Vom Kreuz ist die Rede.
Davon, dass man das Kreuz
auf sich nehmen soll.
Von der Nachfolge ist die Rede,
davon, dass man sich selbst verleugnen soll.
Und schließlich ist die Rede davon,
dass wer an seinem
Leben festhält, dieses verlieren wird.
Diese Worte wiegen schwer.
Sie haben etwas Berückendes an sich.
Und: Sie fordern zunächst einmal dazu heraus,
sich gegen sie aufzulehnen.
Sie abzuwehren.
Sie erst gar nicht richtig hören zu wollen.
Wer greift schon gerne aus
nach dem Kreuz?
Wer nimmt sich tatsächlich gerne
mit seinen Bedürfnissen zurück?
Und wer hält nicht an dem bisschen Leben,
das ihm geschenkt ist, fest?
Dabei wissen wir nur zu gut,
dass jeder Mensch sein Kreuz zu tragen hat.
Dieses Päckchen, das einmal leichter und ein anderes Mal
schwerer auf seinen Schultern wiegt und lastet.
Und dass nicht alle Sehnsüchte, die der Mensch
in seinem Herzen mit sich trägt, Erfüllung finden.
Und wie schnell es aus und vorbei sein kann
mit diesem bisschen Leben.
Viele Menschen in vielen Teilen der Welt
tragen heute eindeutig das Kreuz.
Für die in großer Armut Lebenden
ist es das Kreuz himmelschreiender
sozialer Ungerechtigkeit.
Wir in den Wohlstandsländern tragen eher
das Kreuz zerbrochener Beziehungen
und angeknackster Psychen.
Und allen gemeinsam ist,
dass sich dieses für die meisten
nicht wie das Kreuz anfühlt,
sondern ganz einfach nur als Leiden.
Der Mensch leidet:
Unter Armut.
Unter Angst.
Unter Beziehungslosigkeit.
Unter Einsamkeit.
Unter Verständnislosigkeit.
Unter Ausgrenzung.
Unter Ablehnung.
Unter Stress.
Unter Krankheit.
An dieser Welt.
An den anderen.
Und: An sich selber.
Jede Zeit hat ihre eigenen Leiden.
Jeder Zeit kennt ihre eigene Art Leiden.
Im Glauben geht es um die Frage,
was man aus seinem Leiden macht.
Richard Rohr, der in seinem neusten Buch
eine Art Selbstbesinnung des Christentums
in der Gegenwart unternimmt, meint:
Wir haben es verlernt mit dem Leiden etwas
anfangen zu können. Die Spiritualität,
der „Umsetzer“, der aus dem Leiden etwas
Besseres macht, scheint in Vergessenheit
geraten zu sein.
In einer Kultur, ohne transzendente Mitte,
gibt es niemanden mehr, dem man sein Leiden
übergeben kann.
In einer Kultur ohne das starke Bild
von Kreuz und Auferstehung
hat unser Leiden allen Sinn verloren.
(vgl. R. Rohr, Hoffnung und Achtsamkeit, S. 39)
In der Tat:
Wenn ein Mensch nicht mehr weiß,
dass es Gott gibt,
dass er gut ist,
er ihm vertrauen kann
und er auf seiner Seite ist,
bekommt er offensichtlich gewaltige
Probleme.
Sein Schmerz schießt dann in alle Richtungen
und überall nur ins Leere.
In dieser Verfassung sind viele Menschen heute.
Und deshalb weichen sie dem Kreuz aus
und dem Leiden.
Und deshalb wollen sie möglichst
viel vom Leben mitbekommen,
das, was Spaß macht,
das, was ablenkt von den Problemen
der anderen und auch den eigenen.
Und deshalb hängen sie so sehr
an diesem bisschen Leben,
das sie haben.
Wir haben es verlernt mit dem Leiden etwas
anfangen zu können.
Jesus selbst lässt sich im Augenblick
seines größten Schmerzes auf Gott hin los.
Er empfiehlt sich uns sein ganzes Schicksal
in Gottes Hand. Das ist seine Weise,
mit seinem Leid etwas anzufangen.
Diese selbstlose Hingabe
an etwas unendlich Größeres
ist ziemlich selten.
Aber wenn sie geschieht, geht machtvoll
heilende und versöhnende Wirkung von
ihr aus.
Dann geschieht Ostern,
dann geschieht Pfingsten
dann geschieht Auferstehung
mitten am Tag.
Dann beginnen wir zu ahnen und zu erfahren,
was Gott mit unserem Leben gemeint hat,
als er es schuf.
In ein und demselben Moment,
geben wir uns Gott hin,
sterben uns selbst
und er-stehen zum großen Leben.
Wir haben es verlernt mit dem Leiden etwas
anfangen zu können.
Jesus lädt uns an anderer Stelle dazu ein,
mit all dem, was schwer auf uns niederliegt,
mit dem ganzen Wust unseres Lebens,
mit dem, was uns immer wieder so sehr in
die Tiefe reißt und am Leben und an Gott
fast verzweifeln lassen will, zu ihm zu kommen.
Kommt all zu mir, die ihr euch plagt und
schwere Lasten zu tragen habt,
ich werde euch Ruhe verschaffen.
Nehmt euer Joch auf euch
und lernt von mir. (Mt 11,28ff)
Und er lädt uns ein, der Vision
zu trauen, die wir alle in unseren Herzen tragen
und die von einem neuen Himmel und einer
neuen Erde erzählt,
davon, dass Gott in unserer Mitte wohnen wird,
dass es dann keinen Tod mehr geben wird
und keine Klage und keine Mühsal,
und keine einzige Träne mehr
(Offb 21),
und dass Gott selbst aus unserem Leid
ein Besseres machen wird.
Das setzt voraus,
… dass wir lernen, mit unserem Leiden etwas anzufangen
und dass wir auf Dauer der Erfahrung des Kreuzes
nicht ausweichen dürfen, wenn wir tatsächlich Erlösung erfahren
wollen.
… dass wir uns darüber im Klaren sind,
was es auf sich hat mit unseren eigenen Bedürfnissen
und dem Verlangen nach ihrer Befriedigung
und dass wir nicht immer alles erreichen können,
manchmal auch nicht erreichen dürfen.
… dass wir das Leben mit seinen Grenzen
und Bedingtheiten anzunehmen bereit sind
und daran glauben, dass einer diese Grenzen
zu überwinden vermag, einer,
der am Ende unseres Lebens zu uns sagen wird:
Seht, ich mache alles neu.
Wer durstig ist, den werde ich umsonst
aus der Quelle trinken lassen,
aus der das Wasser des Lebens strömt.
Ich werde sein Gott sein und
er wird mein Sohn sein. (Offb 21)
Zugegeben ein hoher Preis
und eine Herausforderung an den glaubenden
Menschen allemal,
aber nur so können wir
Rettung erfahren
und das Leben gewinnen.