„Geht hinaus!“ sagt Jesus
zu seinen Jüngern vor dem
Moment seiner Himmelfahrt.
Klarer kann man den Auftrag
der Christenheit nicht ins Wort
bringen. Oder?
Hinausgehen an die Ränder,
hinausgehen an die Peripherie,
dazu ruft auch Papst Franziskus auf.
Für ihn hat dieses Hinausgehen
stets auch etwas Konkretes.
Damals als Erzbischof von Buenos
Aires. Heute als Oberhaupt der Kirche.
Am Rand der argentinischen
Hauptstadt liegen die Elendsviertel,
die sogenannten „villas“, in denen
vor allem Einwanderer unter erbärmlichen
Bedingungen hausen.
Drogen und Prostitution gehören
hier bis heute zum Alltag.
Franziskus kam oft mit dem Bus
in die „villas“, um mit den Menschen
dort die Messe zu feiern, zu reden
und Suppe zu essen.
Das ist die erste Peripherie,
die der Papst meint: die unserer
Städte.
Die Kirche sei aufgerufen,
aus sich selbst herauszugehen
und an die Ränder zu gehen,
meint der Papst.
Er hat dabei nicht nur die
geographischen Ränder im Blick,
vor allem die Grenzen menschlicher
Existenz hat er im Auge:
Schuld,
Schmerz,
Ungerechtigkeit,
Ignoranz,
Krankheit,
Heimatlosigkeit,
Sehnsucht,
Elend.
„Geht hinaus!“
Dieses Hinausgehen hat für uns
heute an diesem Tag eine ganz eigene Note.
Ja, wir gehen hinaus.
Hinaus auf die Straßen unserer Stadt.
Mitten hinein in den Strom der Touristen,
die sich zum alljährlichen Stadtfest einfinden.
Vorbei an gefüllten Schoppengläsern und Gegrilltem.
Wie gesagt: Dieses Hinausgehen hat für uns
heute an diesem Tag eine ganz eigene Note.
Ist das die Peripherie, die Franziskus meint?
Vielleicht. Warum eigentlich nicht?
Vor allem die Grenzen menschlicher Existenz
werden hierbei greifbar, wenn auch versteckt.
Schuld,
Unvollkommenheit,
Schmerz,
Ungerechtigkeit,
Ignoranz,
Krankheit,
Heimatlosigkeit,
Sehnsucht,
Elend.
Aber nicht nur.
Als Christen bleiben wir
nicht nur aufgerufen in die Verstiegenheiten
dieser Welt und der Menschen und auch
in die eigenen einzusteigen.
Auch das Schöne, auch das Gute,
auch das Gelungene dürfen wir
erkennen und anerkennen.
Bei anderen
und bei uns selber auch.
„Geht hinaus!“
Warum sollen wir eigentlich hinausgehen?
Warum sollen wir aus uns herausgehen?
Warum sollen wir immer gehen?
Weil Gott ein Gott der Beziehung
und des Aufbruchs ist.
Christsein und dabei stillstehen,
das ist undenkbar, das geht gar nicht.
Das Hinausgehen
das“ Aussichherausgehen“.
das „Immergehen“
ist die Bewegung Gottes.
Unser Gott ist nichts
für Stubenhocker.
Er kreativ.
Er ist aufgeschlossen.
Er geht drauf zu.
Er geht aufs Ganze.
Darum muss der,
der ihm nachfolgt
ein Draufgänger sein.
Er muss hinausgehen können.
Er darf keine Angst haben.
Er soll kein Feigling sein.
Und noch einen anderen
Grund gibt es, der uns
dazu anhält hinauszugehen:
Man muss das tun,
um wirklich die Realität zu kennen
und das Leben der Menschen.
Wenn das nicht passiert, riskiert man
abstrakte Ideologen oder Fundamentalisten
zu sein. Ein Vorwurf, der unserer Kirche
und ihrer Vertreter oft ins Gesicht schlägt.
„Geht hinaus!“
Jesus selbst ist ein sehr
gutes Beispiel für christliches
Draufgängertum.
Er hielt sich nahezu immer
an der Peripherie auf,
an den Grenzen der Gesellschaft,
bei den Armen,
bei den Unterdrückten,
bei den Sündern,
bei den Ausgestoßenen,
bei den Gemiedenen.
„Geht hinaus!“
Wenn ein Mensch hinausgeht,
dann kann mit ihm das geschehen,
was manchem passiert,
der auf der Straße unterwegs
ist: ein Unfall.
„Aber ich sage euch“,
meint Franziskus, „ mir ist eine
verunfallte Kirche tausendmal
lieber und nicht eine kranke Kirche!“
Recht hat er.
Jesus hat nicht gesagt:
„Geht und arrangiert euch.“
Nein, das sagt er nicht!
Er sagt: „Geht! Ich bin bei euch!“
Gut zu wissen,
dass er mit uns geht.
Gut zu wissen,
dass er uns nicht allein losschickt.
Gut zu wissen, dass er uns
schon immer vorausgeht.
Gewiss, es ist einfacher,
sitzen zu bleiben und sich
um sich selber zu drehen.
Aber es ist eben nicht das,
was Jesus meint und von
uns will.
Hinauszugehen heißt auch,
den von der Kirche Enttäuschten
hinterherzugehen.
„Die großen Veränderungen
der Geschichte haben sich verwirklicht,
wenn die Realität nicht vom Zentrum,
sondern vom Rande aus betrachtet
wurde“, meint Franziskus einmal
zu einem Ordensoberen.
„Geht hinaus!“
Die Französin Madeleine Delbrel
war eine Draufgängerin wie sie
im Buche steht. Die Peripherie
war ihr Lebensraum gewesen und jene
Menschen, die sich dort aufhielten.
Sie schreibt einmal:
„Wenn Menschen in unserer Stadt
und in anderen Städten behaupten:
„Gott ist tot!“, wenn Christen, bewusst
oder unbewusst, dafür verantwortlich
sind, so bin auch ich, die ich heute lebe,
dafür verantwortlich …
Wenn wir dafür verantwortlich sind,
dass Menschen Gott verloren haben,
dann haben wir vielleicht daran zu leiden;
vor allem aber müssen wir ihnen Gott
zurückgeben.
Zwar können wir ihnen den Glauben
nicht geben, können aber uns
selbst geben.
Im Glauben haben wir Gott gefunden;
wir können ihn weitergeben,
wenn wir uns selbst geben –
und zwar hier in unserer Stadt.
es geht also nicht darum,
dass wir uns irgendwohin
davonmachen,
das Herz beschwert die Not
der anderen;
wir müssen vielmehr
bei ihnen bleiben,
mit Gott zwischen ihnen
und uns.“
Wir müssen vielmehr
bei ihnen bleiben …
und wenn wir es nicht sind?
Dann müssen wir uns wieder
neu auf den Weg zu ihnen
machen.
Deshalb:
„Gehen wir hinaus!“