Verschwunden.
Einfach so!
Und nichts bleibt mehr übrig.
Und keiner weiß wohin.
Und keiner weiß wo.
Und das Leben gerät
aus den Fugen.
Nichts gibt mehr Halt.
Nichts lässt mehr hoffen.
Nichts bleibt mehr überschaubar.
Die große Lebenseinstellung
vieler unter uns ist die:
Wir haben die Welt im Griff.
Wir überschauen die Orte
und die Dinge um uns herum.
Es gibt keinen Grund zur Sorge.
Doch wenn dann,
einfach so,
ein Flugzeug vom Himmel
verschwindet,
dann macht sich eine neue
Einsicht breit:
Ganz sicher ist kaum etwas.
„Bald“ wird schnell zu „nie“
Das Geschehen zwischen
Himmel und Erde ist nicht
zu überschauen.
Wir haben die Welt nicht
im Griff.
Für manches unter der Sonne
haben wir nicht einmal
einen Begriff,
vielmehr nur ein Stottern,
blankes Entsetzen übrig.
Die Hoffnung,
dass das Schicksal des
malaysischen Flugzeugs
bald aufgeklärt wird, besteht.
Vielleicht werden sich
auch die Rätsel um anderes,
das verloren ging,
einfach so verschwunden ist,
lösen.
Was aber ist mit all dem,
das verschwunden bleibt?
Verschwundene Gedanken.
Verschwundene Ideen.
Verschwundene Völker.
Verschwundene Kulturen.
Verschwundene Sprachen.
Verschwundene Schriften.
Verschwundene Beziehungen.
Verschwundene Liebe.
Verschwundene Menschen.
Verschwundene Hoffnung.
Verschwundenes Vertrauen.
Verschwundenes Zutrauen.
Verschwundener Glaube.
Verschwundener Gott.
Manchmal,
in seltenen Stunden,
spürst du auf einmal
nahe dem Herzen,
am Schulterblatt schmerzlich
die Stelle, an der uns,
wie man erzählt, vor
Zeiten ein Flügel bestimmt
war, den wir verloren.
Manchmal
regt sich dann
etwas in dir, ein Verlangen,
wie soll ich´s erklären,
ein unwiderstehliches Streben,
leichter und freier zu leben
und dich zu erheben
und hoch über allem zu schweben.
Manchmal,
nur einen Augenblick lang –
dann ist es vorbei –
erkennst du dein wahres
Gesicht, du ahnst, wer du
sein könntest und solltest.
Dann ist es vorbei.
Und du bist, wie du bist.
Du tust, was zu tun ist.
Und du vergisst.
Lothar Zenetti
Gibt es vielleicht doch einen Gott,
der alles in seinem Gedächtnis behält?
Der an uns denkt.
Weit über die eigenen
Möglichkeiten des menschlich
Machbaren und Verstehbaren hinaus?
Auch über den Tod hinweg?
Dem nichts aus der Hand gleitet?
Der wirklich alles im Griff hat?
Es schließlich zum Guten führt?
Das Unwissen darum
bleibt für uns Menschen ein
Sicherheitsrisiko.
Unser Bedürfnis nach gänzlicher
Überschaubarkeit
wird nie gestillt werden.
Auch unser Glauben
vermag dieses Bedürfnis
nicht zu besänftigen.
Und wenn dann das Grab leer ist.
Und wenn dann der Gesuchte verschwunden ist.
Und wenn dann nur noch ein paar Leinenbinden übrig bleiben.
Und wenn wir selber nur noch
stottern und unsere Erklärungsversuche:
Vielleicht entführt …
Möglicherweise weggelaufen …
Irgendwo abgeblieben …
in blankes Entsetzen münden.
Und wir für das, was nicht
zu begreifen ist, nicht einmal
selber einen Begriff
zur Verfügung stellen können,
dann greift mitunter ein
anderes Wort,
ein Wort,
das wir uns nicht selber sagen können,
das wir nur stotternd nachsagen können,
das uns von anderer Stelle gesagt
werden muss:
Auferstanden!
Neuer Frühling
Eine Kleinigkeit
ist anders dieses Jahr:
An der Bohlenbrücke hat
ein Baumpilz angesetzt.
Tief korallenrot und wunderbar
wird ein Rest von Zellulose umgesetzt.
Diese Farbe, diese Farbe!
Und die Form ist auch sehr schön:
Blumenhaft. Wie um die Narbe
eines Blütenstempels stehn
Keimlinge, von Tau befeuchtet.
Rund wie Tropfen oder Perlen.
Und ihr neues Feuer leuchtet
neben den bekannten Erlen.
Ohne Ende Möglichkeiten:
Aus der alten Erle heben
sich die Keimlinge zu Zeiten:
Aufspringt rot der Funke
Leben.
Eva Strittmatter
Warum tragen wir
Menschen unaufhörlich die Angst
in uns, als wäre immer noch
nicht Ostern?
Beurlauben wir endlich
doch die Wächter am Grabe,
tun wir die verschlossenen Türen
auf, denn Jesus ist auferstanden!
Wer dies zu glauben wagt,
springt über Mauern,
tanzt gegen die Angst,
singt sich Mut zu.
Wer dies zu glauben wagt,
betäubt sich nicht,
gibt sich nicht auf,
sieht nicht alles schwarz.
Wer dies zu glauben wagt,
weiß sich von Gott gehalten,
auch ohne Antwort,
auch mit seinen Zweifeln.
Wer dies zu glauben wagt,
der lebt.