Der schweizer Schriftsteller
und reformierte Pfarrer Kurt Marti
hat einmal geschrieben:
Ihr fragt, gibt es eine Auferstehung der Toten?
Ich weiß es nicht
Ihr fragt, gibt es keine Auferstehung der Toten?
Ich weiß es nicht.
Ich weiß nur, wonach ihr nicht fragt:
Die Auferstehung derer, die leben.
Ich weiß nur, wonach Er uns ruft:
Zur Auferstehung heute und jetzt.
Ich muss gestehen,
als ich diese Worte zum ersten Mal las,
habe ich gedacht:
Ist das die Antwort eines Pfarrers auf die Frage
nach der Auferstehung von den Toten;
auf die Frage nach dem ewigen Leben?
Doch als ich über diese Worte weiter nachdachte,
da kam mir die Einsicht: Er hat ja eigentlich recht.
Wissen ist ja etwas anderes als Glauben.
Und wissen tun wir eigentlich nicht,
ob es eine Auferstehung der Toten gibt.
Und richtig ist gewiss auch,
wenn er sagt, dass Jesus uns zur Auferstehung ruft,
heute, hier und jetzt.
Denn so fing es ja schließlich an:
Dass Jesus den Menschen Mut machte,
nicht mehr sich zu ducken unter dem schweren Gewicht der Angst,
sondern den Kopf zu erheben und der Stimme des eigenen Herzens zu trauen.
Habt keine Angst, sagte er,
vor denen, die nur dem Gesetz hörig sind und damit den Menschen zerstören.
Habt keine Angst und sorgt euch nicht um euer Leben.
Auferstehung geschieht jetzt.
Sie ist ein laufender Prozess:
Ein Mensch hat sich einem anderen Menschen
in Liebe und mit der Bereitschaft zur Versöhnung geöffnet.
Hier ist Auferstehung geschehen.
Menschen haben untereinander gerechtere
und brüderlichere Beziehungen hergestellt.
Hier verwirklicht sich Auferstehung.
Es hat eine Verbesserung der Lebensumstände,
besonders für die Unterdrückten und Abgeschriebenen gegeben.
Hier zeigt sich Auferstehung.
In einem späteren Interview hat Kurt Marti
seine Gedanken erläutert und gesagt,
was er mit seinen Worten von der Auferstehung meinte:
Dass wir uns nicht trösten mit irgendeinem Leben nach dem Tod
und jetzt diese Welt ihrem Schicksal überlassen dürfen.
Dass wir nicht so weiter machen mit Krieg und Zerstörung der Umwelt
und all diesen Dingen. Recht hat er.
Auferstehung ist längst vor dem Tod und sie beginnt heute.
Nur, wenn ich zu jemanden gerufen werde,
der sich auf seinen Tod vorbereitet und mir die Frage stellt:
Wie wird es mit mir? Und ich sage ihm dann: Ich weiß es nicht.
Oder, wenn mir eine Mutter, die ihr Kind verloren hat, die Frage stellt:
Gibt es eine Auferstehung? Und ich sage: ich weiß es nicht.
Dann ist das zu wenig.
Dann muss ich sagen:
Ich glaube an die Auferstehung.
Ich glaube, dass Gott dich vom Tod erlösen wird.
Ich glaube, dass du dein Kind wiedersehen wirst.
Und worin macht sich dieser Glaube fest?
Gibt es dafür Belege?
Gibt es dafür Beweise?
Der Glaube an die Auferstehung der Toten
ist nicht zu belegen,
zu beweisen, zu verstehen,
wenn ich allein die Berichte im Neuen Testament
von der Auferstehung Jesu betrachte
oder das heutige Evangelium heranziehe.
Es genügt nicht, wie in unserem Glaubensbekenntnis
von Weihnachten über das ganze öffentliche Leben Jesu,
seine Verkündigung und sein Verhalten,
hinweg zum Karfreitag und zu Ostern hinüberzuspringen.
Um zu ahnen, wie es ist um die Auferstehung,
muss man auch etwas von der Zeit begriffen haben,
in der Jesus lebte.
Man muss eine Ahnung haben von dem, wer er gewesen war,
für was er eintrat und gegen wen er gesprochen und gekämpft hat.
Wenn ich mir so das Leben Jesu vor Augen halte,
dann stelle ich fest: Jesus war ein Jude. Er lebte wie ein Jude.
Er dachte wie ein Jude. Er glaubte wie ein Jude.
Woran haben Juden geglaubt?
Ein Gesetzeslehrer wollte Jesus
einmal auf die Probe stellen und fragte ihn:
„Meister, was muss ich tun,
um das ewige Leben zu erlangen?
Jesus antwortete mit einer Gegenfrage:
„Welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?“
Der Gesetzeslehrer gab ihm zur Antwort:
Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben
von ganzem Herzen und ganzer Seele,
mit deiner ganzen Kraft und all deinen Gedanken,
und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst. (Lk 10,25)
Das war der Glaube der Juden:
Dass der Mensch Gott lieben solle
und seinen Mitmenschen, wie sich selbst.
Aber auch das Umgekehrte galt:
Dass Gott den Menschen liebt mit einer unwahrscheinlichen Liebe.
Und eben diese Liebe verkündet Jesus auf Erden.
Er legt Zeugnis ab für den Gott, der nichts anderes ist als die Liebe.
„Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart,
dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat,
damit wir durch ihn leben.“ (1 Joh 4,9)
Wer immer Jesus begegnete;
wer immer ihn berührte und sich von ihm berühren ließ;
wer immer ihn sah und wen immer sein Blick traf,
stieß an den ansonsten so unnahbaren und unbegreiflichen Gott
und das Geheimnis: Gott ist die Liebe.
So lebte Jesus nicht abgesondert von der Welt.
Er wirkte vielmehr in aller Öffentlichkeit,
in den Dörfern und den Städten,
mitten unter den Menschen also.
Auch mit gesellschaftlich Anrüchigen, mit gesetzlich Unreinen,
selbst mit Aussätzigen hielt er Kontakt
und nahm dabei Skandale zu Hauf in Kauf.
Ja sogar einem Oberzöllner Zachäus reicht er seine Hand,
vergibt er seine Sünden, nimmt er von seiner Liebe nicht aus.
So hat Jesus gelebt. So hat Jesus gehandelt.
Er hat den Menschen damit klar gemacht,
dass der Gott Israels, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs,
ein Gott ist, der sich um den Menschen kümmert,
so wie er es schon immer getan hat.
„Was macht ihr euch Sorgen um euer Leben ...“
fragt Jesus anscheinend unbeeindruckt,
von den vielen alltäglichen Problemen der Menschen.
„Gott sorgt sich um euch. Kein Sperling fällt vom Dach,
ohne dass Gott es weiß.“
Jesus hat diese Botschaft ausgedehnt.
Er hat auch einen römischen Hauptmann, ein Heide,
davon nicht ausgeschlossen.
Und er hat gesagt, dass es kein Gesetz -
und wäre es auch das heiligste Gesetz des Sabbats -
geben darf, das den Menschen daran hindern soll,
einem anderen Menschen beizustehen.
Er darf es nicht, weil Gott den Menschen liebt.
Und dann kam die Katastrophe.
Jesu Botschaft wurde nicht nur nicht angenommen.
Jesus wurde sogar wegen dieser Worte verurteilt.
Er wurde gekreuzigt und als Verbrecher,
als Gotteslästerer und Aufrührer gegen den Staat hingerichtet.
Und da erhob sich für viele Beteiligten,
nicht zuletzt auch für jene, die ihm am nächsten standen,
seine Jünger, die Frage:
Wo ist jetzt dieser Gott, von dem Jesus erzählt hat?
Wo ist jetzt dieser Gott, der für die Spatzen sorgt?
Wo ist jetzt dieser Gott, der seinem Sohn entgegenläuft,
ihn in die Arme nimmt, weil er ihn liebt mit einer unbegreiflichen Liebe?
Das Drama des Kreuzes ist im Grunde nicht auflösbar.
Es gibt keine menschliche Antwort darauf.
Das ist das Problem, das auch wir haben.
Da erlebt ein Mann, dass seine ganze Familie
durch einen Verkehrsunfall ums Leben kommt
und er sagt: Ja, wo ist er denn jetzt, dein Gott?
Es gibt keine menschliche Antwort auf diese Frage.
Es gibt nur die Antwort, die Gott selber gegeben hat.
Und das ist die Auferstehung Jesu.
Und wenn wir die Ostererzählungen
des Neuen Testamentes lesen, merken wir:
Die ersten Jünger geben als Grund für ihren Glauben
an die Auferstehung den Gott Israels
und Jesus selber an.
Sie berufen sich nicht auf irgendwelche Reflexionen
über Jesu überwältigende Persönlichkeit,
die „nicht sterben konnte, sondern lebt“;
auch nicht auf irgendwelche geschichtlichen Vorbilder;
da ist auch nichts von irgendeiner tiefenpsychologischen
Auslegung des Osterglaubens im Sinne Sigmund Freuds;
da gibt es auch keine Anklänge an irgendwelche
ägyptischen Mythologien,
wie das heute in der Mode ist.
Nein! Es sind die Begegnungen
und die Erfahrungen mit Jesus als dem Auferstandenen.
Es sind die Erscheinungen des Lebendigen
in den Tagen, Wochen und Monaten
nach Jesu Tod und Auferstehung.
Wir tun uns schwer,
erklären zu können, was sich an Wirklichkeit
hinter den Erzählungen der Jünger letztlich verbirgt.
Wir können sie nicht verstehen.
Aber müssen wir sie verstehen?
Es geht dabei weniger darum,
dass wir alles durchschauen und erkennen,
sondern vielmehr, dass wir uns darauf einlassen,
den Zweifel keineswegs ausschließen,
aber im Letzten immer noch auf sie vertrauen.
Es ist wie bei einem Physiker, der das Licht erklärt.
Er spricht von Wellen und von Korpuskeln.
Er spricht in mathematischen Formeln,
weil er es letztendlich nicht ausdrücken kann.
Es gibt eben Dinge, die man nicht beschrieben kann.
Die Auferstehung Jesu, sie gehört dazu.
Sie ist eine Theophanie, eine Gotteserscheinung.
Und dabei geht es im Letzten um die Überzeugung unseres Glaubens.
Auferstehung von den Toten. Ich weiß es nicht.
Aber ich glaube es.
Ich glaube es mit all den vielen Menschen,
die der Ahnung ihres Herzens folgen,
die entgegen jeder Hoffnung hoffen,
die das Unsichtbare lieben.
Der Glaube an die Auferstehung
bedeutet demnach,
dass ich daran glaube:
Es gibt einen guten Gott, der diese Welt gut geschaffen hat.
Es gibt eine Schöpfung, die nicht Chaos ist, sondern ein sinnvolles Werk Gottes.
Es gibt den Menschen als Wunderwerk Gottes in dieser Schöpfung.
Und eben dieser Mensch ist in seiner Würde und Person
unnachahmlich und unübertreffbar, weil es Gott so will
und weil der Mensch für Gott unendlich kostbar und wertvoll ist,
und weil Gott den Menschen liebt. (Jes)
Der Glaube an die Auferstehung der Toten
ist der tiefste Optimismus dieser Welt,
der es uns ermöglicht auch angesichts
von Terror und Krieg und Hoffnungslosigkeit noch zu hoffen.
Auferstehung von den Toten besagt:
Dass nichts verloren geht, weil Gott unser Gott,
der Vater unseres Herrn Jesus Christus,
in der Geschichte des Menschen handelt.
Und wenn wir auferstehen, wird nichts von dem verlorengehen,
was wir in dieser Welt an guten Taten vollbracht haben.
Es wird auch nichts verloren gehen von all den Beziehungen,
die wir in dieser Welt aufgebaut haben.
Nicht ein Lächeln wird verlorengehen,
das wir einem anderen Menschen geschenkt haben
und kein Traum wird unerfüllt bleiben,
denn Gott sammelt alles ein in seiner unnachahmbaren Güte
und bewahrt es für das ewige Leben, das Reich Gottes,
in das wir mit unseren Verstorbenen berufen bleiben.