Die Worte haben es in sich.
Mächtig sind sie und stark.
Unverrückbar und endgültig
sind sie und beeindruckend
allemal:
„Er hat uns der Macht der Finsternis entrissen…
Durch ihn haben wir die Erlösung…
Durch ihn haben wir die Vergebung der Sünden…
Alles wurde in ihm erschaffen…
Alles hat in ihm Bestand…
Alles ist auf ihn hin geschaffen…
Er ist das Haupt…
Er ist der Ursprung…
Gott wohnt mit seiner ganzen Fülle in ihm…“
(Kol 1,12ff)
Paulus formuliert in seinem Brief an die Kolosser,
wesentliche Aussagen christlichen Glaubens.
Er bringt ein alle verpflichtendes
Bekenntnis ins Wort.
In seinen Worten darf sich auch unser
eigener Glaube aufgehoben wissen.
Schon als Student
hatten mich diese Worte
ungemein beeindruckt.
Immer wieder las ich sie.
Betete sie im Stundengebet der Kirche.
Sie gaben mir Kraft.
Sie weckten meine Zuversicht.
Sie stärkten meine Hoffnung.
Ja, so stellte ich mir Christus vor.
Einem solchen Christus wollte ich
meinen Glauben schenken und mein Vertrauen.
Einem solchen Christus, wollte ich angehören
und nachfolgen.
Einem solchem Bekenntnis konnte ich
mit meinem ganzen Herzen zustimmen
und auch der Gewissheit,
dass durch ihn die Welt und mein eigenes
kleines Leben gerettet sein würden.
„Er hat uns der Macht der Finsternis entrissen…
Durch ihn haben wir die Erlösung…
Durch ihn haben wir die Vergebung der Sünden…
Alles wurde in ihm erschaffen…
Alles hat in ihm Bestand…
Alles ist auf ihn hin geschaffen…
Er ist das Haupt…
Er ist der Ursprung…
Gott wohnt mit seiner ganzen Fülle in ihm…“
(Kol 1,12ff)
Doch welch ein Gegenbild entwirft
das Evangelium hierzu!
Ein vermeintlicher Verlierer hängt da am
Kreuz zwischen zwei anderen Verbrechern.
Geschlagen, gedemütigt,
verspottet, verhöhnt
und wie die beiden
anderen zum Tod verurteilt.
Welch aberwitzige Idee,
dass die Insignien des Schmerzes Jesu
Halt bieten könnten.
Aber so sehen sie aus:
Lang und spitz die Nägel
durch Hände und Füße,
spitz auch die Dornen,
aus denen sich Jesu Krone formt.
Der Blick auf den Gekreuzigten
entzieht jeder Gewissheit hinsichtlich des Bestands
menschlichen Lebens auch über seinen Tod
hinaus den Boden,
denn der, an dem sich diese Gewissheit
festmacht, hat in diesen Augenblicken
selber den Boden unter seinen Füßen
verloren.
Blutüberströmt entbehrt sein Angesicht
jener Macht und Stärke,
wie sie uns Paulus zu vermitteln versucht.
Gewiss auch jetzt wohnt Gott
mit seiner ganzen Fülle in ihm.
Kein Zweifel.
Aber dieser Gott
hängt jetzt am Kreuz.
Das ist für seine Anhänger
die größte Katastrophe.
Ihr Aus.
Ihr Ende.
Doch in dem Augenblick,
in dem sich die Getreuen
von ihm abwenden und
gewillt sind, sich still
und leise zurückzuziehen,
formuliert sich eine Überzeugung
und eine Gewissheit durch all
das Schreckliche dieser Szene
hindurch.
Ausgerechnet ein Verbrecher, ein
selber zum Tode Verurteilter bekehrt sich
und erkennt hinter der Maske
des Schreckens und unter der Krone
aus Dornen die Wahrheit dessen,
der an seiner Seite dahinstirbt.
Da ist einer, der sich nicht
beeindrucken lassen will, von dem,
was in diesen Tagen in Jerusalem
geschieht - von dem, was Jesus
geschieht.
Da ist einer, der hält vielmehr an dem fest,
was ihm immer wieder über
Jesus zu Ohren gekommen ist.
Da ist einer,
der im Stachel
den Halt sieht,
im Leidenden den Retter,
im Erschöpften den Erlöser,
im Gequälten den Gekrönten,
im Sterbenden den Gott.
Gerade jetzt, angesichts seines
eigenen Sterbens und Todes,
bricht diese Einsicht hervor.
„Jesus, denk an mich, wenn du in dein
Reich kommst.“ (Lk 23,35 ff)
In dieser Bitte steckt alles drin:
Die Verzweiflung dieses Mannes.
seine Verlassenheit am Kreuz,
sein erbärmliches Dahinvegetieren,
sein Versagen und seine Schuld,
die ganze Aussichtslosigkeit seines
erbärmlichen Lebens
und sein Glaube,
dass nur er, Jesus, retten
kann.
„Jesus, denk an mich, wenn du in dein
Reich kommst.“ (Lk 23,35 ff)
Jesus nimmt die Verzweiflung
des Mannes neben sich wahr
und erwidert wie nur jemand erwidern kann,
der der Finsternis entreißen kann…
der Sünden vergeben kann…
in dem alles geschaffen wurde…
in dem alles Bestand hat…
auf den hin alles geschaffen ist…
der das Haupt ist…
der der Ursprung ist…
in dem Gott mit seiner ganzen Fülle wohnt,
der König ist, mit einem Reich, nicht von dieser Welt,
der Christ König ist:
„Heute noch wirst du mit mir
im Paradies sein.“ (Lk 23,35 ff)