Gott schauen.
Das wär eine Sache.
Ihn sehen, wie
er ist, das klingt reizvoll.
Geht aber nicht.
„Wer Gott sehen will,
muss auf mich blicken“,
meint Jesus. Seht ihr mich,
seht ihr ihn. Erkennt ihr
ihn, versteht ihr mich.
Jesus ist Gottes Sohn,
sein Fleisch und Blut.
In ihm begegnen wir Gott.
In ihm bekommen wir
den Vater zu greifen.
Durch ihn schaut
Gott uns selber an,
spricht er mit uns,
sagt uns zu, was
gesagt sein muss
über das Leben,
über den Menschen,
über den Sinn des Lebens
und des Tuns des Menschen.
Gott schauen.
Das wär eine Sache.
Ihn sehen, wie
er ist, das klingt reizvoll.
Geht aber nicht.
Wirklich nicht?
Wir können ihm begegnen.
Jeden Tag können wir auf ihn
treffen.
Wir fallen gleichsam
über ihn, wenn wir nicht
aufpassen.
Und genau darum geht´s.
Darauf aufzupassen,
wo und wie Gott uns
begegnen will.
Zu allererst im anderen.
In meinem Gegenüber will
Gott auf mich zukommen.
Vor dem Hintergrund
mancher Erfahrung mit
unseren Mitmenschen klingt
das komisch, ist aber so!
Jeder von uns ist ein
Abbild Gottes in dieser Welt,
vor ihr und vor den anderen
Menschen.
Der Gedanke ist gewagt.
Er kommt von Gott selber.
Der Psalm fragt nach:
„Wer sind wir dann,
dass an uns gedacht werden sollte?
Mensch, wer bist du,
dass du gewusst wirst?“
Und er gibt zugleich die Antwort:
„Göttertöchter sind wir und –söhne,
gekrönt mit unsichtbare Kronen,
in verfeinerte Körper gekleidet.
Und die ganze Erde ausgelegt
zu unseren Füßen, bis in die
fernsten Fernen, dass wir
sie behüten.
Henry Nouwen spricht
davon, dass der Mensch die Herrlichkeit
Gottes sei. Das muss man sich einmal
vorstellen und noch mehr -
auch einmal an sich heranlassen.
„Ich bin die Herrlichkeit Gottes.“
Klingt geradezu vermessen,
ist aber so.
Und jetzt die alles entscheidende
Frage. Die Frage, die weiterbringt,
weiterbringen soll:
Wenn es so ist, dass wir Abbilder
Gottes sind. Sie, ich, jedermann,
welches Bild machen sich dann
andere Menschen von Gott.
Die Frage hat es in sich.
Sie lässt einen erst einmal
tief Luft holen, vorausgesetzt,
man hat sie gleich verstanden,
was nicht selbstverständlich ist.
Man muss sie zweimal hören.
Mindestens.
Also noch einmal,
sozusagen zum Mitschreiben:
Welches Bild machen Menschen
sich von Gott, wenn ich sein Abbild
bin?
„Oh je“, wird vielleicht
der ein oder andere denken.
„Dann käme er ziemlich
schlecht weg, Gott.
Dann lieber doch nicht.
Lieber kein Abbild sein“
Aus dieser Sache kommen
wir aber schlecht raus.
Wir stecken sozusagen
bis zum Hals mitten drin,
ob wir es wollen oder nicht.
Wir sind Abbilder Gottes.
„Niemand hat Gott je
geschaut“, sagt die Lesung,
„wenn wir einander lieben,
bleibt Gott in uns und seine
Liebe ist in uns vollendet.“
Mit anderen Worten,
wenn wir uns lieben,
dann vermag Gott selber
in unserem Leben und
dem Leben anderer
greifbar zu werden,
dann nur kann er geschaut
werden.
Wenn wir darüber klagen,
dass Gott selber in dieser Welt
zu wenig zu erfahren sei,
liegt das dann mitunter daran,
dass wir einander zu wenig
lieben?
Das wäre eine mögliche
Schlussfolgerung, die sich
geradezu aufdrängt.
Vielleicht auch noch diese:
Dass zu wenig Menschen
damit rechnen, dass ihnen
Gott mitten in ihrem Alltag
ständig auf die Füße
tritt und ihnen in die Quere
kommt. Im anderen.
Vornehmlich.
Das Bewusstsein,
dass mir Gott im Anderen
entgegenkommt,
hat unausweichliche Konsequenzen
für mich und den anderen auch.
Menschen können sich gegenüber
nicht mehr länger so gebärden,
wie sie dies oftmals in unserer
Gesellschaft tun:
ohne Rücksicht auf den anderen,
ohne Achtung vor dem anderen,
ohne die Wertschätzung des anderen,
ohne Verantwortung für den anderen,
ohne Mitgefühl für den anderen …
Solche Haltungen bewirkt
allein der Geist Gottes.
Und es entscheidet sich
vieles an der Frage, ob
wir denn diesen Geist
in uns wirken lassen möchten,
oder „wes Geistes Kind“ wir
wirklich sein wollen.
Diese Entscheidung hat
Folgen für das ganze Leben.
Sie entscheidet über unsere
ganz persönliche Beziehung zu Gott,
der sich nun einmal keinen anderen
Weg dafür ausgesucht hat,
wie wir ihn erkennen können,
als über die Liebe zu Nächsten.
hat einmal diese Zeilen
verfasst:
Was ist die Welt?
fragt Stephanie Abgottspon
Wie ist die Welt?
Böse?
Die Welt hat dich gehasst.
Die Welt das sind die Menschen,
die Welt das sind wir.
Gott hat die Welt erschaffen,
Gott trägt und hält die Welt
Gott sah, dass alles gut ist.
Ist die Welt gut?
Ist „alles“ gut?
Die Welt ist wie sie ist.
Die Welt kann gut oder
zumindest besser sein für alle,
wenn Menschen sich darum bemühten.
Die Nebenwirkungen
liegen auf der Hand.
Wir alle wären Gott
um ein ganzes Stück
näher gekommen.
Fast zum Schauen näher
gekommen.