Triumphvoll
mutet der Einzug Jesu in Jerusalem an.
Wie einen König empfängt man ihn.
Wie einem Herrscher ruft man ihm zu,
wirft man ihm Kleider auf den Weg.
huldigt man ihm mit Palmzweigen.
Das Volk ist außer sich.
Kinder rennen auf den Straßen
zwischen den Leuten umher.
Frauen drängen sich nach Vorne.
Männer erhoffen sich
in Jesus den politischen Befreier.
Doch nichts soll über die Tatsache
hinwegtäuschen, dass das Schicksal des Mannes,
der auf einem Esel in die Stadt reitet,
ganz genau vorherbestimmt ist.
Ein Schicksal, das nichts Gutes verheißt.
Denn er zieht zum Sterben
nach Jerusalem hinauf.
Es dauert nicht lange,
da wird die Begeisterung des Volkes
verklungen sein,
das Halleluja nicht mehr zu hören
und die Stimmung der Menschen
wird sich gegen
den Mann aus Nazareth gerichtet haben.
Es dauert nicht lange,
da wird ihn Judas an die Soldaten
ausgeliefert haben,
seine besten Freunde werden ihn
im Stich gelassen haben
und er wird allein sein,
ausgeliefert dem Ansinnen
der Hohenpriester,
des Ältestenrates
und der Schriftgelehrten,
die ihn zu Fall bringen wollen,
die ihn mundtot machen wollen,
für immer,
am Kreuz.
Es dauert nicht lange
und man wird auf ihn einschlagen und zwar
solange bis er es nicht mehr aushalten kann.
Bis er Blut schwitzt.
Bis er sich nur noch das Eine anfängt zu wünschen:
Dass alles ein Ende haben möge.
Dass der Kelch an ihm vorübergehen möge.
Es dauert nicht lange,
da werden sie nur noch am Rande stehen
und ihm zusehen,
wie er sein Kreuz trägt,
wie er immer wieder zu Boden fällt.
Einer wird ihm helfen, sein Kreuz zu tragen.
Maria wird es das Herz zerreißen.
Frauen werden weinen
und Veronika ihm ihre Liebe erweisen,
indem sie ihm ein Tuch reicht,
mit dem er sich Blut und Schweiß abwischen kann.
Es dauert nicht lange,
da wird man ihm die Kleider herunterreißen,
ins Gesicht wird man ihm schlagen,
ihn verhöhnen und verspotten,
als König, der sich selbst nicht zu wehren weiß,
als Hilfloser, dem Gott nicht zu Hilfe eilt.
Es dauert nicht lange,
und Soldaten tun das, was sie vielleicht schon
lange leid sind zu tun,
einen Menschen ans Kreuz nageln
und damit das Urteil vollstrecken,
das man über ihn verhängt hat.
Es dauert nicht lange
und der König wird tot sein.
Pilatus, der Feige,
wird seine Hände in Unschuld waschen,
und sich hinter, der Meinung der Straße
verstecken,
die die Wahrheit
verleugnet,
die die Wahrheit ans Kreuz schlagen lässt.
Man mag sich mit Recht fragen,
warum Gott zur Erlösung des Menschen
einen solchen Weg einschlagen musste.
Man mag sich mit Recht fragen,
warum Gott zur Erlösung des Menschen
seinen eigenen Sohn vor der Wirklichkeit
dieser Welt nicht verschont hat.
Man mag sich mit Recht fragen,
warum Gott zur Erlösung des Menschen
keinen anderen Weg gewählt hat.
Nicht wenige tun dies.
Und nicht wenige gehen an diesem Gott,
der den Tod seines eigenen Sohnes zulässt
und die Rettung des Menschen durch
eine Hinrichtung und ein Menschenopfer beschließt,
in die Irre.
Kann ein Gott, der vorgibt die Liebe zu sein,
wirklich so handeln?
Es wäre vermessen,
Gott vorschreiben zu wollen,
wie und auf welchem Weg er die Welt
und mit ihruns Menschen erlösen soll.
Es wäre nicht weniger vermessen,
würde ich mir selbst anmaßen,
eine Antwort auf diese Frage geben zu wollen.
Ich weiß sie nämlich nicht.
Aber ich kann sie erahnen
und allein schon diese Ahnung einer Antwort,
lässt mich darauf vertrauen, dass Gott schon wusste,
was er tat, des Menschen wegen tat.
Die Ahnung einer Antwort gibt mir der Brief
des Apostels Paulus an die Philipper.
Er schreibt darin:
Jesus Christus war Gott gleich,
hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein,
sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave
und den Menschen gleich.
Sein Leben war das eines Menschen.
Das bedeutet doch nichts anderes als dies:
In Jesu Weg dürfen wir
den Weg des Menschen erkennen.
In Jesu Weg dürfen wir
unseren eigenen Weg erkennen.
In Jesu Weg nimmt das Schicksal
dieser Welt seinen eigenen Lauf.
Nichts anderes,
als das was uns die Passion Jesu vor Augen hält,
macht zu einem großen Teil auch die Passion,
den Leidensweg des Menschen
und dieser Welt aus.
Die Erde ist durchdrängt vom Blut unschuldig
verfolgter und hingerichteter Menschen.
Es schreit förmlich zum Himmel,
dieses ganze wahnsinnige Töten.
Gegen die unkontrolliert entfesselten
destruktiven Kräfte des Menschen gibt es kein Halten.
Und gegen die Erfahrung des Kreuzes und des Todes
im Leben des Menschen kommt niemand an,
außer,
der, der sich selbst dem Schicksal eines Menschen hingibt,
der Gottes Sohn ist
und der allein die Kraft besitzt, in seinem Tod
alles an sich zu ziehen,
was das Leben eines Menschen ausmacht
und der in der Auferstehung von den Toten
das Leben des Menschen und dieser Welt
in ein neues Licht eintauchen lässt.
Einen Gott,
der selbst vor der Dunkelheit
dieser Welt zurückschrecken würde,
der selbst das Schreckliche und Angstmachende
in der Welt scheuen würde,
der den Abgrund menschlichen Leben nicht kennen würde,
hätte ein solcher Gott
seine Glaubwürdigkeit nicht schön längst verspielt?
Gott zeigt im Leiden seines Sohnes,
dass es ihm mit uns Menschen wirklich ernst ist,
Gott zeigt im Leiden seines Sohnes,
dass er unser Menschsein kennt und das,
was es ausmacht und bestimmt und oftmals
so Sinn entleert erscheinen lässt.
Gott zeigt in Jesus Christus,
dass er uns Menschen
und die Welt nicht der Erfahrung
des Kreuzes überlässt.
Doch dies ist eine andere Ahnung,
eine Ahnung von Leben,
wie sie uns erst Ostern schenken wird.