Da steht er.
So wie wir ihn kennen.
Johannes.
In der Wüste.
Mit einem Gewand aus
Kamelhaaren,
einem ledernen Gürtel
um seine Hüften.
Einfach lebt er.
Honig und Heuschrecken
sind seine Nahrung.
Und Frau wie Mann
und Jung wie Alt,
und Klein wie Groß
zieht es hinaus.
Zu ihm hin,
um zu hören, was er
zu sagen hat
und um sich zu vergewissern,
ob er nicht selber gar
der Messias sei.
Ist er nicht!
Alles weist auf
einen anderen hin.
Offen und ehrlich
sagt auch Johannes:
„Nach mir kommt
einer, der stärker ist als ich,
ich bin es nicht wert,
mich zu bücken,
um ihm die Schuhe
aufzuschnüren.
Ich taufe euch mit Wasser.
Er tauft mit dem Heiligen
Geist.“
„Ich bin es nicht wert …“
Wer unter uns ist
es schon wert, Gottes Sohn
die Schuhe aufzuschnüren?
Bleiben wir bei diesem Bild
und fragen weiter:
Wer unter uns ist
es schon wert, vor Gott
zu treten und ihm
zu begegnen?
Vor dem Empfang der Kommunion,
noch bevor wir an den gedeckten
Tisch treten, an den wir geladen sind,
sagen wir von uns selber:
„Herr, wir sind es
nicht wert,
dass du zu uns kommst.
Wir sind es nicht wert,
dass du in unser Haus
eintrittst.
Wir sind es nicht wert,
dich zu schauen und dir
zu begegnen.“
Denken wir nicht so klein
von uns. Ziehen wir den Kopf
nicht ein, vor dieser Wirklichkeit,
die mit Gott in die Welt gekommen ist
und uns alle betreffen will.
Selber mögen wir vielleicht denken,
dass wir es nicht wert sind.
Vielleicht stimmt es sogar.
In unseren Augen.
Nach unseren Maßstäben.
Aber:
Wir sind es Gott wert.
Das ist das Entscheidende.
Alles andere ist nicht
von Belang.
Wir sind es Gott wert,
dass er Mensch wird.
Wir sind es Gott wert,
dass er sich zu uns hinunterbückt.
Wir sind es Gott wert,
dass er sich eines jeden einzelnen
in seiner Herausforderung
annimmt.
Wir sind es Gott wert,
seinen eigenen Kopf und Kragen
einzusetzen für jeden von uns.
Wir sind es Gott wert,
für uns zu sterben.
Und wir sind es Gott wert,
dass er keinen von uns verloren
gehen lässt,
ihm vielmehr nachrennt,
wie ein kopflose Hirte, den
die Angst um das eine verlorengegangene
Schaf so sehr beunruhigt, ja geradezu
verrückt werden lässt.
„Was ist der Mensch,
dass du an ihn denkst,
des Menschen Kind, dass
du dich seiner annimmst? “ PS 8
Ich sehe vor meinem inneren Auge
den betenden Mann,
der die Zeilen dieses Psalms
spricht, kopfschüttelnd
und fassungslos.
In der Tat:
Es ist nicht zu fassen,
warum Gott sich auf
uns Menschen einlässt.
Es bleibt unbegreifbar.
Es bleibt unergründbar.
„Erklär mir, Liebe!“
ruft die Schriftstellerin
Ingeborg Bachmann
der Liebe entgegen,
weil sie um die Geschehnisse
in der Welt wissen will,
weil ihr so vieles unverständlich
erscheint, das um sie herum
passiert und auch mit ihr.
Doch die Liebe scheint
ihr keine Antwort zu geben.
Auch wir bekommen keine
andere Antwort als die,
die Gott gegeben hat.
In seinem Sohn.
In Jesus,
dem Christus.
Im Johannesbrief heißt es:
„Die Liebe Gottes wurde
uns dadurch offenbart,
dass Gott seinen einzigen Sohn
in die Welt gesandt hat,
damit wir durch ihn leben.“ 1 Joh 4,9
Gott ist die Liebe.
Liebe kann man nicht begreifen.
Aber die Absicht dessen,
der einen anderen Menschen
liebt sehr wohl.
Es ist die Absicht Gottes,
dass der Mensch
Leben habe.
Unverstelltes
freies,
heiles,
erlöstes Leben.
Ein Leben voll des Friedens,
in dem der Mensch
eins mit sich,
eins mit dem anderen,
eins mit seinem Gott
und völlig versöhnt ist.
Darum sind wir es wert.
Darum sind wir es ihm wert.
Darum sind wir es Gott wert.
Und darum dürfen wir
Menschen mit einer Haltung
durch dieses Leben gehen,
die darauf vertraut,
dass Gott mit seiner ganzen
Gegenwart jetzt schon da
ist – mitten unter uns
und auch für uns.
Ob wir ihn erkennen
oder nicht.