Von Krisen
ist heutzutage vielfach die Rede.
Auch von der Krise des Christentums.
Bei einer Krise geht es bekanntlich
um Leben und Tod,
um Sein oder Nichtsein.
Daher kommen viele von der Sorge nicht los,
das Christentum könne der gegenwärtigen Krise erliegen,
statt neu belebt, ja verjüngt aus ihr hervorzugehen.
Die Volkskirche steckt nach den Worten
des Freiburger Religionssoziologen Michael Ebertz in der Krise.
Es handele sich dabei
um eine Finanzkrise, eine Personalkrise
und „insbesondere eine Relevanzkrise,
genauer gesagt eine Angebotskrise“, meint Ebertz.
Dass die Gelder immer knapper werden
und viele Diözesen einen knallharten Sparkurs fahren,
unter dem nicht wenige Pfarreien zu leiden haben,
ist mittlerweile vielen bekannt.
Die finanziellen Zuweisungen seitens der Diözesen
an ihre Pfarreien sind auf ein Minimum reduziert worden,
erst recht dort, wo sich die Kirche
nicht direkt in die Verantwortung gestellt sieht.
Vielerorts werden Kindertagesstätten geschlossen.
Sehr schmerzhaft wird von vielen Christen
die Tatsache empfunden,
dass aufgrund fehlender Gelder sogar Kirchen
zum Verkauf angeboten werden müssen.
Notwendige Renovierungen an kirchlichen Gebäuden
sind auf Jahre hinausgeschoben.
Dass es an Priestern fehlt,
in vielen Diözesen der Klerus überaltert ist
und damit immer weniger Priester
künftig den Pfarreien zur Verfügung stehen werden,
auch darum weiß jeder,
der die innerkirchlichen Entwicklungen aufmerksam verfolgt.
Dass die Krise der Berufungen
aber nicht nur das Priesteramt betreffen,
sondern sich generell auch auf
andere hauptamtliche Berufe in unserer Kirche bezieht,
das geht bei ihrer Wahrnehmung vielfach unter.
Die Krise der eigenen,
ganz individuellen,
das Leben jedes einzelnen Christen
betreffenden Berufung,
darf dabei ebenso
nicht übersehen werden.
Die Kirche sei für viele Menschen
in unserer Gesellschaft nicht mehr relevant,
meint Ebertz.
Wer sich aufmerksam den Entwicklungen
in unserer Gesellschaft stellt,
wird auch dies bestätigen können.
Die Kirche ist für einen großen Teil
von Menschen nicht mehr wichtig.
Sie ist nicht mehr von Bedeutung.
Erst recht nicht für jene Menschen,
für die Emanzipation und Autonomie
und Selbstverwirklichung zu unverzichtbaren
Werten geworden sind.
Werte, die oftmals für sie vor allen anderen,
für den Fortbestand einer Gesellschaft relevanten Werten,
stehen.
"Die Volkskirche steckt in der Krise.
Es handele sich dabei um eine Finanzkrise,
eine Personalkrise
und „insbesondere eine Relevanzkrise,
genauer gesagt eine Angebotskrise“,
meint Ebertz.
Er weist zugleich auf die Lösung des Problems hin,
auf Schritte, die aus der Krise herausführen sollen.
„Es sei notwendig“, meint der Religionssoziologe,
„die pastoralen Strukturen an die zeitgenössischen
Kommunikationen anzuschließen.
Über die traditionelle Kirchengemeinde hinaus
müssten Möglichkeiten
„neuer kirchlicher Kommunikation
ausgelotet werden“."
Bei all diesen berechtigten Überlegungen scheint mir,
dass eine Krise unberücksichtigt bleibt.
Die eigentliche, die vorrangigste Krise,
in der sich unsere Kirche befindet,
ist keine Finanzkrise,
es ist auch keine Berufungskrise,
und auch die Rede von einer Relevanzkrise
macht darauf aufmerksam,
dass allem vorweg eine ganz andere Krise besteht,
die es zu bewältigen gilt:
Die Beziehungskrise.
Die Krise unserer Kirche ist begründet in der Tatsache,
dass immer mehr Menschen
zu Gott keine Beziehung mehr haben.
Das wird erkennbar
bei vielen anderen öffentlichen Diskussionen,
welche das Werteverständnis unserer Gesellschaft betreffen.
Denken wir an die Überlegungen
hinsichtlich der Stammzellenforschung,
an Fragen des Embyonenschutzes.
Am häufigsten ist es zu bemerken
im alltäglichen Umgang mit den Menschen,
bei denen der Glaube an Gott keine Rolle mehr spielt,
weil sie der Auffassung sind,
dass sie auch ganz gut ohne Gott zurecht
kommen können.
Wo immer die Beziehung
des Menschen zu Gott fehlt;
wo immer die Beziehung
des Menschen zu Gott in die Krise geraten ist,
dort wird zugleich auch eine Krise der Kirche provoziert.
Auch eine Krise des Menschen.
Bereits Paulus schreibt in seinem Brief an die Korinther:
Wenn darum ein Glied leidet,
leiden alle Glieder mit. (1Kor 12,26)
Johannes, der letzte Prophet des Alten Bundes,
Vorläufer Jesu und dessen Wegbereiter,
will die Menschen um ihn herum in Beziehung zu Jesus setzen.
Er spendet die Taufe und fordert sie dazu auf,
alles dafür zu tun, dass Jesus zu ihnen finden kann.
Bereitet dem Herrn den Weg!
Ebnet ihm die Straßen!
Jede Schlucht soll aufgefüllt werden,
jeder Berg und Hügel sich senken.
Was krumm ist soll gerade werden,
was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden.
Und alle Menschen werden das Heil sehen,
das von Gott kommt. (Lk 3,4ff)
Johannes ist aktueller denn je.
Sein Ruf richtet sich an jeden,
dessen Beziehung zu Gott und zum Glauben
an ihn in der Krise steckt und auch an all jene,
die bislang eine solche Beziehung
noch nicht aufbauen konnten.
Sein Ruf richtet sich an die Kinder,
die bislang Gott und Jesus Christus
noch nicht kennenlernen durften.
Eigentlich ist es die Aufgabe der Eltern,
ihnen einen Weg zu Gott und zum Glauben
an Jesus Christus zu bereiten.
Das aber setzt voraus,
dass sie selber in Beziehung zu Gott stehen
und aus dem Glauben an Jesus Christus leben.
Wo der eigene Glaube aber in einer Krise steckt
oder gar von wenig Relevanz für das eigene Leben ist,
da wird man auch kein Vorbild für andere sein können.
Solche Beziehungskrisen vermehren sich.
Die Vorbereitung der Kinder
auf die Erste Heilige Kommunion
wird zur ernsthaften Anfrage an die Eltern,
wie sie es persönlich
mit dem Glauben an Gott halten.
Sein Ruf richtet sich an die im Glauben
und von Gott enttäuschten.
Schlechte Erfahrungen können die Beziehung zu Gott zerstören.
Zumeist sind es Schicksalsschläge,
die der Mensch nicht einzuordnen und zu deuten weiß.
Sie lassen ihn an Gott in die Irre gehen.
Es ist wichtig, sich die Gründe der Enttäuschung
vor Augen zu halten und die bisherigen Erwartungen
an das Leben und an Gott ins Wort zu bringen.
Diese Erwartungen müssen überprüft werden.
Sind sie realistisch sind
der zielen sie an den Wirklichkeiten der Welt
und an Gott vorbei?
Werden sie dem Menschen und Gott gerecht?
Sein Ruf richtet sich an all jene,
die auf der Suche nach einem erfüllten
und glücklichen Leben müde geworden sind
vom Ausprobieren der unzähligen Lebensangebote dieser Welt.
Viele Menschen sind innerlich leer und ohne Orientierung.
Ihre Krise besteht darin,
dass sie sich irgendwann einmal von Gott abgewendet haben.
Der Glaube schenkte ihnen keine Erfüllung.
Statt ihm standen andere Dinge im Vordergrund:
Erfolg und Karriere,
Geld und Macht,
Einfluss und Ansehen
und zwischenmenschliche Beziehungen
waren vielversprechender.
Sich wieder auf die tragenden
und sinnerfüllenden Wirklichkeiten in seinem Leben zu besinnen,
das wäre der Weg aus der Krise heraus.
Sich wieder zu Gott in Beziehung setzen lassen,
das wäre das alles Entscheidende.
Sein Ruf richtet sich gleichermaßen an jene,
die die Sache des Glaubens offiziell zu vertreten haben
und hinterfragt ihre eigene Beziehung zu Gott
und dem von Jesus Christus verkündeten Evangelium.
Vor allem aber fragt er nach der Beziehung zu den Menschen,
denen sie den Weg zu Gott und damit zu einem sinnerfüllten Leben
zu bereiten haben.
Die Krise besteht für die Kirche darin,
dass sie anscheinend Antworten auf Fragen gibt,
die niemand gestellt hat
und die auf das Leben des Menschen keinen Bezug nehmen.
Krisenbewältigung kann nur darin bestehen,
ihre Beziehung zum Menschen neu zu durchdenken
und dem Menschen zu verstehen zu geben,
wie sehr das Evangelium mit dem menschlichen Leben
und seinen alltäglichen Erfahrungen zu tun hat.
Wem immer es gelingt aus der Krise heraus zu kommen,
dem Herrn den Weg zu bereiten und eine Beziehung
zu ihm aufzubauen, der wird feststellen,
dass sein Leben eine ganz andere Qualität bekommt.
Auch das Miteinander mit anderen Menschen
wird sich anders gestalten als zuvor.
Das Leben wird sich auf das Eigentliche konzentrieren,
auf das, was wirklich zählt. Und was zuvor wichtig war,
wird zur Nebensache.
Und woran zuvor vielleicht nur im Entferntesten
gedacht wurde, das wird nun zum unverzichtbaren
Bestandteil des eigenen Lebens.
Die Frage bleibt offen:
Wie jeder einzelne von uns seine Beziehung zu Gott
wenn nicht wieder herstellen, so doch intensivieren
und manches was die Begegnung zwischen ihm und Gott
erschwert aus dem Weg räumen kann.
Sie muss zunächst jeder und jede
von uns selber beantworten.
Für jetzt bliebt festzustellen:
Die Krise der Kirche ist eine Beziehungskrise,
die das Verhältnis des einzelnen Menschen zu Gott beinhaltet.
Ein anderes Wort dafür:
Gotteskrise.
Johannes will einladen,
über die eigene Beziehung zu Gott nachzudenken
und gegebenenfalls wegzuräumen,
was zwischen uns und Gott steht,
die Krise zu bewältigen,
damit wir das Heil sehen können,
das von Gott kommt
und mit dem er uns ganz erfüllen will.