Hoppla!
Das bin ich nicht
gewohnt.
Damit habe ich
nicht gerechnet.
Der, der ansonsten
niemand übergeht,
der, der sich ansonsten
jedem Menschen zuwendet,
der, der zwischenmenschliche
Konventionen über den Haufen
wirft und ignoriert,
zeigt jetzt einer Frau gegenüber
die eiskalte Schulter.
Aber die Frau lässt sich
nicht beirren. Anscheinend
weiß sie auch um das Andere:
Dass Jesus sich der Menschen
erbarmt, losgelöst von deren Ansehen
und Aussehen, deren Stand
und Religion.
Das macht ihr Mut.
Und sie schreit ihnen nach,
Jesus und den Jüngern.
So sehr, dass selbst die Jünger
es nicht mehr länger hinnehmen
wollen und Jesus eindringlich
darum bitten, sich dieser
Frau endlich doch anzunehmen,
bevor es gänzlich peinlich
für sie alle wird.
Jesus bleibt unbeeindruckt.
Im Gegenteil.
Er besteht auf seiner Haltung
der Frau, einer Heidin, gegenüber.
Seine Erklärung haben wir
noch im Ohr:
„Ich bin nur zu Israel gesandt.“
Oha!
Auf diesen Einwand
war ich nicht vorbereitet.
Weniger zumindest
als die Frau es war.
Denn:
Die lässt nicht nach.
Die lässt nicht los.
Ganz schön penetrant,
diese Alte. Oder?
Handbuch der Mutigen,
heißt ein Buch von Ulrich Schaffer.
Er erzählt darin von mutigen
Menschen und er schreibt:
Der Mutige vertraut
auch noch nach vielen Enttäuschungen.
Er führt nicht Buch über seine
Verletzungen. Er rechnet sie
nicht auf gegen die Erfüllung,
die er auch mit Menschen erlebt
hat …
… Er hat es zu seiner wichtigsten
Übung gemacht, jeden Tag
immer wieder neu zu beginnen.
Er sieht jeden Morgen als Moment
der Verheißung …
… Er glaubt, dass es besser ist zu
vertrauen und gelegentlich
enttäuscht zu werden, als gar
nicht mehr zu vertrauen.
Sein Mut beruht auf dem Wissen,
dass sich die Welt auftut
und zugänglich wird,
wenn ein Mensch vertraut.
So hat er den Begriff
„grundlegendes Vertrauen“
für sich entdeckt.
Früher brauchte er immer
einen Grund, um zu vertrauen.
Jetzt vertraut er oft ohne Grund
und legt schon mit diesem
Vertrauen den Grund.
Häufig beginnt bei seinem
Gegenüber durch seinen
Vorschuss an Vertrauen
eine Veränderung.
Beide können sie den
Fuß in die Luft setzen,
und sie erleben,
dass sie trägt.
Wirklich!
Am Ende der Begegnung
trägt die Luft, beide.
Jesus und die Frau
und zudem jene Tochter,
von der die Rede ist.
Es gibt Menschen unter uns,
die das Vertrauen
in das Leben,
in andere Menschen,
in Gott schon lange
aufgegeben haben.
Es gibt Menschen unter uns,
die sehen sich als Opfer der Welt,
weil sie allzu viel von ihr erwartet
haben
an Zuvorkommenheit,
an Beachtung,
an Zuwendung,
an Aufmerksamkeit,
an Liebe,
an Verstehen …
Diese Erfahrung
machte sie mutlos.
Und so gehen sie
ihren eigenen Weg bis heute
durch die Straßen unserer
Städte:
Enttäuscht.
Verbittert.
Frustriert.
Resigniert.
Unzufrieden
mit sich,
mit anderen,
mit der Welt
mit dem Leben,
mit Gott.
Dabei sind ihre Erfahrungen
nicht viel anders als jene Erfahrungen,
welche die anderen Menschen machen,
die, die weitaus welt-, lebens-,
menschenzugewandter
durchs Leben gehen;
die genau so wie sie,
sich immer wieder verbrennen,
wenn sie in eine Flamme fassen,
oder nass werden, wenn sie
im Regen stehen und
die genauso viel Angst
haben wie sie.
Was macht den Unterschied aus?
Worauf kommt es an?
Es kommt darauf an,
wie ich mit den Erfahrungen,
die ich mit dem Leben
mache umgehe.
Wenn ich vergnüglich
mit einem Freund im
Regen gehe, oder mit Kindern
durch die Pfützen springe,
dann macht es
mir wenig aus, dass es regnet.
Wenn ich mich verbrenne,
weil ich jemanden zu Hilfe gekommen
bin und gerettet habe, dann werde
ich meine Verbrennung
als gering erachten,
weil ich einem anderen Menschen
das Leben bewahren konnte.
Ich habe Angst vor dem nächsten Schritt,
vor der längst überfälligen Entscheidung,
aber wenn ich dadurch etwas über die
Welt und das Leben lerne und
auch über mich selber und zudem
auf meinem Lebensweg voranschreiten
kann, bin ich bereit, die Angst in Kauf
zu nehmen.
Noch einmal:
Was macht den Unterschied aus?
Worauf kommt es an?
Dass die zuletzt Genannten
keine Angst vor der Angst haben.
Dass sie sich vielmehr auf
ihren Mut konzentrieren.
Sie sind dabei nicht
anders als die anderen,
denn Angst zu haben ist
menschlich.
Aber in Ängstlichkeit
zu verharren ist etwas,
wogegen sie sich
ganz bewusst entschieden
haben.
Die kanaanäische Frau
hat genau dies gewagt
gegen alle Konventionen,
gegen besseres Wissen,
gegen die Erfahrung
und sie hat dabei erfahren,
dass die Luft trägt.
Nein: Nicht nur,
dass die Luft trägt.
Vielmehr,
dass Gott trägt,
dass auf Gott Verlass ist,
dass man mit Gott rechnen
darf, gegen alle
Erfahrungen, die uns
das Leben lehrt.
„Dennoch“ eben.
Glauben Sie,
dass Sie den Mut wählen
können?
Glauben Sie,
dass Sie die Grenze, ab
der Sie nicht mehr vertrauen
können, verschieben können?
Glauben Sie, dass es
möglich ist,
so zu leben,
wie diese Frau,
von der uns das Evangelium
erzählt
mit Mut,
mit Vertrauen,
mit Glauben oder machen Sie
immer noch die Welt und die anderen
für Ihr eigenes Schicksal
und Ihre eigenen Entscheidungen
verantwortlich?