnachtsfest
im vergangenen Jahr an
die Kurie und
ihre Mitarbeiter
schreibt Franziskus von
fünfzehn verschiedenen Krankheiten,
denen er seine Mitbrüder
und Mitarbeiter ausgesetzt sieht,
„kuriale Krankheiten“
wie er sie nennt,
„die den Dienst für
den Herrn schwächen.“
Eine diese Krankheiten
sei die der Rivalität
und der Ruhmsucht.
Eine andere Krankheit
sei die der Gleichgültigkeit
gegenüber dem anderen.
Wenn jeder nur an sich
selbst denkt und die Ernsthaftigkeit
und Wärme in seinen menschlichen
Beziehungen verliert.
Wenn man aus Eifersucht
oder Verschlagenheit, sich freut,
jemanden fallen zu sehen,
statt ihm aufzuhelfen und ihn
zu ermutigen.
Die letzte Krankheit, die Franziskus
aufführt sei die des weltlichen Profits,
der Zurschaustellung –
wenn der Apostel seinen
Dienst zu Macht umgestaltet
und seine Macht zu einer
Ware, um weltlichen Nutzen
oder mehr Befugnisse
zu erhalten.
„Die Krankheiten und
Versuchungen seien eine Gefahr
für jeden Christen und jede
Verwaltung und Gemeinschaft,
jeden Orden und jede Pfarrei
und kirchliche Bewegung.
Sie können sowohl
beim Einzelnen
als auch in der Gemeinschaft
vorkommen“, hebt Franziskus
hervor und formuliert
seine Bitte entsprechend:
„Tut nichts aus Ehrgeiz
und nichts aus Prahlerei.
Sondern in Demut schätze einer
den anderen höher als sich
selbst. Jeder achte
nicht nur auf das eigene Wohl,
sondern auch auf das
der anderen.“
„Ob die Menschen
zu schwach sind?
Ob es nur andere Menschen
bräuchte?
Eine andere Welt?
Einen anderen Gott
sogar?
Gar keinen Gott?“
Das sind zumindest
die Fragen, die Berthold Brecht
in seinem Stück „der gute
Mensch von Sezuan“ stellt
und in dessen Epilog
der Zuschauer
auffordert wird
die entscheidende,
die rettende
Antwort selbst
zu geben.
Fassen wir diese
Fragen einmal weiter.
Dehnen wir sie aus:
Brauchen wir andere Menschen?
Brauchen wir andere Vorsitzende
in den großen Vorstandsetagen
der Unternehmen und Banken,
und Vereine?
Brauchen wir andere Politiker?
Brauchen wir andere Bischöfe
in den Bistümern und andere Pfarrer
in den Gemeinden?
Brauchen wir andere Gläubige
an der Basis?
Nein,
brauchen wir nicht,
nicht wirklich.
Es gibt keine besseren!
Was wir brauchen ist eine
neue und andere Orientierung,
eine ganz neue und andere Ausrichtung
jedes einzelnen Menschen,
seine Besinnung auf das Eigentliche
und Wesentliche,
auf das was
das Leben erhält und nicht
zerstört und vernichtet;
auf das was die Achtung
vor der Würde des anderen
Menschen stärkt und nicht
untergräbt;
auf das, was ihn auch
der Schöpfung die Achtsamkeit
entgegenbringen lässt, die sie
braucht, wenn er in ihr
sein Zuhause finden
will.
Jesus setzt diesen
anderen Maßstab:
„Bei euch aber soll
es nicht so sein, sondern,
wer bei euch groß sein will,
soll der Sklave aller sein.
Denn auch der Menschensohn
ist nicht gekommen, um sich
bedienen zu lassen, sondern
um zu dienen und sein Leben
hinzugeben … für viele.“
Warum geht es?
Dass wir auf den
anderen Menschen
schauen und nicht zuvörderst
auf das, was unser Gewinn
ist; was für uns persönlich
dabei herauskommt.
Diese Hinwendung
zum anderen Menschen
hat Jesus radikal gelebt.
Sie bedeutet eine
Herausforderung für alle,
die es mit Menschen zu
tun haben und mit
Verantwortung und
Macht ausgestattet
sind.
In der Gesellschaft.
In der Politik.
In der Kirche.
In der Wirtschaft.
In der Forschung.
In allen Bereichen,
die in Zusammenhang
mit dem Menschen
stehen.
Diese Frage bleibt
zum Schluss:
Wie ist diese Hinwendung
zu erreichen?
Zunächst müssen wir
uns fragen lassen, ob wir
diese Hinwendung denn
tatsächlich wollen?
Ich bin mir da
nicht immer so
sicher.
Das setzt voraus,
dass wir unsere Defizite
erkennen und annehmen
möchten,
einen anderen
Blick auf die Situation
werfen und nicht ausschließlich
die eigene Wirklichkeitskonstruktion
als das Maß aller Dinge
ansehen wollen.
„Ob die Menschen
hierzu zu schwach sind?
Ob es nur andere Menschen
bräuchte?
Eine andere Welt?
Einen anderen Gott
sogar?
Gar keinen Gott?“
Nein!
Was es braucht ist
vielmehr das Vertrauen
in den einen Gott und
dass wir es mit seiner Unterstützung
schaffen werden, dieser
wunderbaren Welt und
ihren einzigartigen Menschen
ein neues Angesicht geben
zu können.
Augustinus meint:
„Solange ein Teil zum Leib
gehört, ist seine Heilung
nicht vergebens;
was hingegen abgeschnitten
wurde, kann weder geheilt
werden noch gesunden.“
Achten wir aufeinander.
Passen wir auf,
dass niemand verloren
geht oder einfach so
abgeschnitten wird.
Vertrauen wir darauf,
dass Gott an uns und durch
uns heilend in dieser Welt
wirken will und lernen wir
alles Leben in Zusammenhang
mit ihm zu sehen.
Ich glaube,
dann wird es gut.
Grundlegend gut.