Es ist eine Szene,
die mich ganz tief berührt.
Was sich da im Tempel
ereignet, das lässt
mich nicht gleichgültig sein.
Ich spüre ganz viel an Wärme,
die diesem Ereignis innewohnt.
Ich empfinde auch einen tiefen
Frieden, den die Menschen
dort ausstrahlen.
Simeon zunächst.
Gewiss ein alter Mann.
Ein sehr alter Mann.
Aber ein Mann,
der in seinem Leben nie
aufgehört hat, zu hoffen,
zu glauben und den Weissagungen
der Propheten seines Volkes
zu trauen.
Tag für Tag schleppt er
sich in den Tempel.
Tag für Tag verrichtet er
seine Gebete.
Tag für Tag ist er des
Glaubens, dass er
den Messias schauen darf
und endlich sterben kann.
Ich weiß nicht wie lange
er gewartet hatte.
Die Zuversicht, dass
das Leben eben noch mehr
für ihn bereithalten sollte,
als das, was er bislang
erleben musste, hält
ihn aufrecht und bringt
ihn immer wieder
auf den Weg zum Ort
des Gebets nach Jerusalem.
Gemäß der Vorschrift
des Gesetzes machen sich
eine Frau und ein Mann
auf den Weg zum Tempel.
In ihren Armen ein Kind.
Lange Zeit haben sie gebraucht,
um endlich dort anzukommen.
Vieles haben sie bis dahin
mitgemacht.
Auch diese Szene hat etwas
ganz Zerbrechliches für mich
an sich.
Mein Blick fällt dabei
auf das Kind.
Gerade erst geboren.
Gerade erst Mensch unter
Menschen geworden.
Hilflos,
wehrlos,
der Welt und ihren Launen
ausgesetzt und dies
bis zum Ende seines Lebens.
Die Frau und der Mann
opfern ein paar Tauben.
Das ist nicht viel.
Das ist bedeutend wenig.
Sie haben nicht viel.
Außer vielleicht
dieses innige Gefühl,
eine Familie zu sein.
Zusammenzustehen.
Zusammenzugehören.
Trotz aller Umstände,
die die Geburt ihres Kindes
ausmachen und sicherlich
auch belasten.
Im Tempel stoßen sie
aufeinander:
Die Frau, der Mann,
das Kind und der Alte.
Eine schicksalsträchtige Begegnung.
Eine Begegnung, die alles verändert.
Ein Zusammenkommen, das die Augen
öffnet, Verständnis schafft
und Unsicherheit zugleich
hervorruft.
Der Alte findet seinen Frieden.
Der Alte kann loslassen.
Der Alte hat sein Lebensziel erreicht.
Der Alte hat den Erlöser gefunden.
Der Frau aber steht das
Schwert sichtbar vor ihrem inneren
Auge, das einmal ihre Seele
durchdringen wird.
Der Alte kann in Frieden scheiden.
Für die Frau, den Mann und das Kind
wird sich zeigen, dass ein solcher Frieden
nicht ewig andauern kann,
nicht auf Erden,
nicht unter Menschen,
nicht in dieser Welt.
Dieser Augenblick im Tempel
lässt sich schwer hinüberretten
in den gewöhnlichen Alltag.
Dort haben ganz schnell wieder
andere Dinge das Sagen,
Macht und Gewalt,
Neid und Missgunst,
Eifersucht und Intrige,
Zerstörung und Tod
das Wort.
So ist diese Welt
und so ist sie geblieben,
bis heute.
Es ist eine Szene,
die mich ganz tief berührt.
Was sich da im Tempel
ereignet, das lässt
mich nicht gleichgültig sein.
Ich spüre ganz viel an Wärme,
die diesem Ereignis innewohnt.
Ich empfinde auch einen tiefen
Frieden, den die Menschen
dort ausstrahlen.
Und ich frage mich,
ob sich denn wirklich
nichts davon hinüberretten lässt
in unsere Welt,
in unseren Alltag?
in unser Miteinander?
Ob es denn tatsächlich so sein
muss, wie es uns vieler Orten
und andauernd vermittelt wird,
dass Krieg und Terror,
dass Streit und Unfrieden,
dass Macht und Gier,
dass Gewalt und Töten
unser Leben so sehr
beeinflussen?
Die Welt braucht Menschen
wie Simeon, die voller Sehnsucht
sind und sich nicht der Hoffnungslosigkeit
dieser Welt anpassen.
Die Welt braucht Menschen
wie Simeon, die es Tag für Tag
dazu antreibt, den Erlöser zu erwarten
und bereit sind, ihn in dem ganzen
Wust dieser Welt und des Lebens
zu erkennen.
Die Welt braucht Menschen
wie Simeon, die bereit sind,
vom Leben noch mehr zu erhoffen,
als das, was sie bisher vom Leben
begriffen und verstanden haben.
Die Welt braucht
Menschen voller Sehnsucht
nach Gott.
Wir selber
haben die besten Voraussetzungen
dazu, zu solchen Menschen
werden zu können.
Der Glaube schafft sie.
Doch haben wir auch
den Mut dazu?
Deutlich,
wie ein Kompass,
der zitternd Auskunft gibt
und dennoch verlässlich ist,
der nicht täuscht
und nicht lügt,
so sollten wir sein,
wenn es darum geht,
die Richtung beizubehalten,
den unbeirrbaren Kurs
auf das, was lebt
und Leben spendet
und auch uns am Ende
der Zeit
in Frieden heimkehren
lässt.